Autorenzeile

Herr Chamussy, Sie waren bei der Grundsteinlegung für das neue Technologiezentrum am Airbus-Standort Friedrichshafen. Was bedeutet die 43-Millionen-Euro-Investition für den Standort am Bodensee und für Airbus?

Es ist der Grundstein für eine neue Etappe der Erfolgsgeschichte dieses Standortes. Wir werden dort künftig den modernsten Reinraum unseres Unternehmens haben. Und wir investieren in Friedrichshafen, weil Raumfahrt für uns die Zukunft ist und weil auch unsere künftigen Innovationen vom Bodensee kommen sollen.

Airbus wächst aber auch anderswo. Beispielsweise plant man zusammen mit mehreren Partnern aus der Industrie ab 2018 Hunderte Satelliten von den USA aus in den Orbit zu bringen. Wie liegen Sie im Zeitplan?

Insgesamt investieren die Partner 1,5 bis 2 Milliarden US-Dollar in das Projekt. Derzeit befinden wir uns ungefähr in der Halbzeit der Entwicklungsphase, der Startschuss erfolgte ja erst Mitte 2015. Weniger als zwei Jahre später beginnen wir nun, die ersten Satelliten zu montieren. Das Projekt geht wirklich mit einer beeindruckenden Geschwindigkeit voran. Wir stellen gerade eine Fertigungslinie bei Airbus in Toulouse fertig und wir haben die Grundsteinlegung für unsere neue Fabrik in Florida vorgenommen, in der 900 Satelliten gebaut werden sollen. Wir liegen also gut im Zeitplan. Und pro Start werden wir dann bis zu 32 Satelliten auf einmal ins All bringen können.

Was bedeutet der Bau einer solch ultramodernen Fließbandfabrik für traditionelle Standorte wie Friedrichshafen? Welche Strategie verfolgen Sie?

Bisher hatten wir sehr traditionell ausgerichtete Satellitenbetreiber, sowohl im kommerziellen Bereich wie auch in der Erdbeobachtung. Dabei ging es hauptsächlich um große Satelliten im geostationären Orbit. Aber in zunehmendem Maße kommt nun die Nachfrage nach ganzen Gruppen kleinerer Satelliten in Schwung, etwa im Segment der Telekommunikationsanbieter. Das liegt auch in den stetig zunehmenden Anwendungen im Online-Bereich begründet. Doch auch in Zukunft wird es noch eine Nachfrage nach den großen Satelliten geben, für die Erderkundung, für die Wissenschaft und auch für die Telekommunikation. Oder nehmen wir die militärischen Anwendungen: Dort werden auch künftig extrem hochauflösende oder schnell verfügbare Satelliten benötigt. Deswegen bin ich überzeugt, dass sich diese beiden Entwicklungslinien für uns ergänzen werden. Das eine schließt das andere nicht aus.

Was heißt das für die Perspektiven in Immenstaad?

Was wir hier in Immenstaad derzeit realisieren, wird eine der größten und modernsten Satellitenproduktionen sein, die es gibt. Das neue Technologiezentrum wird es uns ermöglichen, acht große Satelliten gleichzeitig zu entwickeln, zu fertigen und zu integrieren. Worauf es ankommt, ist, dass wir diese Kapazitäten auch nutzen können. Wir haben in den vergangenen Jahren Personal aufgebaut und wir werden auch weiterhin Personal aufbauen und wir werden damit unser Unternehmen noch effizienter machen. Denn der Markt besteht nicht nur aus der Esa oder dem DLR, sondern es ist auch ein Exportmarkt. Und dieser Markt wird zunehmend härter umkämpft. Wir stehen im Wettbewerb mit Russland, mit den USA, mit China, auch mit Indien oder Japan. Aus diesem Grunde benötigen wir die besten Produktionsbedingungen, um die Ansprüche und Erwartungen unserer Kunden zu erfüllen. Zudem werden uns die erweiterten Reinraumkapazitäten in Immenstaad auch in die Lage versetzen, schneller produzieren zu können. Denn die Kunden werden nicht bereit sein, zu zahlen und dann zu akzeptieren, dass der Satellit in fünf oder zehn Jahren ausgeliefert wird. Der Kunde sagt, ich mache meine Geschäfte jetzt.

Neue Wettbewerber wie SpaceX, das Unternehmen des E-Pioniers Elon Musk, machen Ihnen das Leben schwer und drücken die Preise etwa für Trägerraketen. Wie wirkt sich das auf Airbus aus?

