Not macht erfinderisch. Weil der Ausbau an Windrädern an Land zum Stillstand gekommen ist, fordern die Verbände der Energiewirtschaft vor dem sogenannten Windgipfel mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) die Aufweichung des Artenschutzes. Damit das Klima geschützt wird, sollen die Behörden beim Schutz von Vögeln und Fledermäusen nicht mehr ganz so genau hinschauen.

Zehn Forderungen

Der Paragraf 45 des Bundesnaturschutzgesetzes soll nach den Vorstellungen der Wind-Lobby dergestalt geändert werden, „dass am Ausbau von Windenergieanlagen ein überwiegendes Interesse besteht“, heißt es in ihren zehn Forderungen an den Minister. Dieser Vorrang soll „Ausnahmen vom Artenschutz unter klar definierten Voraussetzungen“ rechtfertigen. Mitgetragen wird der Vorstoß ausdrücklich von den Umweltschützern von Greenpeace, dem WWF und der Deutschen Umwelthilfe.

Tödliche Rotoren

Windkraftgegner haben mit dem Schutz von Rotmilan, Bussard und dem Kleinen Abendsegler ein wirksames Instrument gefunden, um den Bau neuer Windräder zu stoppen. Dass die Rotoren für die Tiere tödlich sind, hat bereits eine Studie des Prognose-Instituts aus dem Jahr 2015 offenbart. Allein in Norddeutschland sterben pro Jahr 8000 Mäusebussarde, 12 000 Stockenten und 11 000 Möwen durch Schlagverletzungen.

Genehmigungen dauern

Der Naturschutz macht dem Klimaschutz schwer zu schaffen. Aus der Windbranche wird berichtet, dass mittlerweile beinahe jede Genehmigung für den Bau von Windrädern beklagt wird. Die Behörden hat die Klagewelle eingeschüchtert. „Die Dauer von Genehmigungen hat dramatisch zugenommen – von 300 auf 900 Tage“, sagt die Chefin des Windparkbetreiber Enercity, Susanna Zapreva.

Nur wenig neue Windräder

Das hat Folgen für den Zubau. Im ersten Halbjahr wurden in Deutschland nur 86 Windräder errichtet. Das waren die schwächsten ersten sechs Monate seit dem Jahr 2000. Zum Vergleich: In der ganzen Republik drehen sich 30 000 Windräder. Vor allem der Süden ist zur windradfreien Zone geworden. In Bayern kam keine neue Turbine hinzu, in Baden-Württemberg waren es drei. Wegen der Dramatik der Erderwärmung müssten aber eigentlich viel mehr Windräder gebaut werden, um den Ausstoß von Kohlendioxid zu senken. Schon 2030 sollen 65 Prozent des Stroms aus sauberen Quellen stammen. Aktuell sind es 40 Prozent. Doch derzeit, so scheint es, steigt die Bundesrepublik schneller aus der Windkraft aus als aus der Kohle.

Schwierige Forderung

Katherina Reiche ist Chefin des Stadtwerkeverbandes VKU und sich bewusst, wie delikat die Forderung ist, den Vogelschutz zu lockern. Früher war sie Staatssekretärin im Umweltministerium. Sie wolle den Artenschutz nicht gegen Klimaschutz ausspielen. Aber: „Die Genehmigungszeiträume müssen verkürzt werden“, relativiert die CDU-Politikerin ihre Aussage.

Missliche Lage

Nur zwei Wochen bevor die Bundesregierung richtungsweisende Beschlüsse für Klimaschutz und Energieversorgung treffen will, steckt das Land in einer misslichen Lage. Der fest eingeplante Ausbau von Windrädern an Land als Lastesel der Energiewende stockt genauso wie der Bau neuer Stromleitungen. Ohne einen Fortschritt an diesen Stellen ist das Abschalten von Kohlekraftwerken jedoch Makulatur und damit gleichzeitig das ehrgeizige Ziel, bis Mitte des Jahrhunderts praktisch keine Klimagase mehr in die Luft zu blasen. Die Aufgabe ist groß. Wirtschaftsminister Altmaier hat zwei Stunden für den Gipfel eingeplant.