„In Deutschland wird es in den nächsten Tagen so heiß. Nestlé überlegt bereits, Schatten zu privatisieren“, twitterte die „Heute Show“ im Hochsommer – und traf damit einen wunden Punkt des Lebensmittelkonzerns aus der Schweiz. Denn bei kritischen Konsumenten gilt der Konzern als profitgierig. Vor allem die Bewohner des französischen Dorfes Vittel sind nicht gut auf den Konzern zu sprechen. Denn Nestlé pumpt dort so viel Wasser ab, um es in Flaschen abzufüllen und zu verkaufen, dass dem Dorf das Wasser knapp wird.

Auch Fertiggerichte von Maggi gehören zum Nestlé-Imperium.
Auch Fertiggerichte von Maggi gehören zum Nestlé-Imperium. | Bild: td

Aber auch in anderen Produktbereichen sind die Nestlé-Methoden umstritten. Immer wieder machen Vorwürfe die Runde, der Konzern profitiere bei der Schokoladenproduktion von Kinderarbeit. Auch die Rodung von Regenwäldern in Indonesien zur Gewinnung von Palmöl, das für Schokoriegel wie Kitkat unersetzlich ist, ist vielen Umweltschützern ein Dorn im Auge. Nachdem die Brauerei Krombacher, die sich für den Erhalt des Regenwaldes einsetzt, eine Partnerschaft mit Nestlé angekündigt hatte, brach im Internet ein Shitstorm über den Getränkehersteller zusammen. „Partnerschaft mit Nestlé? Geht gar nicht,“ oder „Regenwald retten, aber Menschen verdursten lassen?“, hieß es in den sozialen Netzwerken. Mittlerweile hat Krombacher die Partnerschaft wieder beendet.

Video-Auftritt mit Ministerin geht nach hinten los

Nestlé weist alle Vorwürfe zurück. „Wir verurteilen Kinderarbeit in aller Deutlichkeit! Wir wissen, dass Kinderarbeit im Kakaoanbau ein Problem ist und deshalb unternehmen wir etwas dagegen“, heißt es aus der Konzernzentrale. So wolle man seine Lieferanten noch genauer überwachen. Auch beim Thema Palmöl geht Nestlé in die Offensive. „Nestlé hat sich zum Ziel gesetzt, nur Palmöl zu verwenden, das strenge Nachhaltigkeitskriterien erfüllt.“

Nestlé verkauft sogar Tiernahrung.
Nestlé verkauft sogar Tiernahrung. | Bild: td

Doch seine Imageprobleme wird der Konzern nicht los. Ein Video-Auftritt von Ernährungsministerin Julia Klöckner mit dem Deutschland-Chef von Nestlé in diesem Sommer geriet zum PR-Desaster. „Ein Unding, sich mit Nestlé gemeinsam vor die Kamera zu stellen. Klöckner ist die schlimmste Lobbyistin der Republik“, „Vielleicht kann Nestlé aufhören, Wasser zu stehlen und teuer zu verkaufen! Wäre auch ne Möglichkeit!“, hieß es bei Twitter.

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Bei Nestlé hat man mittlerweile verstanden, dass man die Kritik nicht ignorieren kann. „Wir müssen mehr zuhören und die Sorgen der Bürger ernst nehmen“, heißt es aus der Deutschland-Zentrale in Frankfurt. In der Vergangenheit seien manche Dinge schiefgelaufen, gibt man offen zu.

Auch Cerealien von Nesquick zählen zum Nestlé-Angebot.
Auch Cerealien von Nesquick zählen zum Nestlé-Angebot. | Bild: td

In der Zukunft will man vor allem mit gesünderen und nachhaltigeren Produkten punkten. So bringt Nestlé unter der Marke Garden Gourmet im Herbst ein veganes Hack aus Soja auf den Markt. Die Wurstmarke Herta will man dagegen verkaufen. „Immer mehr Menschen erkennen, dass weniger Fleisch ihnen und auch der Umwelt guttut“, sagt Hubert Stücke, Geschäftsführer von Garden Gourmet. Auch der Riegel Yes!, seit diesem Sommer erhältlich, springt auf den Trend der Nachhaltigkeit auf. Er enthält nicht nur weniger Zucker, sondern ist außerdem mit recyclingfähigem Papier umhüllt.

„Nestlé ist gut darin, Trends aufzuspüren“

Doch kann der Konzern mit solchen Schritten die Konsumenten überzeugen? Christoph Treiber, Konsumgüterexperte der Münchener Unternehmensberatung OC&C Strategy Consultants, ist zuversichtlich. „Kritische Konsumenten, die Nestlé Profit durch Kinderarbeit und Ausbeutung der Natur vorwerfen, werden sich sicherlich nicht durch gesündere Produkte besänftigen lassen“, glaubt Treiber. Trotzdem sieht er Nestlé auf dem richtigen Weg. „Nestlé ist gut darin, Trends aufzuspüren. In der breiten Masse werden die neuen, gesünderen Produkte gut ankommen. Die vegetarischen Produkte laufen beispielsweise hervorragend“, sagt er.

Der neueste Schrei? Vegetarisches Hack aus Soja.
Der neueste Schrei? Vegetarisches Hack aus Soja. | Bild: Twenty Ten

Ähnlich argumentiert Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei der Deka Bank. „Das größte Problem von Nestlé aus Nachhaltigkeitssicht ist die Kontrolle der komplexen Zuliefererkette. Zudem hat Nestlé viele sensible Geschäftsfelder wie Kakao, Tee oder Kaffee, in denen die Arbeitsstandards häufig zu Diskussionen führen. Das hat nicht zwingend mit Fehlern des Nestlé-Managements zu tun, sondern ist ein systemisches Problem“, sagt er. Der Versuch, gesundere Produkte herzustellen, sei richtig, habe aber seine Grenzen. „Nestlé wird es schwerfallen, der gesamten Marke einen komplett nachhaltigen Anstrich zu geben. Denn der Konzern verfügt über viele Geschäftsfelder, die aus Nachhaltigkeitssicht kritisch gesehen werden.“

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