In wenigen Tagen wird Donald Trump sein Amt als amerikanischer Präsident antreten. Und mit seiner Vereidigung beginnt eine neue Ära der Wirtschaftspolitik: Die Ära des Protektionismus. Die heimische Wirtschaft soll gegen ausländische Konkurrenz geschützt werden. Und amerikanische Produkte sollen wieder auf amerikanischem Boten statt in China hergestellt werden. Damit will Trump Arbeitsplätze im Land der unbegrenzten Möglichkeiten sichern. "America first", lautet das Motto seiner Wirtschaftspolitik.
Um verloren gegangene Industriejobs wieder nach Amerika zurückzuholen, scheint Trump jedes Mittel recht zu sein. Das Freihandelsabkommen mit Mexiko und Kanda (NAFTA) will er aufkündigen. Und TTIP, das geplante Freihandelsabkommen mit Europa, hat unter Trump kaum noch Chancen, umgesetzt zu werden. Amerikanische Autobauer wie Ford oder General Motors forderte Trump auf, nicht mehr in Mexiko, wo die Löhne niedriger sind, sondern im heimischen Markt zu produzieren. Ford strich daraufhin eine Milliardeninvestition im Nachbarland. Auch der japanische Autobauer Toyota blieb nicht von Kritik verschont.
Vor allem mit China, der aufstrebenden Großmacht der Weltwirtschaft, legte sich Trump an. Chinesische Exporteure sollen 45 Prozent Strafzoll bezahlen, bis Peking seine Zölle und die aus Trumps Sicht Unterbewertung der chinesischen Währung aufgibt, forderte Trump im Wahlkampf. Und wie man ihn kennt, untermauerte Trump seine Forderung mit markigen Worten. „Wir können China nicht erlauben, unser Land zu vergewaltigen“, sagte er.
Im schlimmsten Fall könnten China und die USA sich gegenseitig mit Strafzöllen übertrumpfen. Die Preise für Konsumenten könnten dadurch in eine Aufwärtsspirale geraten. In einem Leitartikel forderte das Schwesterblatt der kommunistischen Parteizeitung bereits harte Antworten, falls Trump seine Anti-Chinapolitik umsetze. Auge um Auge müsse Peking auf jeden Schritt der USA reagieren. „Eine Tranche von Boeing-Bestellungen könnten durch Airbus ersetzt werden. US-Autos und iPhone-Verkäufe in China würden einen Rückschlag erleiden. Und Importe von Sojabohnen und Mais aus den USA könnten gestoppt werden“, schrieb das Blatt. Auch aus einem zweiten Grund ist eine protektionistische Wirtschaftspolitik in der Regel schlecht für die heimischen Konsumenten. Denn Firmen wie Apple oder Ford lassen ganz bewusst Teile ihrer Produkte im Ausland montieren. Die Lohnkosten sind dort schlicht niedriger. Müssen die US-Unternehmen diese Arbeiten wieder ins Hochlohnland USA verlagern, steigen die Lohnkosten und damit auch die Preise für Endprodukte wie das iPhone oder den Ford Focus. Insofern könnte sich die USA mit einer protektionistischen Wirtschaftspolitik ins eigene Fleisch schneiden. Experten warnen deshalb eindringlich vor einer Renationalisierung des Handels.

"Abschottung ist keine Lösung für weltweite Probleme. Wenn der Protektionismus immer mehr zunimmt, verlieren am Ende alle", sagt zum Beispiel Christian Kastrop, Leiter der Abteilung für wirtschaftspolitische Studien der OECD. Ähnlich argumentiert der amerikanische Ökonom Barry Eichengreen in Hinblick auf den technologischen Wandel. "Mit Protektionismus lässt sich der Vormarsch der Roboter nicht stoppen", sagt er. Schon der Versuch, die heimische Stahlindustrie mit Zöllen zu retten sei in die Hose gegangen. "Das funktionierte damals auch deshalb nicht, weil viele Stahlarbeiter ihren Job nicht wegen der ausländischen Konkurrenz, sondern wegen neuer Produktionstechnologien verloren haben", erklärt er. Der Freiburger Wirtschaftsweise Lars Feld sieht sogar die deutsche Konjunktur durch Trumps Wirtschaftspolitik gefährdet. Trumps Wahlkampfversprechen zielten zwar eher auf China und Mexiko, „könnten sich aber leicht auch auf Deutschland erstrecken“, warnt der Ökonom. „Es wird die Aufgabe der Bundesregierung in der kommenden Legislaturperiode sein, diesem Trend entgegenzutreten, für offene Märkte und Weltoffenheit einzutreten, die protektionistischen Vorhaben abzuwehren, zumindest aber ihre Auswirkungen einzudämmen", so Feld.
Unterdessen braut sich auch in Europa eine protektionistische Allianz auf. So fordert die französische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen die Einführung von Schutzzöllen zum Schutz der einheimischen Landwirtschaft und Industrie. Produkte "Made in France" sollen dagegen gefördert werden. Aus der Welthandelsorganisation WTO würde Frankreich bei ihrem Wahlerfolg austreten, um dem laut Le Pen „ultraliberalen“ Freihandel zu entkommen. Auch in Deutschland sind sich die rechtspopulistische AfD und die linkspopulistische Linkspartei überraschend einig bei der Ablehnung des Freihandels. Unterstützung bekommen sie von anderen populistischen Protestparteien wie Podemos in Spanien oder der Fünf-Sterne-Bewegung in Italien. Und der größte Rückschlag bei der Einrichtung eines gemeinsamen Binnenmarktes steht der Europäischen Union noch bevor: Der Austritt Großbritanniens, für den die Briten im letzten Sommer gestimmt haben.