Ja, SpaceX geht mit sehr ambitionierten Preisen auf den Markt. Aber wenn Sie genau hinsehen: Der Preis, den SpaceX bei einem kommerziellen Kunden aufruft, ist ein anderer als der Preis, für den es an den institutionellen Kunden liefert, wie es jüngst zum Beispiel bei einem Auftrag für die US Air Force der Fall war. In Europa hingegen verkaufen wir zum selben Preis an den kommerziellen wie an den institutionellen Kunden. Zudem müssen wir in Europa aus Gründen des Gleichgewichts wegen der jeweiligen Beitragszahlungen der Esa-Mitgliedsstaaten unsere Verträge mit Partnern und Unterauftragnehmern teilen. Aber keine Frage: Wir müssen den Wettbewerb mit SpaceX und mit anderen kommerziellen Unternehmen, die sich gründen, aufnehmen. Da gibt es keinen Weg zurück. Entweder ist dein Produkt besser oder es ist günstiger, oder beides. Oder die Qualität deines Produktes ist besser und der Kunde ist bereit, dafür einen Aufschlag zu zahlen. Zuletzt geht es aber auch um Verlässlichkeit, und die muss die andere Seite erst unter Beweis stellen. Das heißt zum Beispiel auch, dass die Trägerrakete nicht bei jedem zehnten Start explodieren sollte. Wir in Europa werden auch weiterhin die besten und zuverlässigsten Trägerraketen anbieten und wir werden auch neue Raketen entwickeln. Das wurde im Übrigen in der vergangenen Esa-Ministerratssitzung auch beschlossen, unter anderem mit einem sehr starken Beitrag der deutschen Bundesregierung. Die neue Ariane 6 müssen wir nun so rasch als möglich entwickeln. Dafür haben wir ein sehr gutes Team, aber auch einen sehr ehrgeizigen Zeitplan. Die erste Ariane 6 wollen wir im Jahr 2020 starten. Das wären dann gerade einmal fünf Jahre, nachdem der Kontrakt unterzeichnet wurde. Jedenfalls haben wir mit Ariane 6 keine Verzögerungen, wir sind gut in der Spur.

Eine offene Frage ist die nach der Zukunft der bemannten Raumfahrt nach dem Ende der Internationalen Raumstation ISS, die Mitte des nächsten Jahrzehnts ihr Lebensende erreicht haben wird. Wie geht es danach weiter?

Realistisch betrachtet wird die ISS in sieben Jahren aufgegeben werden, möglich wäre ein Weiterbetrieb bis 2028. Im Grunde müssen es die beteiligten Nationen entscheiden: Ist dort der Platz im Weltall, an dem wir sein wollen? Oder sollen wir die neuen Perspektiven verfolgen und zum Mond oder zum Mars aufbrechen? Oder vielleicht darüber hinaus? Für solche Projekte oder Missionen wird es keinen kommerziellen Profit geben. Aber ich denke, es gehört zur Natur des Menschen, immer wieder seine Grenzen zu überschreiten. Und vielleicht wird es auch dort zu einem Wettbewerb der Nationen kommen. Wir können für solche Missionen jedenfalls einen großen Beitrag leisten, mit unserer Erfahrung beim Weltraumlabor Columbus oder dem Raumtransporter ATV. Fakt ist, es gibt viele gute und interessante Ideen und es ist ein dankbares Feld für weitergehende internationale Kooperationen.

Fragen: Helmar Grupp

Zur Person

Nicolas Chamussy (49) ist seit Juli 2016 als Nachfolger von François Auque Chef der Raumfahrtsparte des Airbus-Konzerns. Bevor Chamussy die Leitung des Bereiches Space Systems übernommen hatte, war er Büroleiter von Airbus-Chef Tom Enders. Der Franzose gehört seit 1999 dem Luft- und Raumfahrtkonzern an und hatte zuvor bereits verschiedene Management-Positionen inne. Unter anderem war Chamussy beim Airbus-Vorgänger Astrium in Bremen Programm-Manager für die Entwicklung des Raumtransporters ATV (Automated Transfer Vehicle).

Das Technologiezentrum ITC ist eine 43-Millionen-Euro-Investition von Airbus in den Standort Friedrichshafen. Am Montag wurde der Grundstein gelegt. Mit dem Integrations- und Technologiezentrum, das im Sommer 2018 in Betrieb gehen soll, erweitert Airbus in Friedrichshafen die Reinraumfläche für die Fertigung von Satelliten von rund 700 auf rund 3700 qm. In der neuen zentralen Integrationshalle können dann bis zu acht große Satelliten gleichzeitig gefertigt werden. (gup)

.Die Fakten und Hintergründe zu dem Airbus-Neubau in Friedrichshafen im Internet: www.sk.de/exklusiv