Die herbstliche Sonne brennt auf Feldwege und Trampelpfade hinab, während sich rechts und links davon der Hegau mit Bodensee-Panorama, weiten Wiesen und blühenden Feldern von seiner schönsten Seite zeigt. Kies und Erde knirschen unter den Sohlen mehrerer Schuhpaare. Es könnte ein normaler Wanderausflug sein – dass dem aber nicht ganz so ist, zeigt sich anhand der Gespräche: Es fallen Begriffe wie „freelancer“ oder „Crowdfunding“, Marktforschungs-Erfahrungen werden ausgetauscht, Geschäftsmodelle erklärt.
Es ist eine innovative Idee – zwei Wochen lang waren Mitarbeiter des Konstanzer Beratungs- und Projektagentur Gründerschiff mit Unternehmern, Gründern, Experten und kreativen Köpfen im Rahmen der sogenannten Expedition Querweg auf der gleichnamigen Strecke von Freiburg nach Konstanz unterwegs. Und es geht auch um Innovation – denn im Mittelpunkt steht der Austausch rund um Startup-Unternehmen und neue Ideen.

Wie Daniel Schenk, der für die Organisation des Projekts zuständig ist, erklärt, ist ein Ziel der Wanderung, „die Mitlaufenden zu vernetzen.“ Der Austausch unter regionalen Unternehmen solle gestärkt werden. Die Wahl der Region zwischen Konstanz und Freiburg solle „eine Gegenbewegung zu der Zentrierung der Gründerszene im Großraum Stuttgart darstellen.“
Aufmerksamkeit für die Branche
Vor allem aber macht das Projekt dem Thema Gründungen und Startups in der Öffentlichkeit präsent, zumal die Gespräche ab Oktober vom Gründerschiff über einen Podcast veröffentlicht werden – und das ist dringend nötig, wie Guido Baltes, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Strategische Innovation und Technologiemanagement an der HTWG Konstanz und Projektleiter der Konstanzer Gründerinitiative Kilometer1, findet.

Wie er erklärt, ist Baden-Württemberg beim Thema Startups „wohl auf Augenhöhe mit Bayern, in der Qualität nicht schlechter als Berlin“ – die beiden Bundesländer treten in Deutschland diesbezüglich hervor -, allerdings gebe es Unterschiede: Im Gegensatz zu Bayern, wo sich die Startup-Aktivität auf wenige Zentren wie München konzentriere, sei sie in Baden-Württemberg im Land breit verteilt. Und im Gegensatz zu Berlin, wo vor allem eine Investoren-motivierte Suche nach sogenannten Einhörnern stattfindet – also Unternehmen, die eine sehr hohe Marktbewertung haben -, gebe es in Baden-Württemberg viele Startups, die mit der traditionellen, mittelständischen Industrie zusammenarbeiten.

„Volkswirtschaftlich ist das gesünder“, sagt Baltes. „So hat man nicht nur ein neues Unternehmen, das vielleicht ein altes verdrängt, sondern schafft stattdessen ein Meer an Optionen für neue Kooperationen, die dabei unterstützen können, die traditionelle Industrielandschaft in der Breite zu transformieren, um damit Wirtschaftskraft, Arbeitsplätze und Wohlstand zu erhalten.“ In Freiburg etwa finde viel im Bereich der Künstlichen Intelligenz statt und auch rund um den Bodensee gebe es einige Startup-Aktivitäten, die wie etwa in Konstanz oder Friedrichshafen sehr regional oder als Netzwerke organisiert seien.
Auch SÜDKURIER CityLogistik und die Digitalagentur Schanze und Horn, die zu den wandernden Gesprächspartnern während der Expedition Querweg gehören und im SÜDKURIER Medienhaus entstanden sind, sind Beispiele für eine innovative Zusammenarbeit mit mittelständischen Unternehmern aus der Region. Während SÜDKURIER CityLogistik für Unternehmen den Warentransport per eCargo-Bikes übernehmen, setzt Schanze und Horn sich für die kommunikative Transformation ein und vernetzt Unternehmen und Kunden etwa mithilfe von Internetseiten, Kanälen in den Sozialen Medien und Informationsplattformen.

Förderung ist enorm wichtig
Trotz dieses Ideenreichtums fehle es dem Thema Startup-Gründung in Baden-Württemberg an Präsenz. „An Ideen mangelt es auf keinen Fall, jedoch sehen bisher viele die Umsetzung ihrer Ideen in einem eigenen Startup während, beziehungsweise nach ihrer Ausbildung nicht als einen möglichen Karriereweg“, sagt auch Christina Lang von Kilometer1. Stattdessen entscheiden sich viele laut Guido Baltes lieber für einen scheinbar sicheren Arbeitsvertrag in erfolgreichen Industrieunternehmen. Um dem entgegenzuwirken, müssen potenzielle Gründer früh informiert und begeistert werden, am besten schon in der Schule, so Baltes.
Außerdem müsse ihnen eine möglichst einfacher und wenig riskante Gründung ermöglicht werden. Es gebe bereits viele Initiativen, die an dieser Stelle Unterstützung bieten, in Konstanz habe Kilometer 1 etwa die Initiative „Unternehmer für Gründer“ ins Leben gerufen, die etablierte Unternehmer der regionalen Industrie mit Gründenden vernetzen will.
Die Startup-Förderung in der Stadt genieße einen guten Ruf. Konstanz habe in den vergangenen Jahren einen enormen Sprung nach vorne gemacht, erfolgreiche studentische Unternehmungsgründungen werden zunehmend zur Regel. Auch die Landesregierung habe erfolgreich etwa über die Initiative bwcon Gründungen in der Fläche gefördert und junge Unternehmen mit bestehenden Industrieunternehmen zusammengebracht.

Während sich allerdings in Clustern wie München etwa durch Hochschulen, Großunternehmen und Risikokapital ein Überangebot an Startup-Förderung, -Unterstützung und -Finanzierung gebe, könne eine solche Dichte in Baden-Württemberg, wo Gründungen in der in der Fläche verteilt seien, nicht entstehen.
Zudem seien die Herausforderungen durch die industrielle Transformation gewaltig. „Deswegen wäre es wünschenswert und vermutlich sogar notwendig, davon noch mehr zu machen.“ Vor allem, weil Startups nicht nur Innovationspotenziale für bestehende Industrieunternehmen schaffen, sondern auch hochqualifierte Arbeitsplätze binden, so Baltes: „Startups sind die beste Chance, die Wirtschaftsstruktur ins
digitale Zeitalter zu führen.“ Wichtig sei es darum, potenziellen Gründern klar zu machen: „Das ist einfach eine berufliche Alternative.“
Dabei helfen könnte die Expedition Querweg – denn durch die Gespräche mit Gründern, die bereits Erfahrung in diesem Bereich gesammelt haben, soll ein roter Faden sichtbar werden, der potenziellen Gründern und anderen Menschen mit kreativen Ideen einen Einblick gibt in das, was auf sie zukommen könnte und was es zu beachten gibt. So können sie an die Hand genommen werden. „Wir geben die Leitlinie vor zur Frage ‚Wie gehe ich mit einer Idee um?‘“, erklärt Ina-Faye Bartikowski, während sie an Wiesen und Wäldern vorbei wandert.