Der Job von Andreas Jörger war auch schon leichter. Gerade eben hat er noch mit einem Papierlieferanten verhandelt. Wieder ging es um Preiserhöhungen – wie momentan jeden Tag, sagt der Leiter Materialwirtschaft des SÜDKURIER Medienhaus. Er wirkt frustriert. Für ihn sei es kein Problem Papier zu bekommen, allerdings müsse er dafür extrem hohe Preise bezahlen. Diese machen gerade vielen Unternehmen zu schaffen.

Andreas Jörger, Leiter Materialwirtschaft, SÜDKURIER Medienhaus
Andreas Jörger, Leiter Materialwirtschaft, SÜDKURIER Medienhaus | Bild: Scherrer, Aurelia

Schon im Dezember war der Papiermarkt in Aufruhr. Es gab Versorgungsengpässe und die Preise stiegen. Doch nun durch den Krieg in der Ukraine und die daraus resultierenden hohen Energiepreise, gab es erneut einen drastischen Preissprung. Denn die Produktion von Papier frisst viel Energie. Und die gestiegenen Kosten geben die Fabriken an ihre Kunden weiter.

„Enorme Aufschläge für gestiegene Energiepreise“

„Wir müssen enorme Energieaufschläge bezahlen, wenn wir Papier bekommen wollen“, berichtet Jörger aus seinen Verhandlungen. Bis zu 30 Prozent mehr würden die Lieferanten dafür verlangen. Insgesamt seien die Preise für Zeitungspapier innerhalb eines Jahres um rund 200 Prozent angestiegen, so Jörger. Auch wenn die Preise 2021 auf einem recht niedrigen Niveau waren, ist das ein enormer Anstieg.

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Langfristige Lieferverträge mit Preisbindungen gehören auch der Vergangenheit an. „Wir sind jetzt bei Quartalspreisen“, sagt Jörger. Und trotzdem könne man nicht sicher sein, dass der Preis über die vereinbarten drei Monate halte. „Der Preis läuft uns komplett weg.“ Trotzdem werde der SÜDKURIER weiter wie gewohnt erscheinen. Allerdings würden andere Verlagshäuser bereits überlegen, Gratismedien und Umfänge zu reduzieren.

Strukturwandel: Pappkartons statt Zeitungspapier

Doch nicht nur die extremen Energiekosten sind für die Krise der Branche verantwortlich. Das Problem ist älter. Seit etwa zehn Jahren befindet sich die Papierbranche im Umbruch. Immer mehr digitale Medien, immer weniger gedrucktes Papier. Zwischen 2007 und 2020 ist laut Verband Deutscher Zeitungsfabriken (VDP) der Absatz von Zeitungspapier um 55 Prozent zurückgegangen, der von sogenannten gestrichenen Büropapieren mit einer glatten Oberfläche um 67 Prozent.

Der Onlinehandel hat durch die Corona-Krise ein rasantes Wachstum erfahren. Und damit stieg auch die Nachfrage nach Kartons.
Der Onlinehandel hat durch die Corona-Krise ein rasantes Wachstum erfahren. Und damit stieg auch die Nachfrage nach Kartons. | Bild: Bernd Wüstneck, dpa

„Immer mehr Papierfabriken haben aufgegeben“, sagt Bettina Knape, Sprecherin des Bundesverband Druck und Medien (bvdm). Dann boomte der Onlinehandel und mit ihm die Verpackungsindustrie. Viele Papierhersteller rüsteten ihre Maschinen um und produzierten aus dem Zellstoff Wellpappe für die benötigten Verpackungskartons.

Doch die Kapazitäten an bedruckbarem Papier gingen dem Markt verloren. „Ist so eine Maschine einmal umgerüstet, gibt es kein zurück mehr“, erklärt Britta Oswald-Brügel, vom Verband Papier, Druck und Medien Südbaden aus Freiburg, die Zusammenhänge.

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Weniger Werbedrucke

Auch gab es während der vergangenen zwei Coronajahre schlicht weniger Bedarf an Drucksachen. Die Wirtschaft lief auf Sparflamme, Geschäfte waren geschlossen. Warum sollten Unternehmen da in gedruckte Werbung für die Briefkästen investieren? Der Markt passte sich weiter an, zudem wurde in den Recycling-Kreislauf weniger Altpapier eingespeist.

