Beim Blick in die Zukunft wird Roman Glaser nachdenklich. „Ich habe die Sorge, dass wir auf das, was kommt, gesellschaftlich schlecht vorbereitet sind“, sagt er vor dem Hintergrund explodierender Energiepreise, den konjunkturellen Entwicklungen und generell den Folgen des Ukraine-Kriegs beim Redaktionsgespräch mit dem SÜDKURIER in Konstanz.
Glaser ist seit fast einem Jahrzehnt Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands, und in seiner Funktion kommt er viel im Land herum. Mal besucht er Winzergenossenschaften am Bodensee, mal hält er als oberster Repräsentant der Volks- und Raiffeisenbanken im Südwesten Vorträge vor Bankern. Dann wieder diskutiert er mit Landwirten die Auswirkungen der Preiskrise auf den Agrarmärkten.
Zügige Antworten gefragt
Der gelernte Ökonom hat dabei oft mit ganz normalen Bürgern zu tun, deren Nebenkosten für Strom oder Gas sich in den kommenden Monaten vervielfachen könnten, deren Mieten bald empfindlich teurer werden dürften und die aufgrund der Inflation jeden Tag etwas mehr für ihre Einkäufe ausgeben müssen. Und er sieht, wie quälend langsam Reformprozesse hierzulande mitunter ablaufen. Die immensen Herausforderungen werde das Land nur meistern, wenn es zügig Antworten auf die Probleme finde und dabei „insbesondere die Verteilungsgerechtigkeit im Auge“ behalte, sagt Glaser.

Im Moment stecke die Republik in einer ganzen Reihe von Zielkonflikten fest. In der Landwirtschaft gehe man beispielsweise wie selbstverständlich davon aus, dass immer von allem genug in den Regalen vorhanden sei. Indes: „Versorgungssicherheit ist nicht selbstverständlich“, sagt der promovierte Agrarwissenschaftler. Dass sich Deutschland jüngst dagegen entschieden habe, Brachen wieder in die Produktion zu nehmen, um mehr Nahrungsmittel selbst anzubauen, sei „in der jetzigen Situation fahrlässig“.
Dann eben auch Kohle- und Kernkraft nutzen
Auch die Diskussion um mehr Kohleverstromung und Kernkraft einerseits und mehr Nachhaltigkeit andererseits zählt er zu solchen Zielkonflikten, die zu lösen Deutschland selbst in ausgesprochenen Notlagen schwerfällt.
„Wir sehen viele Dinge viel zu ideologisch“, sagt Glaser, der sich auch schon mal mit seiner Konkurrenz – den Sparkassen – an einen Tisch setzt, um die Herausforderungen der Branche zu reden. Um die Härten der kommenden Monate abzufedern, bleibe nichts anderes übrig, als „aus jeder Pfütze zu saufen“, sagt er. Oder anders: Mehr Pragmatismus, weniger Bedenkenträgerei.
Herausforderung Vermögensaufbau
Oft verhinderten auch bürokratische Hemmnisse die schnelle Umsetzung von Lösungen. „Wir brauchen eine Ordnungspolitik, die sich auf das Wichtige beschränkt und Orientierung gibt“, sagt er und stößt damit in dasselbe Horn wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der in der „Überbürokratisierung“ mittlerweile eine der größten Gefahren für den Standort und seine Innovationsfähigkeit sieht.

Auch ein paar konkrete Tipps für die Sparer hat der Finanzprofi an diesem Morgen mitgebracht. Erstere stecken nämlich in einem nicht enden wollenden Dilemma. War es über Jahre „die völlig verfehlte Niedrigzinspolitik der EZB“, die ihr sauer Erspartes dahinraffte, so ist es jetzt die Inflation, die mit bislang ungeahnter Härte zuschlage. Trotz allem heiße die Devise „sparen, sparen, sparen“, sagt Glaser, der die 144 Volks- und Raiffeisenbanken im Land vertritt. Der alte Rat, „früh etwas auf die Seite zu legen“, sei immer noch richtig.
Festgeld nicht mehr als ein Jahr fix anlegen
Aber wie? „Ich bin ein großer Freund von langfristigen Sparplänen, etwa im Fondsbereich“, sagt der Geno-Verbands-Chef. Gerade in „schwachen Börsenphasen wie derzeit“ lasse sich damit noch ein Vermögensaufbau realisieren. Anlegern räte er aufgrund der aktuellen Zinstendenz nach oben für nicht allzu lange Anlagedauern. Wer das Kapital maximal ein Jahr binde, mache wahrshceinlich keinen Fehler. Länger sollte es derzeit nicht sein.