Der Aktienkurs des Chemieriesen Bayer ist um rund 38 Milliarden Euro gefallen, der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann wurde nicht entlastet. Das gab es bisher noch nie in der deutschen Wirtschaft bei einem Dax-Konzern. Das Unternehmen steckt in einer tiefen Krise; möglicherweise wird das Unternehmen übernommen und zerschlagen. Rechnen würde sich das: Experten bestätigen einen höheren Wert, als den, den der Aktienkurs wiederspiegelt. Auslöser ist bekanntlich die Übernahme des US-Saatgut-Riesen Monsanto. Baumanns Vorgänger, Marijn Dekkers, hatte intern den Kauf abgelehnt – wegen zu hoher Prozess- und Reputationsrisiken.

Hat Baumann sich verzockt? Tatsache ist: Monsanto hat sich als ein wesentlicher Faktor zum gestiegenen Konzernergebnis erwiesen. Das durch Monsanto gestärkte Agrochemiegeschäft trägt mehr als die Hälfte zum Konzernumsatz bei. Mit Monsanto ist Bayer zum weltweit führenden Unternehmen im Agrarbereich geworden. Der Grund passt den vielen NGOs nicht: Glyphosat, der Renner im Portfolio, verkauft sich hervorragend. Es ist das einzige wirksame Unkrautvernichtungsmittel, das Landwirten zur Verfügung steht. Ein anderes gibt es trotz 30-jähriger Forschung noch immer nicht. Die Patente sind ausgelaufen, mehr als 70 Unternehmen produzieren Unkrautvernichtungsmittel auf Basis von Glyphosat. Die Unterorganisation der Weltgesundheitsorganisation, die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) in Lyon, hat das Mittel in die Kategorie 2a eingestuft. Das bedeutet: Die Substanz ist grundsätzlich in der Lage, Krebs zu erzeugen. Rindfleisch, Lammfleisch und Ziegenfleisch befinden sich auch in dieser Kategorie. Von jedem Produkt gehen theoretisch beliebig viele Gefahren aus. Wie beim Salz. Zu viel davon kann auch tödlich sein. Der Friseurberuf gilt ebenfalls als "wahrscheinlich krebserregend".

Und nun? Baumann stützt sich auf Fachleute, die die Ungefährlichkeit bestätigen. Viele Menschen schenken ihm keine Glauben, in den prozessfreudigen USA drohen 12 000 Gerichtsverfahren. Die unteren Instanzen entschieden gegen Bayer. Vor allem aber sind es Umweltschützer und gut organisierte NGOs, die gegen Bayer zu Felde ziehen. Das Unternehmen wurde zum Feindbild, zum Monster einer lebensfeindlichen Chemie.

Emotionen statt Fakten

Das hat schon einmal die Frankfurter Hoechst getroffen – immerhin lange der weltgrößte Pharmahersteller. Hoechst kam nach einem Chemieunfall ins Visier; der damalige hessische Umweltminister Joschka Fischer und seine Nachfolger verhinderten den Aufbau einer biotechnologichen Anlage zur Herstellung von Insulin. Unter dem Druck von Managementfehlern, schwieriger Fusionen und öffentlicher Ächtung fusionierte der Konzern mit Rhone-Poulenc zur Aventis, zog nach Straßburg um und verschwand von der Bühne.

Werner Baumann versuchte den Kauf von Monsanto auf der Hauptversammlung damit zu begründen, dass die auf 10 Milliarden Menschen anwachsende Weltbevölkerung moderne Agrartechnologie brauche. Nur – es glaubt ihm keiner. Der öffentliche Druck interessiert sich nicht für Fakten. Emotionen beherrschen das Geschäft.

Roland Tichy ist Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung.

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