Religion, politische Einstellung oder Interessen – die eigenen Eltern sind oft ganz anders als die des Partners. Trotzdem möchte fast jedes Paar, dass sich Mütter und Väter irgendwann kennenlernen – und sich am besten auch noch gut verstehen. Aber wann ist der richtige Zeitpunkt und was bedeutet es für die eigene Beziehung, wenn die Chemie so gar nicht stimmt?
Hinter der Idee eines solchen Kennenlernens steckt nicht selten der Wunsch nach einer Großfamilie, erklärt die Diplom-Psychologin Monika Deininger: „Die Eltern einander vorzustellen kann ein erster Schritt sein, Familien zusammenzuführen und Feierlichkeiten in Zukunft im größeren Rahmen stattfinden zu lassen.“ Manchmal ist es auch der Wunsch danach, dass die Eltern des Partners ein Bild vor Augen haben, wenn man von der eigenen Familie spricht.
Die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt ist dabei besonders kniffelig, meint Deininger: Wer den Partner gerade erst kennengelernt hat, sollte nichts überstürzen. „Stellt man die Eltern einander vor und geht dann doch keine dauerhafte Beziehung ein, läuft man Gefahr, in eine Wiederholungssituation zu kommen und die eigenen Eltern immer wieder in Familienzusammenführungen zu integrieren.“
Ein Kennenlernen kurz vor einem gemeinsamen Ereignis, wie der Hochzeit oder einer Taufe, könnte hingegen zu spät sein: „Man sollte dafür sorgen, dass sich die Eltern auf einer Familienfeier nicht fremd gegenüberstehen.“ Wer für sich selbst den Wunsch erkannt hat, dass sich die Eltern kennenlernen, sollte den Partner ganz offen darauf ansprechen, meint Deininger. Nur, wenn beide das Bedürfnis haben, sei eine Familienzusammenführung sinnvoll. „Manche Menschen möchten ihre Eltern aus ihrem Leben raushalten – und das sollte ein Partner akzeptieren.“
Der Psychologe Rainer Ewe findet nicht, dass es den einen richtigen oder falschen Zeitpunkt für das Kennenlernen gibt: „Wenn aus der Liebesbeziehung eine Partnerschaft mit Zukunftsperspektive wird und ein Paar das Gefühl hat, zur Familie zu werden, kann das ein passender Zeitpunkt sein.“ Sind beide zu diesem Schritt bereit, kann das Paar ein Treffen arrangieren. Dabei sollte es zunächst einen überschaubaren Rahmen wählen, rät Ewe. „Wer ein Kennenlernen zu groß inszeniert, läuft Gefahr, dass die Erwartungen auf allen Seiten steigen und das Treffen dann in einer steifen Atmosphäre verläuft.“ Passend könnte zunächst ein gemeinsames Abendessen sein. Verstehen sich die Eltern dann auf Anhieb, kann das nächste Treffen eine größere gemeinsame Unternehmung sein.
Damit die Stimmung beim Kennenlernen entspannt ist, sollte sich das Paar vorher überlegen, welche Art von Treffen zu den Eltern passen könnte, rät die Paar- und Familienberaterin Dörte van Benthem Favre. Der Klassiker ist ein Essen in einem Restaurant, hier wird den Eltern wenig Eigeninitiative abverlangt. Andererseits: „Wer in die eigene Wohnung einlädt, kann den Abend mit Häppchen im Stehen beginnen und eine lockere Gesprächsrunde schaffen“, schlägt van Benthem Favre vor. Eine Alternative ist ein gemeinsamer Kochabend – dabei lernen sich die Eltern ganz nebenbei kennen, und man läuft keine Gefahr, dass unangenehme Gesprächspausen entstehen.
