Frau Geywitz, steigende Immobilienpreise, steigende Zinsen, Inflation, Fachkräftemangel und knappe Rohstoffe – die Zeichen für Häuslebauer stehen ungünstig. Ist der Traum vom eigenen Haus jetzt für viele vorbei?
Er ist nicht vorbei, aber es sind keine einfachen Zeiten für alle, die bauen wollen. Es gab bislang eine preiswerte Baufinanzierung und dementsprechend viele Bauanträge. Heute müssen wir uns anstrengen, damit Bauen weiter bezahlbar bleibt.
In dieser schwierigen Phase für die deutsche Bauwirtschaft und den einzelnen Bauherren, habe ich das Bündnis bezahlbarer Wohnraum ins Leben gerufen. Im Herbst stellen wir erste Maßnahmen vor. Um die Menschen bei ihrem Traum zu unterstützen, werden wir die Eigenheimförderung des Bundes neu konzipieren.
Aus welchen Bausteinen wird die Eigenheimförderung bestehen?
Der Koalitionsvertrag sieht vor, die Hürden beim Eigentumserwerb durch eigenkapitalersetzende Darlehen zu senken und mit Zinsverbilligungen und Tilgungszuschüssen beim Eigentumserwerb zu unterstützen. Daran arbeiten wir.
Mir ist es dabei wichtig, Menschen zu ermutigen, ein schon bestehendes Gebäude zu kaufen. Auch dabei wollen wir unterstützen. Außerdem fördern wir jetzt den Erwerb von Genossenschaftsanteilen. Das ist zum Beispiel für Menschen interessant, die gemeinsam eine neue Genossenschaft gründen möchten.

Viele junge Familien in Regionen mit hohen Immobilienpreisen, wie hier am Bodensee, können sich keine größere Wohnung leisten. Sie haben die Wahl zwischen wenig Wohnfläche oder Wegzug. Wie wollen Sie diesen Familien helfen?
Das ist und bleibt leider auch keine einfache Situation für wachsende Familien. Wir wollen gute Rahmenbedingungen schaffen, um das Angebot an Wohnraum in der Breite zu erhöhen. Wichtig ist auch, dass die städtischen Wohnungsgesellschaften und Genossenschaften bauen, denn ihre Mieten sind moderater.
Wir haben zudem die Mittel für den sozialen Wohnungsbau auf insgesamt 14,5 Milliarden Euro bis 2026 erhöht. Damit können die Länder Projekte des sozialen Wohnungsbaus fördern – übrigens auch Eigentumsmaßnahmen für Familien mit Kindern.
Außerdem wollen wir die Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen in angespannten Wohnungsmärkten von 15 auf elf Prozent innerhalb von drei Jahren senken und die Mietpreisbremse verlängern. Wir arbeiten zudem daran, den Kommunen wieder ihr kommunales Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten zurückzugeben.
Das Vorkaufsrecht wurde im November 2021 vom Bundesverwaltungssgericht gekippt. Wie wollen Sie ihren Koalitionspartner FDP davon überzeugen, dass er den Fuß von der Bremse nimmt? Momentan blockiert das FDP geführte Justizministerium den Gesetzesentwurf dazu.
Mit guten Argumenten. Wir sind miteinander im Gespräch und ich bin zuversichtlich, dass wir nach der Sommerpause einen entsprechenden Gesetzentwurf ins Kabinett einbringen werden.
Was sieht der Gesetzesentwurf vor?
Wir diskutieren das aktuell in der Bundesregierung und bevor dieser Abstimmungsprozess nicht zu Ende ist, will ich nicht ins Detail gehen.
Was ist das Ziel von ihrem Bündnis bezahlbarer Wohnraum?
Es ist ein Arbeitsgremium, das sich regelmäßig trifft und ganz unterschiedliche Probleme und Fragen auf praktischer Ebene angeht. Ein Problem seit Jahren sind die verschiedenen Bauvorschriften. Wir wollen prüfen, welche davon sinnvoll und welche Kostentreiber sind.
Außerdem wird das Thema Barrierefreiheit eine wichtige Rolle spielen. Barrierefreie Wohnungen werden nicht nur für Menschen mit Behinderung gebraucht, sondern auch für Ältere. Deswegen habe ich auch Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK, und den Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, Jürgen Dusel, eingeladen, ihren Sachverstand einzubringen.
Wohnraum in Konstanz ist jetzt schon nicht mehr für jeden bezahlbar. Eine Stadt braucht aber Krankenschwestern und Busfahrer, damit sie funktioniert. Was sagen Sie diesen Menschen? Wo und wie sollen sie wohnen?
Zusätzlich zur Erhöhung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau haben wir die verbilligte Überlassung von Mitarbeiterwohnungen steuerlich begünstigt. Ein Arbeitnehmer muss seit Beginn des Jahres 2020 diesen Vorteil nicht versteuern, wenn die Miete mindestens zwei Drittel der ortsüblichen Miete beträgt. Die Stadt gehört allen, nicht nur jenen, die sich die Zentrumsnähe leisten können. Übrigens will ich für Studierende und Azubis ein Sonderprogramm für junges Wohnen auflegen. Bis nächstes Jahr setzen wir das mit den Ländern aufs Gleis.

