Seit 50 Jahren werden in Friedrichshafen Satelliten gebaut. Damit diese Tradition auch in den kommenden 50 Jahren fortgesetzt werden kann, wird ein wegweisendes Bauprojekt in Angriff genommen. Airbus Defence and Space (Airbus DS, vormals Astrium) nimmt 43 Millionen Euro in die Hand, um mit einem neuartigen "Integrierten Technologie-Zentrum" (ITC) nicht nur eine lange Liste von Satelliten-Aufträgen abzuarbeiten, sondern auch für eine satelliten-reiche Zukunft die Weichen zu stellen.

Von einem in Europa "einmaligen" Projekt sprach Eckhard Settelmeyer, Leiter des Airbus-Standorts Friedrichshafen, der die Pläne für das ITC vorstellte. Das Gebäude, das auf einer Grundfläche von 4200 Quadratmetern entstehen und eine Höhe von 20 Metern haben wird, ist das künftige Herzstück der deutschen Satellitenfertigung. Die zentrale Integrationshalle, wo die Endmontage von Satelliten in völlig staubfreier Luft des sogenannten Reinraums stattfindet, ist mit einer Fläche von 2000 Quadratmetern groß genug, um den gleichzeitigen Bau von acht Satelliten zu ermöglichen. Daneben stehen, auf vier Stockwerke verteilt, weitere 1000 Reinraum-Quadratmeter für den Zusammenbau von Instrumenten und Antennen zur Verfügung, die in die Satelliten eingebaut werden.

Damit erreicht die Projekt-Kapazität von Airbus DS in Friedrichshafen eine neue Dimension, die zurzeit nur in den USA ihresgleichen findet. Eckhard Settelmeyer, der auf die derzeitige "sehr gute Auftragslage" hinwies, nannte die Investition in den neuen Hightech-Bau "ein großes Bekenntnis der Airbus-Gruppe in den Standort Friedrichshafen". Hier sind die Raumangebote für die Endmontage (Integration) von Satelliten inzwischen beengt geworden. Maximal 650 Quadratmeter staubfreien Raums stehen zur Verfügung – zu wenig, um die Liste von neun anspruchsvollen Satelliten-Bauten bis zum Jahr 2021 abzuarbeiten.

Doch Settelmeyer denkt schon weiter in die Zukunft. Das ITC schaffe "nicht nur neue Möglichkeiten bei der Abwicklung von Projekten, sondern auch bei der Akquise neuer Vorhaben", betonte der Standort-Chef. Als Beispiel erwähnte er den Bau eines großen Weltraumteleskops, für das eine Bauhöhe von 15 Metern notwendig sei. Mit dem ITC wird diese technische Herausforderung zu meistern sein, denn das Gebäude bietet eine variable Nutzung: Der ausschlaggebende Montagekran kann in neun Meter Höhe angebracht sein, er kann aber auch in 13 Metern Höhe oder sogar in 18,50 Metern Höhe hängen, wie es beim Bau eines großen Teleskops notwendig wäre.

Nicht nur in puncto Montagehöhe setzt das künftige ITC neue Maßstäbe. Das moderne Lüftungssystem kann in der Stunde bis zu 600 000 Kubikmeter Luft umwälzen und senkt nicht nur den Anteil von Staub praktisch auf Null, sondern hält selbst Moleküle davon zurück, sich auf hoch empfindlichen Instrumenten oder Oberflächen von Satelliten festzusetzen. Im ITC, das eine dekorative Fassade aus Metallpaneelen mit Fenstern erhalten wird, soll jedoch nicht nur an Satelliten geschraubt wird. Geplant ist ein großer Besucherbereich und Flächen für die Technik-Peripherie.

Neben dem Hightech-Effekt birgt das ITC, für dessen Bau zurzeit zwei alte Bürogebäude entkernt und abgerissen werden, für den Standort einen weiteren großen Vorteil: Das über die Jahre stets erweiterte Sammelsurium von Laboren, die weit über das Firmengelände verteilt sind, wird abgelöst von einer klaren Neuordnung bestehend aus der bisherigen Integrationshalle und einem zweiten zentralen Labor-Standort. "Das optimiert die Fertigungsabläufe, stärkt unsere Wettbewerbsfähigkeit und verbessert die Arbeitsbedingungen für unsere Mitarbeiter", verdeutlichte Settelmeyer den zusätzlichen Nutzen des Millionen-Neubaus.

Für diesen werden von November an in Seeufer-Nähe 150 fast 40 Meter tiefe Löcher gebohrt, um in "traditioneller Pfahlbauweise", wie Settelmeyer augenzwinkernd sagte, einen sicheren Untergrund zu schaffen. Vergossen werden die Bohrlöcher freilich mit Beton, der von außerhalb mit Lkw herangefahren werden muss. Deshalb wurde Vorsorge getroffen, um die Autofahrer an der vorbeiführenden B 31 möglichst zu schonen. Für die Umsetzung des Bauvorhabens gibt sich Airbus DS sportlich. Schon im Sommer 2018 soll das Satelliten-Zentrum den Betrieb aufnehmen. Christoph Hess, Leiter der Astrium-Ingenieurdienstleistungen in Deutschland, mahnt freilich zur Geduld. Bis die komplexen technischen Installationen geprüft und für sicher befunden seien, könnten einige Wochen vergehen. Satellitenbau ist eben keine Fließbandarbeit.

Der Reinraum

Wo die Luft für eine Fabrikation besonders sauber sein muss, werden Reinräume installiert, die nur über eine Schleuse zu betreten sind, damit Staub oder andere Teilchen nicht eingeschleppt werden. Nicht nur für die Entmontage von Satelliten ist das wichtig, sondern auch in der Mikroelektronik, in der Laser-, in der Biotechnologie und in der Medizintechnik. Es gibt mehrere Klassen von Luftreinheit, die nach ISO-Normen gestaffelt sind. Die Filter eines Reinraums können Teilchen einfangen, die nur zwei Tausendstel Millimeter groß sind. Zum Vergleich: Ein Haar ist fünf Hundertstel Millimeter dick. In Reinräumen muss daher besondere Laborkleidung getragen werden. (mic)