Düsseldorf – Während viele traditionsreiche Textilhandelsketten ums Überleben kämpfen, sichern sich Discounter wie Primark, Billiganbieter wie H&M und auf preisreduzierte Ware spezialisierte Anbieter wie TK Maxx immer größere Marktanteile. Das spiegelt sich auch in der Wahrnehmung der Kunden wider. Bewerteten Mitte der 2000er-Jahre noch drei Viertel der Konsumenten die Preise für Mode grundsätzlich als zu hoch, ist dieser Anteil inzwischen gesunken. Bei einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens GfK fanden nur noch 41 Prozent der Befragten: „Bekleidung ist allgemein zu teuer – sie sollte generell billiger werden.“ Dies sei der niedrigste Wert seit dem Beginn der Umfrage im Jahr 2000, berichtete das Branchenfachblatt „Textilwirtschaft“.
Und ein Ende des Trends ist nicht in Sicht. „Im Moment spricht wenig dagegen, dass der Siegeszug der Billiganbieter weitergeht“, meint Axel Augustin vom Handelsverband Textil. Denn die großen Billiganbieter wie Primark oder H&M profitieren nicht nur von ihrer Einkaufsmacht. Sie leiden auch weniger stark unter der Online-Konkurrenz, die den traditionsreichen Händlern zu schaffen macht. Die Billiganbieter verkaufen in aller Regel eigene Kollektionen und müssen so keine allzu großen Preiskämpfe im Internet befürchten.
Beispiel Primark: Es ist nicht einmal acht Jahre her, dass der irische Textildiscounter seine ersten Filialen in Deutschland eröffnete. Das Unternehmen steigerte seine Umsätze nach Schätzungen der „Textilwirtschaft“ seitdem auf mehr als 700 Millionen Euro. Und Primark ist weiter auf Expansionskurs. Beispiel TK Maxx: Der auf reduzierte Ware spezialisierte US-Textilhändler eröffnete Ende 2007 die erste Filiale in Deutschland. Heute kommen jährlich in den inzwischen über 90 deutschen TK Maxx-Filialen Schätzungen zufolge über 700 Millionen Euro in die Kassen. Auch die Amerikaner wollen weiter expandieren, wie aus der Branche zu hören ist. Erst im vergangenen Herbst eröffnete das Unternehmen eine Filiale in Singen.

Die Beispiele lassen sich fortsetzen. H&M steigerte zwischen 2008 und 2015 seine Umsätze von knapp 2,5 auf über 4 Milliarden Euro. Auch der Textildiscounter KiK wächst seit Jahren und will allein in diesem Jahr 70 neue Filialen in Deutschland eröffnen; zudem will er bis zu 60 Filialen des Konkurrenten Charles Vögele übernehmen. Der Erfolg ist für KiK-Chef Patrick Zahn leicht zu erklären: „Das Thema Marke verliert an Bedeutung. Der Kunde ist nicht mehr so markenaffin wie vor zehn Jahren.“
Die beiden größten deutschen Lebensmittel-Discounter Aldi und Lidl wollen offensichtlich ebenfalls von diesem Trend profitieren. Schon heute gehören beide Ketten zu den Top Ten des deutschen Textilhandels. Doch das bisherige Geschäft mit Grabbeltisch-Ware reicht den Billiganbietern nicht mehr. So bot Lidl eine neue Premium-Kollektion seiner Modelinie Esmara zehn Tage lang werbewirksam auf Hamburgs edelster Einkaufsstraße, dem Neuen Wall, an. Auch Aldi Süd präsentierte zwei Modekollektionen, die von der Designerin Jette Joop entworfen wurden.
Doch es gibt auch Kritik an den Textildiscountern. Die Arbeitsbedingungen in Produktionsländern wie Bangladesch seien unzureichend, so die Vorwürfe. Vor allem die niedrigen Löhne, die Arbeitssicherheit und Kinderarbeit sind Stein des Anstoßes. Anfang Dezember hatten Tausende Arbeiter in Bangladesch eine Erhöhung ihres Mindestlohns auf 180 Euro im Monat gefordert – fast dreimal so viel wie bisher. Als Reaktion wurden nach Gewerkschaftsangaben mindestens 1600 Arbeiter entlassen und 34 Aktivisten festgenommen. Aus Protest sagten daraufhin im Februar mehrere große Unternehmen – darunter Tchibo, C&A und Inditex (Zara) – ihre Teilnahme an einem internationalen Bekleidungsgipfel in Bangladesch ab.