Es ist schon mehrfach vorgekommen: Der Netzbetreiber Transnet BW aus Stuttgart weist seine Kunden per App auf eine „angespannte Netzsituation“ hin. Für einen bestimmten Zeitraum werden die Menschen in Baden-Württemberg deshalb gebeten, weniger Elektrizität zu verbrauchen.

Zuletzt rief Transnet BW die Verbraucher am Freitag, 3. März, in der Zeit von 20 bis 22 Uhr zum Stromsparen auf. In diesem Zeitraum sollten etwa Laptops nur mit Akku benutzt, keine E-Autos geladen oder keine Waschmaschinen angestellt werden. Das sollte man idealerweise in der Zeit davor ab 14.00 Uhr machen, riet das Unternehmen. Stromabschaltungen seien nicht zu befürchten.

Die wichtigsten Antworten zur „Stromgedacht“-App

Hintergrund des Appells ist, dass zu viel Windenergie im Nordosten anfällt. Weil die Netze nach Süden nicht ausreichend ausgebaut sind, muss TransnetBW als Ausgleich voraussichtlich mehr als 1000 Megawatt allein aus dem Ausland beziehen, wie eine Sprecherin mitteilte. Auch Reservekraftwerke kommen als Ersatz infrage.

Wenn die „Stromgedacht“-App Alarm schlägt, ruft das bei manchen Menschen Verunsicherung hervor. Der SÜDKURIER liefert die wichtigsten Fragen und Antworten.

Stromgedacht: Wie werden App-Nutzer benachrichtigt?

Um die Nutzer zu informieren, springt die Warnampel der „Stromgedacht“-App auf Rot. Sie werden damit aufgefordert, ihren Stromverbrauch zu reduzieren, indem sie zum Beispiel einen Waschgang verschieben oder Elektrogeräte mit Akku verwenden. Bereits vorher zeigt die Anwendung „Gelb“ an und damit kündigt damit an, dass es während eines bestimmten Zeitraums zu einer angespannten Netzsituation kommen werde. Sobald dieser vorüber ist, ist auch in der App wieder alles im grünen Bereich.

Die Stromversorgung sei rund um die Uhr gesichert, erklärt TransnetBW-Sprecherin Claudia Halici. Die Gefahr eines Blackouts besteht demnach nicht – Entwarnung. Allerdings wird die Netzsituation von TransnetBW als angespannt eingestuft, wenn sich ein „außergewöhnlich großer Redispatch-Bedarf“ abzeichnet. Dann steht die App auf Rot.

Wie funktioniert ein Redispatch?

Netzbetreiber wie TransnetBW planen jede Stunde Echtzeit im Netzbetrieb im Voraus. Ein Redispatch ist vereinfacht gesagt eine Planänderung: eine Maßnahme, mit der dafür gesorgt wird, dass die Leistung im Netz konstant bleibt und damit der Betrieb stabil und sicher bleibt.

Gerade im Winterhalbjahr wird dies häufiger erforderlich. Wird zum Beispiel an stürmischen Tagen an der Nordsee viel Windkraft erzeugt und im industriereichen Süden viel Energie nachgefragt, können die Übertragungsleitungen an ihre Grenzen stoßen. Damit wieder ein Gleichgewicht herrscht, werden im Norden Windkraftanlagen kurzfristig herunter- oder im Süden Kraftwerke hochgefahren. Allein in der ersten Dezemberwoche 2022 hat TransnetBW dies mehr als 60 Mal angeordnet.

Am 8. Dezember 2022, als die App das erste Mal auf Rot stand, war mehr nötig, um einen Engpass zu vermeiden: 700 Megawatt zusätzliche Leistung musste TransnetBW aus der Schweiz ordern. Welcher Preis hierfür gezahlt wurde, erklärt der baden-württembergische Netzbetreiber nicht.

Was ist schlecht an einem Redispatch?

Laut Bundesnetzagentur zahlten Netzbetreiber 2021 für Redispatch-Maßnahmen knapp 590 Millionen Euro. 2020 waren es 240 Millionen Euro. Neben einer Zunahme der Eingriffe hätten auch höhere Großhandelspreise zu dem Anstieg geführt.

Neben hohen Kosten fällt auch CO2 an, wenn Redispatch-Maßnahmen ergriffen werden. Auch das sei Motivation, die Bevölkerung per App zum Mithelfen aufzurufen, erklärt TransnetBW-Sprecherin Halici. Die wirkungsvollste Maßnahme gegen Engpässe im Netz sei aber ein zügiger Netzausbau.

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Was bringt die „Stromgedacht“-App von TransnetBW?

Im November 2022 hat TransnetBW die „Stromgedacht“-App veröffentlicht. Sie ist keine Warn-App, soll aber Hinweise auf die Netzsituation in Baden-Württemberg geben. „Stromgedacht“ kann kostenlos im App Store von Apple oder im Google Play Store heruntergeladen werden. Die Anwendung informiert die Nutzer, wenn eine angespannte Situation im Stromnetz vorhergesagt wird.

Die Nutzer können dann mithelfen, das Netz stabil zu halten, indem die ihren Stromverbrauch reduzieren. „Die privaten Verbraucher machen ein Viertel des Stromverbrauchs aus. Damit haben sie eine Wirkung, sind aber nicht die Game-Changer“, sagt Claudia Halici.

Im US-Bundesstaat Kalifornien gibt es ein ähnliches System bereits seit mehr als 20 Jahren. In Frankreich konnte eine entsprechende Aufforderung die Stromnachfrage schon um 800 Megawatt reduzieren – das entspricht der Leistung eines mittelgroßen Kernkraftwerks.

Von einem solchen spürbaren Effekt war die „Stromgedacht“-App aus Baden-Württemberg bei den ersten Warnmeldungen noch weit entfernt. Über Android haben bis Mitte Januar 2023 etwa 50.000 Anwender die App heruntergeladen. Gut möglich, dass der Wirbel, den jede weitere Meldung erzeugt, dabei hilft, ihre Bekanntheit zu steigern.

Was habe ich davon, wenn ich die App nutze?

Die Kunden können selbst profitieren: Muss nicht so viel teurer Strom zugekauft werden, belastet das auch den Strompreis für die Endverbraucher weniger stark.

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