Unzählige Pflegebedürftige und ihre Angehörigen wissen nicht mehr weiter. Die Kosten für Pflegeplätze im Heim sind extrem nach oben geschossen. Erhöhungen um monatlich 600, 700 Euro, schlimmstenfalls 1000 Euro und mehr seien in diesem Herbst gang und gäbe, sagt David Kröll, Sprecher beim BIVA-Pflegeschutzbund.
Hinter der Preisexplosion stecken nicht allein die höheren Energie- und Lebensmittelkosten, sondern auch höhere Löhne. Seit September müssen Pflegekräfte nach Tarif bezahlt werden. All diese Teuerungen reichen die Heime nun an ihre Bewohner weiter. Wer sich seinen Pflegeplatz bald nicht mehr leisten kann, sollte die Erhöhung prüfen lassen und sich notfalls Wohngeld oder Hilfe vom Staat holen, raten BIVA und Verbraucherschützer.
Preiserhöhung hinauszögern
Betroffene Heimbewohner sollten ihr Erhöhungsschreiben in jedem Fall juristisch prüfen lassen, empfiehlt Verena Querling, Pflegerechtsexpertin bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Die Briefe der Heimbetreiber sind häufig formal nicht korrekt abgefasst. Die Erhöhung ist dann unwirksam.
Der Pflegebedürftige hat damit die Chance, Widerspruch einzulegen, nur unter Vorbehalt zu zahlen und die Preisanhebung noch ein paar Wochen hinauszuzögern. Etwa 70 bis 80 Prozent der von der BIVA geprüften Schreiben seien fehlerhaft, betont Kröll. Mal fehlt die Begründung, mal die Aufstellung alter und neuer Kostenbestandteile, mal der Umlageschlüssel.

Erhöhungsschreiben prüfen lassen
Viele Verbraucherzentralen prüfen die Erhöhungsschreiben gegen vergleichsweise geringe Gebühr, der BIVA-Pflegeschutzbund checkt kostenfrei für seine Mitglieder. Der juristische Schachzug kann die Verteuerung nicht aus der Welt schaffen, bringt Betroffenen aber etwas mehr finanziellen Spielraum. Flattert ein korrektes Erhöhungsverlangen ins Haus, wird der höhere Preis vier Wochen später wirksam.
Dass sich mit der Verteuerung ein Sonderkündigungsrecht auftut, nütze den meisten Pflegebedürftigen nicht viel, winkt Juristin Querling ab. „In ein günstigeres Heim wechseln ist realistischerweise keine Option. Wie sollte man das jetzt finden?“
Wohngeld prüfen
Auch Pflegebedürftige können Wohngeld bekommen. Den Zuschuss erhalten nicht nur Kranke und Demente mit kleinen Einkommen, die zu Hause betreut werden. Ausdrücklich im Gesetz miteingeschlossen sind ebenso die Bewohner von stationären Einrichtungen, wie Querling erläutert: „Dass es diese finanzielle Hilfe gibt, wissen viele Bürger leider nicht.“
Aktuell bekommen bundesweit nur 85.000 Menschen in Pflegeheimen Wohngeld. Grundsätzlich gilt: Die Höhe des individuellen Zuschusses hängt von vielen Faktoren ab. So dürfen Pflegebedürftige keine anderen Sozialleistungen beziehen wie etwa die „Hilfe zur Pflege“, was der klassischen Sozialhilfe entspricht.
Wo die Freibeträge liegen
Nicht jeder ältere Mensch hat Anspruch auf Wohngeld. Das verwertbare Vermögen des Antragstellers darf nicht über 60.000 Euro hinausgehen, die Grenze pro möglichem Haushaltsmitglied, also etwa einem Ehepartner, liegt bei 30.000 Euro. Zudem kommt es auf den Wohnort, also auf den Standort des Heims an.
Alle Kommunen in Deutschland sind in sechs Mietstufen eingeteilt, angelehnt an die regional unterschiedlichen Miethöhen. Wer seinen Zuschuss ausrechnen will, kann hier einen Rechner dafür finden.

Rasch ums Wohngeld kümmern
Ab 2023 gibt es das neue Wohngeld-Plus, der monatliche Zuschuss wird sich dann verdoppeln. Haushalte mit Anspruch sollen statt durchschnittlich 177 Euro künftig etwa 370 Euro monatlich erhalten, also 190 Euro mehr. Bis nächstes Jahr mit dem Antrag warten sei aber nicht ratsam, betont Querling. Denn: Nur wer schon in der Heizperiode von September bis Dezember 2022 Wohngeld bezieht, bekommt den neu beschlossenen Heizkostenzuschuss noch obendrauf ausgezahlt.
„Wer sich jetzt schnell kümmert, kann am meisten profitieren“, sagt Querling. Das Wohngeld muss bei der örtlichen Wohngeldbehörde beantragt werden, die Bearbeitung kann etwas dauern. Die Höhe der Miete im Pflegeheim zu beziffern, ist nach BIVA-Angaben nicht ganz einfach, weil der Heimvertrag viele einzelne Kostenpositionen enthält. Die Miete ist meist beim Punkt Investitionskosten zu finden. „Wer den Antrag nicht selbst schafft, sollte die Einrichtung um Hilfe bitten“, rät Kröll.
Andere Hilfen vom Staat holen
Können Pflegebedürftige ihren Eigenanteil an den Heimkosten nicht mehr aufbringen, weil das Vermögen aufgebraucht ist und die Rente nicht mehr reicht, sollten Betroffene nicht vor dem Gang zum Sozialamt zurückscheuen, „auch wenn der Schritt sehr schwer fällt“, sagt Kröll. Dort lässt sich ein Antrag auf „Hilfe zur Pflege“ stellen, eine Leistung der Sozialhilfe.
Der Anteil der Sozialhilfeempfänger in Pflegeheimen liegt laut BIVA aktuell schon bei etwa 40 Prozent. „Dabei wird es nach den drastischen Erhöhungen nicht bleiben“, ist Kröll überzeugt. Drei Bundesländer – Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein – zahlen Heimbewohnern ein sogenanntes Pflegewohngeld. Aber: Baden-Württemberg gehört nicht dazu.