Vor dem Losgehen noch einmal in die Tasche gucken, ob man alles Wichtige eingepackt hat. Portemonnaie, Smartphone und einen Snack – wurde auch nichts vergessen? "Doch! Der Deckel für den Mehrweg-Kaffeebecher", würden Florian und Fabian, die Gründer des Start-Up-Unternehmens Recup, antworten.
Vor etwa einem Jahr schlossen sich die ersten Unternehmen in Südbaden ihrer Idee an. Die Münchner Jungfirma wurde 2016 mit der Vision aus der Taufe gehoben, ein bundesweites Pfandsystem für Kaffee-Mehrwegbecher zu etablieren. Einmal gekauft, können sie in Partnerunternehmen bundesweit zurückgegeben und befüllt werden.
Die Idee trifft den Nerv der Zeit, in der To-Go-Becher bestenfalls aus den Mülleimern quillen – wenn sie nicht in der Natur landen. Nach eigenen Angaben wurde die Anzahl der Partner-Unternehmen von Recup im vergangenen Jahr vervierfacht. Aktuell gebe es 2300 Ausgabestellen für die Recup-Becher.
Tuttlinger Kaffeehaus hat durchwachsene Erfahrungen
In Tuttlingen beteiligen sich fünf Betriebe an dem Mehrweg-Pfandsystem für Kaffeebecher. Darunter Bulos Kosoglu mit seinem "Coffee and more". Kosoglu ist vom Konzept des Münchner Start-ups überzeugt. Deswegen spricht er jeden Kunden, der einen Kaffee möchte, auf die ganz besonderen To-Go-Becher an. "Das kostet mich zwar Zeit, aber die investiere ich gerne."
Die Kunden reagieren ganz verschieden darauf. Die Hälfte würde nach seinem Hinweis den Recup-Becher nehmen, die anderen beharren auf den gewöhnlichen Papp-Becher – auch wenn dieser 20 Cent mehr kostet.
Wie funktioniert das System?
Aber wie funktioniert der neue ökologische Kaffee-Becher eigentlich? Ladenbesitzer Kosoglu nimmt von seinen Kunden einen Preisaufschlag für die Einweg-Becher. Auf den Kaffee aus dem Mehrwegbecher gibt es dagegen Rabatt. Allerdings kostet der Öko-Becher einmalig einen Euro. So will der Unternehmen die Nachhaltigkeit stärken.
Trotzdem bleiben einige Kunden bei ihren alten Gewohnheiten. "Obwohl sich der Euro Aufschlag schon nach fünf Besuchen amortisiert", wundert sich der Betreiber. Er macht bei Recup seit sechs Monaten mit und hegt den Wunsch, komplett auf Einwegbecher zu verzichten. Noch sei es ein langer Weg. "Ich kenne meine Kunden", sagt Kosoglu, "von zehn Leuten nutzen drei den Recup-Becher weiter". Seiner Ansicht nach bedarf es einfach noch einiger Zeit. "Die meisten wollen erst mal abwarten."

Dabei ist das Start-up auf noch mehr Kunden angewiesen. In der Vergangenheit wurde kein Gewinn erwirtschaftet. "Auch heute sind wir noch nicht rentabel, allerdings auf einem guten Weg dorthin", sagt Recup-Sprecherin Stefanie Mühleder und schränkt ein: "Dies kommt natürlich auch darauf an, wie die Strukturen mitwachsen." Das Unternehmen benötigt noch mehr Cafés, die mitmachen, um finanziell auf sicheren Beinen zu stehen.
"Natürlich ist es so, dass sich leider manche Partner wieder abmelden. Aber mit einer Absprungquote von unter drei Prozent im Jahr 2018 sind es nur sehr wenige", verrät Mühleder hoffnungsfroh.
Manche springen ab
Einer der Abtrünnigen ist Steffen Sehring, der das Café "Solid Ground" in Überlingen betreibt. Für ein Gespräch hat er am Telefon "eigentlich keine Zeit". Als aber das Stichwort Recup fällt, kommt er schnell in Fahrt. "Damit habe ich aufgehört", sagt Sehring, "es ist einfach nichts passiert".
Der Café-Betreiber benennt das Problem, wegen dem er die Lust verlor: "Die Leute bringen die bei mir gekauften Becher einfach nicht zurück." In der Folge hatte Sehring immer neue Recups kaufen müssen, doch die Lieferung "dauerte ewig".
Becherengpässe drohten. Außerdem hätten sich die Kunden daran gestört, dass sie einen eigenen Deckel benötigen, den sie zunächst kaufen und dann permanent dabei haben müssen, wenn sie ihren Recup-Becher verschließen möchten. Nun versucht sich der Gastronom an einer hauseigenen Lösung. Wer seinen eigenen Becher mitbringt, bekommt pauschal zehn Prozent Rabatt auf das darin abgefüllte Getränk.
Keine lokalen Lösungen angestrebt
Genau das möchte Recup vermeiden. Statt mehrerer lokaler Mehrweg-Lösungen, wie etwa in Freiburg, strebt das Start-up ein bundesweites Pfandsystem an. Damit der Becher am Bahnhof Konstanz gekauft und nach der Zugfahrt in Stuttgart wieder abgegeben werden kann oder an Raststätten während der Autofahrt. "Der Mehrwegpfandsystem-Markt ist weltweit unbesetzt und wird umso attraktiver für neue Markbegleiter, je mehr wir zeigen, dass unser Konzept aufgeht", formulieren es die Gründer im aktuellen Unternehmensreport. Daher bleibe nur eine Möglichkeit, sich vor Nachahmern zu schützen: "schnell bekannt werden".