Die wachsende Zahl an Häuslebauern in Baden-Württemberg beschert den Bauunternehmen volle Auftragsbücher. Doch obwohl die Beschäftigten in der Branche deshalb allen Grund zur Freude haben, gibt es nach Angaben des Verbands Bauwirtschaft Baden-Württemberg ein immer drängender werdendes Problem: Denn die Unternehmen wüssten häufig nicht mehr wohin mit den anfallenden Bauabfällen. Die Deponien, auf denen Bodenaushub und andere Abbruchabfälle oft landen, stießen zusehends an ihre Kapazitätsgrenzen.
Bis nach Rheinland-Pfalz oder ins benachbarte Frankreich müssten Bauunternehmen ihre Abfälle zum Teil transportieren, da ortsnahe Entsorgungsmöglichkeiten fehlen, heißt es seitens des Bauwirtschaftsverbands. Das treibe am Ende auch die Kosten für Häuslebauer in die Höhe. "Schon jetzt werden – je nach Region – bei einem normalen Einfamilienhaus für die Entsorgung des Erdaushubs bis zu 30 000 Euro fällig", rechnet der Verband vor.
Für die Bauherren wird es teuer
Zusätzlich könnten auf den Bauherren weitere Belastungen zukommen. Der Grund: Der Verband fordert, die Kosten für die genaue Untersuchung des Abraums künftig dem Bauherrn aufzubürden – auch das würde für die Häuslebauer richtig teuer.
Großer Kritikpunkt der Baubranche ist zudem seit langem die geringe Zahl der Deponien im Land. Als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger sind in Deutschland die Stadt- und Landkreise dazu verpflichtet, in der Gesamtbilanz ihres Bundeslandes für ausreichenden Deponieraum zu sorgen und die Entsorgungssicherheit für zehn Jahre zu gewährleisten. Das bedeutet, dass es zwar auf das gesamte Land Baden-Württemberg gerechnet genügend Deponieraum gibt, in den einzelnen Regionen sind sie aber extrem unterschiedlich verteilt.
Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg, macht das am Beispiel Freiburg deutlich. Im Stadtkreis gebe es derzeit keine Deponie für Erdaushub und andere Bauabfälle. "Auch Steinbrüche oder Kiesgruben, die verfüllt werden könnten, stehen nicht zur Verfügung." In den Nachbarlandkreisen Emmendingen, Breisgau-Hochschwarzwald und Lörrach sei die Situation ähnlich prekär. Zwar gebe es zwischen Stadt- und Landkreisen oftmals Kooperationsvereinbarungen beim Thema Deponienutzung. "In der Praxis lehnen es die Landkreise jedoch regelmäßig ab, mineralische Bauabfälle aus anderen Landkreise auf ihren Deponien anzunehmen." Deshalb müssten Bauunternehmen oft in anderen Regionen nach Entsorgern suchen und weite Wege auf sich nehmen. In den anderen Bundesländern ist die Situation ähnlich.
Streit ums Recycling
Der Bauwirtschaftsverband Baden-Württemberg kritisiert, dass es keine gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Förderung der Abfallverwertung gebe, außerdem erschwerten strenge Umweltauflagen das Recycling zusätzlich. Verschärfen könnte sich die Situation nach Ansicht des Verbands, wenn die Bundesregierung die sogenannte Mantelverordnung in ihrer jetzigen Form wie geplant in dieser Legislaturperiode beschließt.
Die Verordnung, an der im Bundesumweltministerium bereits seit 2005 gearbeitet wird, soll unter anderem die rechtlichen Anforderungen an die Deponierung und das Recycling von Bauabfällen neu definieren. Durch einheitliche Schadstoffgrenzwerte für bestimmte Materialien soll es bundesweit klare Regeln dafür geben, was wiederverwertet und was auf Deponien entsorgt werden muss. Tritt die neue Verordnung tatsächlich in Kraft, befürchtet die Bauwirtschaft wegen der strengen Grenzwerte einen starken Anstieg der Abfallmengen: Bis zu 50 Millionen Tonnen müssten zusätzlich auf Deponien verklappt werden.
Mussen Häuslebauer für Bodengutachten zahlen?
Anders sieht das der Industrieverband Steine und Erden. Experte Bernd Susset hat für die Universität Tübingen an einer Bodenuntersuchungskampagne mitgewirkt. Die Kampagne hat die Böden im Land untersucht und mit den Grenzwerten der geplanten Mantelverordnung verglichen. "Hinsichtlich der Grenzwerte gehen wir davon aus, dass nach dem Inkrafttreten mindestens genauso viel Material wiederverwertet werden kann wie jetzt", erklärt Susset das Ergebnis. Nach langen Jahren der Verhandlungen bewerte der Industrieverband die Mantelverordnung als einen sehr guten Kompromiss. Werde sie nicht beschlossen, befürchtet der Verband eine neuerliche Diskussionswelle zwischen den Konfliktparteien. Dringend nötige gesetzliche Rahmenbedingungen, wie auch die Bauwirtschaft sie beim Thema Recycling fordert, würden weiter aufgeschoben.
Um dem Deponiemangel entgegenzuwirken, brauche es künftig viel genauere Prognosen bezüglich des Bedarfs, sagt Susset. Der Industrieverband unterstütze die Bauwirtschaft außerdem in der Forderung, künftig die Verantwortung für die Bauabfälle vom Entsorger auf den Bauherren als Verursacher zu übertragen.
Wo es die größten Probleme gibt
- Abfallmengen: Allein in Baden-Württemberg fielen 2016 rund 28 Millionen Tonnen unbelasteter Erdaushub an. Ein Plus von mehr als sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahlen von 2017 sind noch nicht bekannt. Der größte Anteil dieser 28 Millionen Tonnen, rund 83 Prozent, wurde 2016 wiederverwertet, beim Auffüllen von Steinbrüchen oder beim Bau von Lärmschutzwänden etwa. 4,7 Millionen Tonnen konnten jedoch nicht recycelt werden – und waren somit ein Fall für die Deponien.
- Situation in der Region: Rund um Hochrhein, Schwarzwald und Bodensee sind nach Einschätzung des Bauwirtschaftsverbands Baden-Württemberg keine nennenswerten Kapzitäten der Deponieklasse DK 0 mehr vorhanden. Auf diesen Deponien können unbelasteter Boden und Bauschutt entsorgt werden. Bodenaushub in größeren Mengen kann in diesen Landkreisen momentan nur bei der Verfüllung von Steinbrüchen oder Kiesgruben entsorgt werden.
- Hier gibt es die größten Probleme: Die Stadt- und Landkreise Baden-Baden, Emmendingen, Freiburg, Heidelberg, Heilbronn, Karlsruhe, Mannheim, Rastatt und Stuttgart sind laut Angaben des Bauwirtschaftsverbands in Baden-Württemberg besonders vom Deponiemangel betroffen. Hier gege es bereits heute spürbare Entsorgungsengpässe.
- Immer weniger Deponien: Deutschlandweit geht die Zahl der Deponien zurück: 2016 waren nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes noch 1108 Deponien in Betrieb, rund 600 weniger als zehn Jahre zuvor. Bis 2025 werden genau die Hälfte der Deponien, 554, das Ende der Betriebsdauer erreichen.
- Geplante neue Anlagen: Im Bau befinden sich derzeit 378 neue Deponien.