Viele ältere Menschen wohnen alleine in großen Häusern, deren Platz sie nicht mehr benötigen. Sie könnten den Wohnraum mit Familien tauschen, die eben diesen Platz benötigen. Ist das die Lösung des Problems?
Das kann ein Teil der Lösung sein, aber dafür braucht es eben Wohnungen, die einen Fahrstuhl, eine Dusche ohne hohen Eintritt und Türschwellen haben. Hinzu kommt, nach dem Krieg hatten wir in Deutschland eine Wohnfläche von 25 Quadratmetern pro Person, jetzt sind wir bei knapp 50 Quadratmetern. Viele Ältere wohnen nach dem Auszug der Kinder alleine in ihrem Einfamilienhaus.
Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass wir eine Debatte über den Wohnflächenkonsum führen, weil wir sonst Effizienzgewinne, die wir über bessere Heizungssysteme und bessere Dämmung erreicht haben und die unser Klima schützen sollen, wieder auffressen. Deswegen wollen wir es jungen Familien ermöglichen, eine Bestandsimmobilie zu erwerben und zu sanieren.
So bleibt der ursprüngliche Lebenszyklus eines Hauses erhalten. Früher war es normal, dass man in sein Elternhaus gezogen ist. Heute wohnen viele nicht mehr in der Nähe ihrer Eltern und dieser Kreislauf ist ins Stocken geraten.
Aber die Senioren müssen auch zu einem Umzug bereit sein.
Ich glaube, wir werden es mehr und mehr mit älteren Menschen zu tun haben, die schon oft beruflich und familiär umgezogen sind. Für die ist es auch jetzt im Alter durchaus denkbar, sich noch einmal zu verändern. Dafür brauchen wir allerdings auch mehr barrierefreie Wohnungen.

Boris Palmer schlägt vor den Wohnungsbau stärker zu subventionieren, um Quadratmeterpreise von unter zehn Euro zu erreichen.
Die Kommune kann sehr viel selber tun, indem sie eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft hat oder indem sie privaten Bauherren für sozialen Wohnungsbau preiswertes Bauland zur Verfügung stellt. Sie kann auch Bebauungspläne mit einer Quote für sozialen Wohnungsbau ausweisen.
Das können große Städte wie Konstanz oder Tübingen sehr gut machen. Der Bund unterstützt, indem wir zum Beispiel über unsere Bundesimmobilienanstalt preiswerte Grundstücke zur Verfügung stellen und natürlich indem wir sozialen Wohnungsbau fördern.
Palmer dachte an Subventionen durch Steuergelder...
Wir haben jetzt 847.000 Wohnungen im Bauüberhang. Das heißt, die sind schon genehmigt und werden gerade gebaut oder warten auf Bauarbeiter, die sie bauen. Ich mahne da zur Vorsicht. Jede staatliche Förderung setzt auch immer einen Preisanreiz und demzufolge müssen wir gerade, wenn wir nachhaltige Finanzwirtschaft betreiben und die Schuldenbremse einhalten wollen, sehr zielgerichtet fördern.
Bei der BEG-Förderung (Bundesförderung für effiziente Gebäude) hatten wir zum Beispiel einen allgemeinen Baukostenzuschuss, auch für sehr hochpreisige Wohnungen. Das werden wir uns in Zukunft nicht mehr leisten können.
Gibt es Lösungsansätze für den Wohnungsbaustau oder wird da noch mehr auflaufen? Die Ziele von 400.000 Wohnungen im Jahr sind da...
Es gibt momentan mehrere Engstellen. Zum einem noch durch Corona, zum anderen durch den furchtbaren Krieg, den Russland in der Ukraine angefangen hat und die damit verbundenen Sanktionen. Das betrifft die gesamte deutsche Wirtschaft, aber es gibt ein Umdenken.
Eine Lieferkette, bei der ich von einem Zulieferer am Ende der Welt abhängig bin, ist vielleicht am Preiswertesten aber unter dem Aspekt der Resilienz ist es sicherer, wenn ich Lieferstrukturen mit weniger Abhängigkeit aufbaue. Wir werden in Zukunft mehr Lagerhaltung sehen und nicht nur absolute Optimierung auf den letzten Cent. Es wird wieder mehr Platz geben für regionale Zulieferer.
Mit Cem Özdemir bereite ich gerade eine Holzbauinitiative vor. Holz ist ein heimischer Rohstoff, der nachwächst und klimafreundlich ist. Wir müssen bei den Neubauzielen des Bundes sowohl den Flächenverbrauch als auch die Klimabilanz des Gebäudes im Auge behalten.