Die Schaltzentralen von Google und Facebook im Silicon Valley kennt Friedrich Kisters (52) von innen. Wo die Zukunft schon heute entsteht, sollte man gewesen sein, wenn man Ideen wälzt, um einen Teil vom Kuchen der digitalen Revolution abzubekommen. Aber warum sollte nur Kalifornien an der Spitze der Umwälzung stehen? Warum nicht auch ein anderes schönes Fleckchen Erde? „Wir sollten aus der Bodenseeregion ein Silicon Lake machen“, sagt Kisters.

Wer meint, das sei ein Hirngespinst, sollte dem Mann zuhören, dessen erster – und richtiger – Hinweis lautet: „Das Internet wurde in der Schweiz erfunden.“ Dafür steht das Forschungszentrum CERN in Genf. Auch Kisters selbst hat Erfolge. Ihm gehören ein Dutzend internationaler Patente, an der Universität Konstanz hat er Stipendien für Informatik-Studenten gestiftet und in Kreuzlingen eine Denkfabrik aufgebaut, in der überall zeitgenössische Kunst verteilt ist.
Was ist echt, was gefälscht?
Es ist die Kunst, die den einstigen Zürcher Kunststudenten Kisters zu dem inspiriert hat, was er heute tut. Die Kunst schleppt seit Jahrhunderten die bange Frage mit sich herum, was Original und was Fälschung ist. Den Beltracchis dieser Welt Einhalt zu gebieten, dürfte schwerfallen. Möglich ist es aber, Zukunftstechnologien wie die Blockchain zu nutzen, um Menschen zu helfen, die mit Dateien aller Art arbeiten und diese vor Fälschern, Manipulatoren und Erpressern zu schützen.
Leute sind zu vertrauensselig
„Es gibt ein Menschenrecht auf die Unversehrtheit der eigenen Daten“, erhebt Friedrich Kisters eine Forderung, die sich philantropisch anhört und auch so gemeint ist. Er weiß, dass es schwierig ist, die Leute mit der Nase auf die Bedrohung ihrer Daten zu stoßen. Attacken wie der Hackerangriff auf den Bundestag sind weit weg.
Startschuss für OriginStamp
„Die Leute hoffen, dass nichts schiefgeht, wenn sie im Netz surfen.“ Aber Hoffnung ist keine Sicherheit, und diese ist nicht ohne Risiko zu haben. Das Risiko nämlich, etwas zu wagen und – wie im Januar geschehen – das Startup OriginStamp AG zu gründen – nach dem Motto „Bits for a better life“ – Bits für ein besseres Leben.
Von „Jugend forscht“ zum Prof
Dafür hat Kisters Bela Gipp, bis vor kurzem Junior-Professor in Konstanz und jetzt in Wuppertal lehrend, ins Boot geholt. Gipp, der dreimal beim Bundeswettbewerb „Jugend forscht„ Preisträger war, ist der Architekt einer Sicherheitsstruktur, die dem Tresor von OriginStamp zugrunde liegt. „In seinem Metier ist er weltweit einer der zehn Besten“, sagt Friedrich Kisters.

Das Denkmodell ist simpel, die Umsetzung algorithmisch sportlich: dem digitalen Fingerabdruck einer Datei – es kann ein Text oder auch ein Foto sein – wird ein elektronischer Zeitstempel aufgedrückt. „Er bestätigt, dass die Datei zu genau diesem Zeitpunkt in genau diesem Zustand war“, sagt Kisters. Der Fingerabdruck wird in der Blockchain unveränderbar gespeichert. Das kann etwa bei Patentschriften oder Dissertationen eine Versicherung sein, die über Erfolg, Karriere und damit das persönliche, hart erarbeitete Glück bestimmt.

In Zeiten der Plagiats-Detektive, die Dissertationen und damit Menschen überführen wollen, „ist das ein ganz großes Thema“, wie der Gründer sagt. Die Nachfrage nach einer Lösung ist also groß. „Wir gewinnen mit OriginStamp täglich neue Kunden“, sagt Kisters. Kunden, die wissen, dass Firewalls trotz aller Updates gehackt werden können. Denn sie stehen für eine statische Sicherheit, so statisch wie der römische Limes, der irgendwann von den Alamannen überrannt wurde.
Zauberwort: Dynamische Sicherheit
Aber Kisters baut nicht auf statische, sondern „dynamische Sicherheit“, will meinen: Es gibt gar keinen Zaun. Vielmehr bietet OriginStamp durch den Zeitstempel einen jederzeit aktuellen Fingerabdruck einer Datei, der von (tausenden) Teilnehmern der Blockchain jederzeit beglaubigt werden kann.
Sicherheit statt Hoffnung
So wird das nachgewiesen, was den meisten Menschen viel näher am Herzen liegt als sie sich eingestehen: Echtheit. „Nur mit Geschwafel“, sagt Friedrich Kisters deutlich, „erreichen wir das nicht“. Man könnte ergänzen: Und mit der Hoffnung, es werde schon alles gutgehen, auch nicht.