Wie der Strommarkt der Zukunft aussehen kann, beschäftigt derzeit zahlreiche Energie-Start-Ups und Forschungsprojekte in Deutschland. Wenn im Zuge der Energiewende nicht mehr nur einige wenige Großkonzerne die Branche beherrschen werden, sondern viele kleine Erzeuger von Wind-, Wasser- und Solarenergie um Kunden werben, braucht es neue Wege im Stromgeschäft. Schon heute gibt es in der Branche viele Ansätze – die Konzepte reichen von Direktvermarktung bis zu regionalen Inselnetzwerken. Drei Beispiele:

Ein Marktplatz für Verkäufer und Kunden

Enyway: Strom vom kleinen Privaterzeuger aus der Region kaufen, ganz ohne Beteiligung der Großkonzerne wie EnBW, Eon und Co.: Das ist das Geschäftsmodell des Energie-Start-Ups Enyway aus Hamburg, das seit rund einem dreiviertel Jahr auf dem Markt ist. Das Konzept: Enyway bietet mit seinem Internetauftritt einen Marktplatz für Käufer und Verkäufer von Strom.

So können sich Betreiber von Solar- oder Biogasanlagen, Mühlen- und Kleinwasserkraftwerksbesitzer mit persönlichen Profilen präsentieren. Kunden suchen sich auf der Internetseite einen Anbieter in ihrer Nähe aus und schließen über Enyway einen Vertrag direkt mit dem Erzeuger. Das Start-Up erträumt sich von dem Modell nichts geringeres als eine Revolution des Energiemarkts. „Statt wenigen, großen Stromunternehmen wird es damit in Zukunft Millionen persönliche Stromverkäufer geben, welche die Energiewende ganz konkret lokal voranbringen“, heißt es auf der Internetseite.

Ökostrom muss zugekauft werden

Doch kann man Strom von einer privaten Solaranlage wie einen Bio-Apfel im Hofladen streng regional vermarkten? Nicht ganz. Denn in Deutschland kommt Mischstrom aus der Steckdose, der lokale Produzent speist seine Energie wie alle anderen Anbieter ins allgemeine Netz. Ein weitererer Punkt: Wenn seine Solaranlage beispielsweise an dunklen Wintertagen keinen oder nur sehr wenig Strom produziert, muss er Ökostrom von anderen Anbietern zukaufen, um den Bedarf der Kunden zu decken. So vergleichsweise günstig wie die Angebote konventioneller Stromanbieter sind die Tarife deshalb nicht.

Ein Blick auf den Enyway-Marktplatz zeigt außerdem, dass das Angebot bislang nicht in allen Teilen Deutschlands angekommen ist. So findet sich auf der Internetseite für den Raum Baden-Württemberg derzeit lediglich ein einziger privater Stromanbieter mit Sitz in der Nähe von Freiburg.

Virtuelle Kraftwerke

Lumenaza: Gleiches Ziel, anderer Weg: So könnte man das Geschäftsmodell des Start-Ups Lumenaza aus Berlin im Vergleich mit Enyway beschreiben. Das Unternehmen hat eine Software entwickelt, um Erzeuger und Verbraucher erneuerbarer Energien auf lokaler Ebene miteinander zu vernetzen. Der Unterschied zu Enyway: Sie arbeiten mit den Großkonzernen statt gegen sie. So hat das Start-Up beispielsweise das Produkt „Solar+“ von EnBW mitentwickelt.

Aber auch für Projekte kleinerer Bürgerenergiegenossenschaften arbeitet Lumenaza. Im Landkreis Biberach ist unter Mitwirkung des Unternehmens das Projekt Biberenergie entstanden: Regional erzeugter Strom wird in einem virtuellen Kraftwerk gebündelt und ebenfalls regional vermarktet. Reicht die produzierte Elektrizität nicht aus um den Bedarf der Kunden zu decken, springen wie bei den Enyway-Produzenten andere Ökostromlieferanten ein.

Inselstromnetze für den direkten Stromhandel

Empower Generations: Doch was wäre, wenn lokale Stromerzeuger ihre Überschüsse direkt an Nachbarn verkaufen könnten und nicht ins allgemeine Netz einspeisen müssten? Mit dieser spannenden Frage beschäftigt sich das Forschungsprojekt Empower Generations der Universität Oldenburg in Zusammenarbeit mit dem Softwareunternehmen the peak lab. Die Studenten und Mitarbeiter untersuchen, welche Infrastruktur nötig wäre, um den direkten Energiehandel zu ermöglichen.

Ihr Plan: Windmühlen-, Solar- oder Biogasanlagenbetreiber einer Region bilden mit ebenfalls lokal ansässigen Haushalten und Betrieben Inselstromnetze. Innerhalb dieser kleinen Verbünde wird die Elektrizität gehandelt. Eine Software soll dafür Verbrauch und Produktion ermitteln, die Transaktionen in einer dezentralen Datenbank speichern, den jeweils aktuellen Strompreis ermitteln und den Verbrauchern Kontingente zuteilen. Unterhalb der Gebäude, die dem Inselnetzwerk angehören, werden Mini-Computer installiert, die miteinander vernetzt sind. Außerdem benötigt jeder Haushalt einen intelligenten Stromzähler. Mithilfe einer App können die Kunden dann ihren Verbrauch und den aktuellen Strompreis im Blick behalten.

Angebote sind Nischenprodukte

Thomas Engekle, Leiter des Teams Energie und Bauen beim Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) bewertet die neuen Geschäsftsmodelle wie etwa von Enyway grundsätzlich als positive Erweiterung der Angebotspalette. „Bei diesen neuen Konzepten ist der Vorteil für den Verbraucher, dass er weiß, wo der Strom her kommt“, so Engelke. Momentan seien die Angebote jedoch Nischenprodukte. Das liege zum einen an den höheren Preisen, zum anderen am Angebot: „In Städten gibt es nicht so viele private Stromerzeuger. Um alle Anwohner zu versorgen, würde das nicht ausreichen“, sagt er. Damit sich solche Konzepte etablieren und aus der Premium-Nische heraustreten, müssten die Preise langfristig sinken und das Angebot wachsen.