Nun durch die Lockerungen der Corona-Maßnahmen im Einzelhandel werden auch die Werbebudgets wieder für Prospekte ausgegeben. „Es gibt einen enormen Nachholbedarf“, hat Gregor Geiger vom Verband der Papierindustrie beobachtet. „Auf einmal geht die Nachfragekurve wieder steil nach oben.“

Viele Aufträge aber kaum Material

Unternehmen können froh sein, wenn ihre Lager gut mit Papier gefüllt sind.
Unternehmen können froh sein, wenn ihre Lager gut mit Papier gefüllt sind. | Bild: Michael Hanschke, dpa

Und trifft auf hohe Energiepreise, zu wenig Altpapier in der Kreislaufwirtschaft und Konkurrenz aus Asien. „In den asiatischen Ländern ist durch die wachsende Wirtschaft auch die Nachfrage nach Papier gestiegen“, erläutert Bettina Knape vom bvdm einen zusätzlichen Preistreiber. Und so verkauften europäische Fabriken, die unter hohen Kostendruck stünden, an die besser zahlenden asiatischen Unternehmen.

Genug Aufträge gibt es trotz Materialmangels in der Branche. „Die produzierte Menge reicht nicht für den europäischen und asiatischen Markt“, so Knape. Unternehmen müssen Kunden vertrösten oder Aufträge ganz absagen. Laut einer Umfrage des Branchenverbandes haben 72 Prozent der Unternehmen Aufträge wegen des Papiermangels ablehnen müssen. 21 Prozent bewerten die Lage als existenzgefährdend.

Bettina Knape, Bundesverband Druck und Medien
Bettina Knape, Bundesverband Druck und Medien | Bild: bvdm

So kann an einem Papier die ganze Auslieferung eines Produktes hängen. „Wenn Medikamente keine Beipackzettel haben, können sie nicht auf den Markt“, schildert Knape. Ähnlich sei es bei technischen Geräten.

Spezialpapier für Fastfood auch schwer zu bekommen

Papier in großen Mengen braucht auch das Villinger Unternehmen Eller Packaging. Der Verpackungsspezialist produziert zum Beispiel Einschlagpapier für Hamburger oder belegte Brötchen beim Bäcker. Diese sogenannten To-Go-Verpackungen werden aus fettdichtem Spezialpapier gefertigt. Es besteht aus frischer Faser vom Holz, da es in direktem Kontakt mit Lebensmitteln kommt. Und auch hier zeigen sich laut Natalie Brill, die für die Beschaffung der Papiere zuständig ist, Lieferengpässe.

Natalie Brill, Eller Packaging in Villingen
Natalie Brill, Eller Packaging in Villingen | Bild: Eller Packaging

„Die Situation ist äußerst schwierig“, sagt sie. Die Lieferzeiten hätten sich fast verdoppelt. „Wir gehen auch davon aus, dass die Preise weiter steigen.“ Alleine von Januar bis Mitte März seien die Preise teilweise um 30 Prozent gestiegen. Im vergangen Jahr um 20 Prozent.

Kosten können nicht immer weitergegeben werden

Dem Unternehmen mit 30 Mitarbeitern bleibe nicht anderes übrig als das an die Kunden weiterzugeben, sagt Brill. Trotzdem betont sie, dass sie noch alle Kunden bedienen und die Aufträge abarbeiten könnten. Laut Branchenumfrage gelingt das Weitergeben der gestiegenen Preise nur 60 Prozent der Unternehmen. Allerdings können auch diese durchschnittlich nur 60 Prozent ihrer Kosten decken.

Und welchen Einfluss hat es, wenn kein Frischholz aus Russland mehr auf den Markt kommt? Brill geht davon aus, dass das den Markt noch einmal durchrütteln wird. Zwar würden alle Lieferanten das Frischholz aus anderen Ländern beziehen. Doch wenn das russische Holz im Markt fehlt, werden sich dessen Käufer nach Alternativen umschauen.

Trotzdem rechnet das Villinger Unternehmen mit Wachstum. Essen unterwegs dürfte wieder an Schwung gewinnen. „Allerdings werden wir mehr kämpfen müssen.“ Eller Packaging, das in ganz Europa aktiv ist, hat sich vorausschauend Kontingente bei den Lieferanten gesichert.

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