Der Automobilzulieferer Marquardt streicht seine Arbeitsplätze in Baden-Württemberg radikal zusammen. Bis Ende 2021 würden bis zu 600 Stellen von den baden-württembergischen Standorten Rietheim und Böttingen nach Rumänien, Mazedonien und Tunesien verlagert, sagte Marquardt-Chef Harald Marquardt am Dienstag in Rietheim.
Knapp die Hälfte davon entfalle auf die Produktion und produktionsnahe Bereiche, sagte er. Als in der Region verwurzeltes Familienunternehmen falle Marquardt dieser Schritt sehr schwer, sagte er. Insbesondere die Werke in Baden-Württemberg stünden aber unter erheblichem Kostendruck.
Viele Produkte könnten hier nicht mehr wettbewerbsfähig produziert werden. „Wir mussten das entscheiden, solange wir noch entscheidungsfähig sind“, sagte er.
Umsatz „unter Plan“ seit Dezember
Nach aktuellen Progonosen wird der auf Bedienelemente und Mechatronik spezialisierte Zulieferer seine Umsatzprognose von rund 1,4 Milliarden Euro für das laufende Jahr nicht halten können und anstatt dessen in etwa auf dem Vorjahresniveau von 1,3 Milliarden Euro landen.
Aufgrund der jährlichen Rabattrunden der Kunden, also der Autobauer, bedeute ein Nullwachstum real immer Einbußen, sagte Marquardt, der das Unternehmen in 3. Generation führt. Seit Dezember 2018 sei jeder Monat beim Umsatz „unter Plan“ gewesen. Der Kostendruck der Automobilwirtschaft sei enorm, und der Wettbewerbsdruck für Marquardt steige, da immer mehr Zulieferer in von den Rietheimern besetzte Produktsegmente eindrängen. Außerdem belaste der Handelsstreit zwischen den USA und China das Unternehmen.
Ziel sei es, den jetzt geplanten Personalabbau sozialverträglich zu gestalten, sagte Marquardt-Personalchef Thomas Braun. Dazu soll etwa die altersbedingte Fluktuation genutzt werden. „Auch Abfindungen wird es geben“, sagte Braun. Ohne betriebsbedingte Kündigungen werde es aber nicht gehen.
Gescheiterte Verhandlungen mit Unternehmensführung
Die IG Metall kündige Widerstand gegen die Pläne an. „Das ist mit uns nicht zu machen, sagte der 2. Bevollmächtigte der IG Metall in Albstadt, Klaus-Peter Manz. Marquardt-Betriebsratschef Antonio Piovano sagte, würden die Pläne umgesetzt, bliebe „kein Stein auf dem anderen“. Die Transformation müsse ohne Kündigungen gestemmt werden.
Bis zuletzt hatten Betriebsrat und IG Metall dafür gekämpft, dass ein neuer Milliardenauftrag von Porsche an den baden-württembergischen Stammsitz des Unternehmens geholt werden kann. Vergangenen Dienstag scheiterten die Verhandlungen jedoch, weil man sich mit der Unternehmensführung nicht über Zugeständnisse der Arbeitnehmer einigen konnte. Nach Informationen dieser Zeitung sollen diese im „erheblichen zweistelligen Millionenbereich“ gelegen haben. Nun ist wahrscheinlich, dass der Porsche-Großauftrag in Ostdeutschland abgearbeitet wird.
Marquard mit Stammsitz in Rietheim-Weilheim im Landkreis Tuttlingen ist Anfang der 1980er Jahre ins Automobil-Zuliefergeschäft eingestiegen und machte im Jahr 2018 rund 1,3 Milliarden Euro Umsatz. Weltweit beschäftigt man 11.000 Mitarbeiter, in Rietheim-Weilheim und im benachbarten Böttingen rund 2700, etwa 700 davon in der Produktion, vornehmlich von Bedienelementen, sowie Schaltern und elektonischen Komponenten für Cockpits.