Laut Bund verdienen Frauen in Deutschland bei gleicher Qualifikation und gleicher Arbeit noch immer sechs Prozent weniger als Männer. Die allgemeine Lohnlücke liegt im Bodenseekreis bei 30 Prozent. Den Frauen entgeht dabei auf ihr ganzes Leben gesehen ein kleines Vermögen. Etwas, das Frauen selbst gegen diese Ungleichheit tun können, ist, nach mehr Gehalt zu fragen. Wir haben mit Finanz- und Karriereberaterin Susan Moldenhauer gesprochen, worauf dabei zu achten ist – und welche Fehler Frauen und Mütter vermeiden sollten.
Fehler 1: Gar nicht erst nach mehr Gehalt fragen
Der größte Fehler ist, gar nicht erst nach mehr Gehalt zu fragen. „Aus der Erfahrung als Coach kann ich sagen: Die innere Kritikerin bei Frauen ist lauter. Das führt dazu, dass sie ihre eigenen Leistungen nicht anerkennen und bei Forderungen nach einem höheren Gehalt eher zurückhaltend sind“, sagt Moldenhauer. Das belegen auch Studien, zum Beispiel eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Yougov.
Und Wissenschaftler der Cargo Mellon University fanden heraus, dass nur sieben Prozent der Masterstudentinnen ihr erstes Gehalt verhandeln. Bei den männlichen Kommilitonen hingegen sind es 57 Prozent. Woran liegt das? „‘Sei bescheiden, sei froh, dass du einen Job hast, sei nicht so forsch‘, das sind Gedanken, die viele Frauen mit sich herumtragen“, sagt Susan Moldenhauer. Ein Faktor ist aus ihrer Sicht, dass die Tradition Frau und eigenes Geld noch vergleichsweise jung sei – immerhin durfte in Deutschland eine Frau erst im Jahr 1962 ein Bankkonto für sich allein eröffnen. „Solche Glaubenssätze sind in den Köpfen von Eltern- und Großelterngenerationen verankert, klar wird das weitergegeben.“ Viele Männer würden jährlich bei ihren Chefs auf der Matte stehen und über eine Erhöhung feilschen – und sich in ihrer Beharrlichkeit von Abfuhren nicht irritieren lassen.
Fehler 2: Den eigenen Wert nicht kennen
Wenn der erste Schritt getan ist und der Termin zur Gehaltsverhandlung steht, geht es in die Vorbereitung. Moldenhauer schlägt vor, für sich selbst drei Beträge festzulegen: Ein absolutes Minimum, ein Wert, mit dem man zufrieden ist – und ein Maximum. Orientierung bieten Kennziffern wie Inflation, gestiegene Lebenshaltungskosten, die branchenüblichen Löhne. Die finden sich online in Gehaltsdatenbanken. Betriebsräte oder Gewerkschaft können helfen. Oder man spricht mit Menschen, die den gleichen Job machen. „‘Was bin ich Wert?‘ – diese Frage zu beantworten fällt Frauen oft schwerer als Männern. Häufig haben meine weiblichen Klienten eine viel geringere Wertschätzung gegenüber ihren Talenten“, sagt Moldenhauer.
Der Wert bestimmt sich nicht nur über die Leistung – sondern auch darüber, wie lange man gelernt und studiert hat, um diese Leistung abliefern zu können. Fortbildung, Studium, Auslandserfahrung, all das komme mit in die Waagschale. Und nicht nur das. „Der eigene Wert, dazu gehören auch Haltungen und Visionen, die einen einzigartig machen“, sagt die Finanz- und Karriereberaterin. Loyalität gegenüber einem Unternehmen, die Fähigkeit, mitzudenken und eigene Ideen zu artikulieren – das gehöre alles zum eigenen Wert dazu und in der Gehaltsverhandlung mit auf den Tisch.

Fehler Nummer 3: Das Minimum preisgeben
Gut vorbereitet geht es nun in das Gespräch. Ein Trick von Personalern sei laut Susan Moldenhauer zu fragen: ‚So, was möchten Sie denn mindestens bei uns verdienen?‘ oder ‚An welche Erhöhung hätten Sie denn mindestens gedacht?‘. Die Taktik dahinter erklärt sie so: „Man möchte so einen niedrigen Anker setzen. Ein Anker ist immer die erstgenannte Zahl im Gespräch, an dem sich die Gesprächspartner im Nachhinein orientieren.“ Ihr Tipp: Einen Schritt zurückgehen und selbst einen Anker setzen. Und zwar, indem man das eigene Maximum platziert. „Mögliche Antworten wären: ‚Ich erwarte einen branchenüblichen Lohn in Höhe von ... „ oder „Ich wäre mit ... zufrieden.‘“ Das eigene Minimum solle man hingegen keinesfalls preisgeben.
Fehler Nummer 4: Schnell klein beigeben
Es führt kein Weg an mehr Gehalt ran und der Personaler schüttelt bei den Vorstellungen nur den Kopf? „Auf keinen Fall aufgeben“, sagt Susan Moldenhauer. Stattdessen rät sie dazu, etwa zu fragen: ‚Welchen Kompromiss könnten Sie sich denn vorstellen?‘ Und wenn auch das nichts hilft und das erwünschte Gehalt oder die Gehaltserhöhung nicht drin sind? Auch dann ist das Verhandeln nicht vorbei. Moldenhauer: „Neben Euro und Cent gibt es viel mehr, um das man verhandeln kann“, sagt Moldenhauer. Zum Beispiel Sachleistungen oder andere Benefits. „Das können mehr Urlaubstage sein, ein Job-Ticket, Fortbildungen – einiges ist für Unternehmen steuerlich absetzbar und für Fortbildungen gibt es meistens einen extra Etat.“ Daher seien Benefits für Unternehmen leichter abzunicken, als mehr Gehalt.
Fehler Nummer 5: Mama-Pausen als Nachteil verkaufen
Keine Frau muss sich dafür entschuldigen, dass sie durch ihre Mutterschaft Lücken im Lebenslauf hat. Im Gegenteil! Die Herausforderung, Job und Familie zu managen, offenbar wichtige Talente, die in die Gehaltsverhandlung gehören. Moldenhauer: „Was Frauen durch die Mutterschaft leisten, ist etwas ganz großartiges. Sie übernehmen Verantwortung, sind Organisationstalente, haben die Familie im Griff.“ All das sind Eigenschaften, die auch bei Führungskräften gefragt sind. „Dass eine Führungskraft immer hundert Prozent arbeiten und immer präsent sein muss, war gestern.
Natürlich können Mütter in die Führung gehen, zum Beispiel über Tandempositionen. Ich rate Müttern, die beruflich aufsteigen wollen, proaktiv auf den Arbeitgeber zuzugehen und gemeinsam zu schauen, was alles möglich ist“, sagt die Beraterin.
Und sie fügt hinzu: „Wir alle sind Menschen. Auch die Chefs, auch die Personaler. Miteinander auf Augenhöhe im Gespräch zu bleiben, ist das Wichtigste. Ich wünsche mir, dass Frauen sich nicht klein machen, sondern sich ihres Werts bewusst sind und dies erhobenen Hauptes auch der Führungsetage vermitteln!“