In jedem Fall sollte das Paar versuchen, entspannt in eine Zusammenführung zu gehen, rät die Therapeutin. „Die Phase der Erziehung durch die Eltern ist vorbei, es geht um eine Phase der Beziehungen zwischen Erwachsenen, die alle gemeinsam gestalten.“ Ein solches Treffen ist ein Angebot an die Eltern, mit dem man zeigt: Wir laden euch ein, an unserer Zukunft teilzunehmen. Außerdem sollte man im Hinterkopf behalten, dass man nicht allein für eine gelungene Atmosphäre verantwortlich ist, meint van Benthem Favre. „Das Paar gibt zwar den Rahmen vor – für ein gelungenes Treffen und gute Gespräche sind aber alle Anwesenden verantwortlich.“
Nicht immer sind die eigenen Eltern und die Eltern des Partners auf einer Wellenlänge, gibt Deininger zu bedenken. „Bildungsgrad, der soziale Status, die Religion, persönliche Interessen, politische Einstellungen und auch der Umgang miteinander – das alles kann bei den Eltern meines Partners ganz anders sein, als bei meinen eigenen Eltern.“ Wer merkt, dass sich die Eltern nicht verstehen oder es bei bestimmten Themen sogar zu Konflikten kommt, sollte nicht versuchen, Gemeinsamkeiten zu erzwingen, sondern stattdessen gemeinsame Treffen auf das Nötigste beschränken. Passen die Eltern nicht zusammen, ist das nicht weiter schlimm: „Die Eltern müssen einander nicht lieben – ein respektvoller Umgang reicht“, sagt Deininger.
Für die Partnerschaft ist es nicht ausschlaggebend, dass die Eltern untereinander ein persönliches Verhältnis haben, meint auch Ewe: „Wenn zwischen den Eltern ein harmonisches Verhältnis oder gar eine freundschaftliche Verbindung entsteht, ist das natürlich toll – für eine glückliche Beziehung aber nicht zwingend notwendig.“ Einander zu kennen und mit gegenseitiger Wertschätzung zu begegnen, sei für eine funktionierende Familienkonstellation völlig ausreichend.
Schon gewusst?
Das Bild der „bösen Schwiegermutter“ existiert schon seit Jahrhunderten. Es stammt aus der Zeit, in der das Paar zur Familie des Sohnes zog. Wissenschaftlich untersucht wurde das Schwiegermutter-Klischee nur selten. Die Psychologin Andrea Kettenbach von der Fernuniversität Hagen nennt vier Typen von Schwiegermüttern. Demnach gibt es die nette, die hinterhältige, die nervige aber nützliche und die desinteressierte Schwiegermutter. Ihr Resümee: „Die Schwiegermutter ist viel besser als ihr Ruf. Konfliktpotenzial gibt es aber trotzdem.“ (sk)
Warum es oft kriselt und was man tun kann:
- Wie häufig sind Konflikte mit den Schwiegereltern eigentlich? Wer eine Partnerschaft eingeht, bekommt meist als Gratiszugabe Schwiegereltern. Doch nicht immer sind beide Seiten miteinander einverstanden. In einer Studie aus dem Jahr 2014 berichteten 47,9 Prozent der Probanden von belasteten Beziehungen von Schwiegermüttern zu den Schwiegertöchtern.
- Welche Ursachen haben solche Konflikte? Ursachen seien häufig Konflikte über Wertesysteme, sagt der Psychologieprofessor Peter Kaiser. Vorbehalte entstehen außerdem durch die Sorge, den Sohn oder die Tochter zu verlieren. Häufig lauern Konflikte auch, weil die Beteiligten aus unterschiedlichen Generationen stammen, sagt Diplom-Psychologe Steffen Jacob.
- Welche Konstellation birgt am häufigstenPotential für Konflikte? Die schwierigste Konstellation ist offenbar die zwischen Schwiegertochter und Schwiegermutter. Hier seien Eifersucht und Konkurrenz am größten. "Die Beziehung zwischen Schwiegermutter und -tochter entscheidet oft über den Kontakt zwischen Mutter und Sohn oder mit den Enkelkindern", sagt Kaiser.
- Wie kann der Partner mit solch einer Situation umgehen? Damit aus dem Streit zwischen Schwiegerkind und -elter kein Beziehungsproblem entsteht, muss sich der Partner klar positionieren. "Oft ist der Frust deshalb so groß, weil man das Gefühl hat, dass der Partner zwar eine Meinung hat, aber vor den Schwiegereltern nicht dafür einsteht", sagt Jacob. (dpa)