"Es droht eine ökonomische De-Globalisierung"
Der Historiker Sven Reichardt, Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Konstanz, spricht über die geschichtlichen Wurzeln des Protektionismus.
Herr Reichardt, ist der Protektionismus ein neues Phänomen oder gab es ihn schon immer?
Sowohl im 19. als auch im 20. Jahrhundert gab es immer wieder protektionistische Phasen. Solche Phasen treten oft im Anschluss an große ökonomische Krisen auf. So hat beispielsweise schon 1879 der damalige Reichskanzler Otto von Bismarck als Antwort auf die Gründerkrise von 1873 Schutzzölle auf Waren wie Getreide, Holz, Eisen oder Vieh eingeführt. Diese waren zunächst niedrig, wurden dann aber nach und nach auf bis zu 35 Prozent gesteigert. In den USA hat der Protektionismus eine noch viel stärkere Tradition. Nach der großen Depression 1929 wurden beispielsweise unter der Regierung von Präsident Herbert Hoover unzählige Schutzzölle auf landwirtschaftliche und industrielle Produkte eingeführt. Als Reaktion darauf führten wichtige Handelspartner der Vereinigten Staaten, sogar die Freihandelsnation par excellence, nämlich Großbritannien, ebenfalls Importzölle für amerikanische Produkte ein. Auch die jetzigen protektionistischen Tendenzen in den USA und Europa können als Reaktion auf die Finanzkrise von 2008 interpretiert werden.
Sind wir also derzeit wieder auf dem Weg in eine protektionistische Phase
Das ist möglich. Populistische Politiker in Europa und den USA schüren die Angst vor der scheinbar übermächtigen chinesischen Konkurrenz. Wenn Trump seine Wahlkampfversprechen umsetzt und in Frankreich Marine Le Pen gewählt wird, könnte es zu einer partiellen ökonomischen De-Globalisierung kommen.
Wie beurteilen Sie aus historischer Sicht die Wirkung von protektionistischen Maßnahmen?
Kurzfristig können Zölle bestimmten Teilen der Wirtschaft nutzen. Der Staat hat eine zusätzliche Einnahmequelle und die alte Industrie kann vor neuer Konkurrenz geschützt werden. Das war auch bei den Schutzzöllen Bismarcks der Fall. Langfristig führen diese Maßnahmen zu abschottenden Eskalationsspiralen und schaden dem multilateralen Handel. Zudem leiden die Konsumenten, da sie nicht in den Genuss von günstigen Importen kommen. So litten unter Bismarck vor allem die Arbeiter unter höheren Brotpreisen.
Wie erklären Sie sich, dass eine protektionistische Wirtschaftspolitik trotzdem so gut in der Wählerschaft ankommt?
Protektionismus ist nicht populär, weil er ökonomisch vernünftig ist, sondern weil solche einfachen Konzepte sich gut anhören und umsorgend klingen. Viele Menschen in Europa und den USA haben Angst vor weltwirtschaftlichen Abschwüngen und vor einem übermächtigen China. Die scheinbare Rückkehr zur alten Nationalökonomie gibt ihnen das Gefühl von Sicherheit. Ich bezweifle, dass man das Rad einer globalisierten Weltwirtschaft zurückdrehen kann oder auch sollte. Größere Absatzgebiete sind nicht nur für starke Exportnationen wie Deutschland unerlässlich.
Fragen: Thomas Domjahn
Die Instrumente des Protektionismus
Um die heimische Wirtschaft zu schützen, können sich Politiker aus einem bunten Werkzeugkasten bedienen.
- Zölle: Zollabgaben stellen eine Art von Steuern dar und werden häufig auf importierte Waren erhoben. Dadurch verteuert sich der Import der betreffenden Güter und macht diese somit preislich weniger attraktiv. Damit wird erreicht, dass gleichartige Güter inländischer Produktion, die aufgrund etwa höherer Lohnkosten normalerweise teurer wären, auf demselben Preisniveau gehandelt werden und dadurch die Mengen der importierten Waren abnehmen.
- Importquoten: Um die Importmenge bestimmter Güter zu begrenzen, kann ein Staat hierfür ein Einfuhrkontingent festlegen. Ist das Kontingent ausgeschöpft, darf in dem für das Kontingent definierten Zeitraum keine weitere Menge der betreffenden Güterart eingeführt werden.
- Subventionen: Staatliche Subvention bestimmter Wirtschaftsbereiche ermöglichen deren Überleben, obwohl die realen Produktionskosten deutlich über dem Weltmarktpreis liegen. Ohne diese Beihilfen würde die inländische Produktion zum Erliegen kommen, da gleichwertige Güter auf dem Weltmarkt deutlich günstiger eingekauft werden könnten. Es werden dabei die verschiedensten Subventionsmittel angewendet, wie etwa Steuererleichterungen, Gewährung vergünstigter Kredite oder direkte Finanzhilfen. Zum Teil werden auch neue Industriezweige subventioniert (etwa die Solartechnik), bis diese sich etabliert haben.
- Exportsubventionen: Exportsubventionen sind staatliche Beihilfen, um den Export heimischer Güter zu ermöglichen, die aufgrund hoher Produktionskosten ohne diese Stütze am Weltmarkt chancenlos wären. In der EU werden vor allem Agrarprodukte wie Milch, Fleisch oder auch Zucker mit solchen Subventionen unterstützt.
- Konformitätsanforderungen: In einigen Märkten ist das Inverkehrbringen bestimmter Waren abhängig vom Erfüllen gewisser Standards, die zum Beispiel der Lebensmittelsicherheit oder dem Umweltschutz dienen sollen. Auch hierin kann eine gewisse Art des Protektionismus gesehen werden, da es den Freihandel einschränkt. (sk)