Vor dem Bundesgerichtshof (BGH) klagt ein Autohändler gegen die Deutsche Umwelthilfe. Die Organisation würde den Profit dem Verbraucherschutz vorziehen. Das sind die wichtigsten Fragen dazu:
- Um was geht es beim Prozess am BGH? Die Richter in Karlsruhe müssen entscheiden, ob die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ihre durch Verbraucherschutzklagen eingenommenen Gelder auch für andere Zwecke als die Wahrung der Verbraucherinteressen verwenden darf. Die DUH ist vor allem durch ihre Klagen und die darauf folgende Dieselfahrverbote in deutschen Städten bekannt geworden. Doch die DUH tritt nicht nur als Umwelt-, sondern auch als Verbraucherschützerorganisation auf. In dieser Funktion hat sie ein Autohaus aus dem Raum Stuttgart verklagt, weil es im Internet einen Neuwagen beworben und dabei nicht korrekt über Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß informiert hatte. Die Organisation hat den Autohändler deshalb abgemahnt. Laut eigenen Angaben mahnt die Umwelthilfe jede Woche etwa 30 Verstöße ab und führt rund 400 Gerichtsverfahren im Jahr. Die damit erzielten Einnahmen machten zuletzt gut ein Viertel des DUH-Haushalts aus, knapp 2,2 Millionen Euro im Jahr 2017. Dies macht sie in ihrer Funktion als Verbraucherschutzorganisation.
- Inwiefern spielen Dieselfahrverbote eine Rolle? Die Umwelthilfe setzte in den vergangenen Monaten in mehreren Städten Dieselfahrverbote durch. Dabei agiert sie allerdings vor den Verwaltungsgerichten als anerkannte Naturschutzorganisation und nicht wie in dem Karlsruher Verfahren als klageberechtigter Verbraucherschutzverband. Die Deutsche Umwelthilfe kann sowohl im Interesse der Umwelt als auch im Interesse der Verbraucher handeln. Während also Abmahnungen für Händler den Verbraucher schützen sollen, ist die Verbesserung der Luftqualität eine Frage des Umweltrechts. Ob intern zwischen diesen beiden Stellen querfinanziert werden darf ist die Frage, die sich der BGH nun stellt.
- Gibt es schon eine Tendenz, wie das Urteil ausfallen wird? Ja, die gibt es bereits. Das offizielle Urteil wird zwar erst in den nächsten Wochen erwartet, doch in der Verhandlung machten die Richter bereits deutlich, dass aktuell nichts für ein falsches Verhalten der DUH spreche. Der BGH werde die Abmahn- und Klagepraxis der DUH im Bereich des Verbraucherschutzes deshalb voraussichtlich nicht stoppen.
- Was sagt die DUH zu den Vorwürfen? Auf Twitter äußerte sich die Umwelthilfe optimistisch. „Wir sind mit dem Verlauf der heutigen Verhandlung sehr zufrieden“, heißt es dort. Im Gespräch mit dem SÜDKURIER betont Geschäftsführer Jürgen Resch: „Wir wollen gleiche Regeln für alle und dass diese auch durchgesetzt werden. Die Verhandlung vor dem BGH hat gezeigt, dass die Umwelthilfe dabei sauber arbeitet.“ Die DUH führe regelmäßig Stichproben in sämtlichen Branchen durch, um den Verbraucherschutz zu gewährleisten. „Nur die Automobilbranche wehrt sich immer wieder mit Händen und Füßen“, sagt Resch und verweist auf die vergangenen juristischen Erfolge der DUH. Umwelthilfe-Anwalt Roland Demleitner zeigt sich nach der Verhandlung ebenfalls optimistisch. „Wir sind zuversichtlich, dass der Senat das Vorgehen der Umwelthilfe für rechtmäßig erklärt“, sagt Demleitner. Der Vorwurf des sogenannten Rechtsmissbrauchs sei eindeutig widerlegt. Die Umwelthilfe setze ihre Mittel für den Umwelt- und Verbraucherschutz ein.
- Warum darf die DUH überhaupt abmahnen? Die Organisation ist vom Bundesamt für Justiz als „qualifizierte Einrichtung“ anerkannt. Dazu zählen beispielsweise auch der Deutsche Mieterbund, ADAC oder die Verbraucherzentrale. Diese Einrichtungen sind dazu befugt, bei Verstößen gegen den Verbraucherschutz auf Unterlassung zu klagen oder Abmahnungen gegen Unternehmen durchzusetzen.
- Wer steht hinter der DUH? Der Bundesgeschäftsführer der Umwelthilfe ist bereits seit 1988 Jürgen Resch. Aktuell wohnt er in Überlingen und war schon in den 1970ern und 80ern als Öko-Aktivist in Friedrichshafen tätig. Bundesweit bekannt wurde er allerdings erst im Zuge des Dieselskandals, als auf Druck der DUH Dieselfahrverbote in den ersten deutschen Städten eingeklagt wurden. Seit 2015 steht neben Resch auch Sascha Müller-Kraenner an der Spitze der Organisation. Gegründet wurde die DUH bereits 1975. Der anfängliche Vereinszweck war das Sammeln von Spenden für Projekte der Umweltorganisation BUND.
- Was hat die DUH bisher gemacht? In den 80er-Jahren initiierte die Umwelthilfe das Bodensee-Umweltschutzprojekt für eine nachhaltige Regionalentwicklung. Daraus entstand die „Bodensee-Stiftung für Natur und Kultur“ sowie die internationale Umweltstiftung „Global Nature Fund“. Die DUH ist auch mitverantwortlich für die Einführung des Dosenpfandes. Der erste Angriff auf den Diesel wurde schon 2003 gestartet: „Kein Diesel ohne Filter“ heißt die Kampagne, die sich für die Nachrüstung und Standardisierung von Partikelfiltern für Fahrzeuge einsetzt. Die Organisation macht auch eigene Feinstaubkontrollen und spielte deshalb eine Rolle bei der Aufdeckung des Abgasskandals.
- Gibt es etwas neues zum Thema Gemeinnützigkeit? Nachdem vor allem Politiker der Union gefordert haben, der DUH ihre Gemeinnützigkeit zu entziehen, wurde zuletzt über schärfere Kriterien debattiert, wann eine Organisation den Status gemeinnützig erhalten kann. Konkrete Pläne oder Entwürfe sind nach wie vor nicht bekannt. Auslöser für die Debatte war eine Entscheidung des Bundesfinanzhofes, dem Bündnis Attac die Gemeinnützigkeit abzuerkennen.
- Was passiert, wenn eine Organisation diesen Status verliert? Mit der Gemeinnützigkeit werden einem Verein oder einer Organisation Steuervorteile eingeräumt. Spenden können somit zum Beispiel von der Steuer abgesetzt werden. Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit würde deshalb wahrscheinlich für einen finanziellen Einbruch bei der DUH sorgen.