Personalisierte Tabletten aus dem 3D-Drucker, Maschinen, die durch Patientendaten lernen und so den Behandlungserfolg einer Therapie voraussagen können: Beim Forum Gesundheitsindustrie in Konstanz, dem größten Branchentreffen von Biotechnologie, Medizintechnik, Bioökonomie und Pharma in Baden-Württemberg, ging es um nichts geringeres als die Zukunft der Gesundheitsindustrie. Und die, so zeigten es die Vorträge der Redner aus Wirtschaft und Wissenschaft, liegt in der Digitalisierung. Genauer gesagt in den Bereichen maschinelles Lernen, personalisierte Medizin und Vernetzung.
- Firmen müssen kooperieren: Die Gesundheitsindustrie muss sich gegenüber Konzernen wie Google oder Apple, die immer stärker in diesem Bereich aktiv sind, behaupten. Dazu braucht es neue Kooperationen, ist sich Jochen Maas, Geschäftsführer bei Sanofi, sicher: "Die Zeiten, in denen Arzneimittel, medizinische Produkte, Diagnostika und Big Data als eigenständige Geschäftsfelder nebeneinanderher gelebt haben, sind vorbei." Die Zukunft der Medizin liege in integrierten Ansätzen der vier Bereiche. Nur wenn Firmen sich in Kooperationen zusammenschließen, könne sicher gestellt werden, künftig nicht nur noch als Zulieferer für Apple oder Google zu arbeiten.

- Krebs bekämpfen mit Big Data: Maschinelles Lernen wird künftig im diagnostischen Bereich und bei der Behandlung von bestimmten Krankheiten eine große Rolle spielen. Das zeigte Nico Pfeifer, Professor für Methoden der Medizininformatik an der Universität Tübingen, nicht nur anhand seiner eigenen Forschung. So habe Google etwa einen Algorithmus geschaffen, mit dem man Hautkrebs erkennt. Dazu wurden dem Programm 130 000 Bilder von bösartigen Hautveränderungen gezeigt. Durch maschinelles Lernen kann der Algorithmus nun verlässlich wie ein Dermatologe anhand von Bildern erkennen, ob jemand potenziell von Hautkrebs bedroht ist. Bald schon könnte es dieses Programm als App für Smartphones geben. Bei der eigenen Forschung gehen die Wissenschaftler der Uni Tübingen gemeinsam mit anderen Unikliniken der Frage nach, wie Big Data auch Ärzten helfen kann. So soll ein Algorithmus durch maschinelles Lernen anhand von Patientendaten in die Lage versetzt werden, bei Krankheiten wie Krebs oder Multibler Sclerose auf bestimmte Personengruppen zugeschnittene Behandlungswege aufzuzeigen.
- Medikamente individuell dosiert: Die Firma DiHeSys (Digital Health Systems) aus Einsingen bei Ulm sieht die Zukunft der Medizin in personalisierten Medikamenten. Mittels neuartiger Fertigungstechniken, durch die zwei- und dreidimensionale Objekte in einem Druckverfahren hergestellt werden können, produziert das Unternehmen bedürfnisgenau Pillen und Tabletten. "Heute überwiegt die Massenproduktion. Dabei gibt es bestimmte Anwendungsgebiete in denen eine personalisierte Medikation wichtig ist", erklärt Thomas Ehmann, Geschäftsführer bei DiHeSys. Über- oder Unterdosierungen bei Krebsmedikamenten etwa könnten vermieden werden. Durch die Kombinierung mehrerer Wirkstoffe in einer Tablette könne außerdem die Zahl der Präparate, die manche Patienten täglich zu sich nehmen müssen, deutlich reduziert werden. Und auch für Kinder oder ältere Patienten mit Schluckproblemen gebe es die Möglichkeit, Medikamente anders als in Tablettenform herzustellen. Um die personalisierte Medizin voranzutreiben, brauchen Unternehmen wie DiHeSys jedoch digitale Patientendaten. Bei diesem Thema hinke Deutschland hinterher, so Ehmann. Dennoch werde sich der Digitalisierungstrend nicht aufhalten lassen. Ehmann zeigt sich deshalb optimistisch: "Wir glauben an personalisierte Medikamente als Zukunftstechnologie".
Erster Platz fürs Ländle
Baden-Württemberg belegt den ersten Platz im deutschlandweiten Vergleich der industriellen Gesundheitswirtschaft was die Zahlen zur Erwerbstätigkeit, die Bruttowertschöpfung und das Exportvolumen angeht. Auch die Gründerszene muss sich nicht verstecken: Seit 2015 wurden laut Statistik der Biopro Baden-Württemberg 50 neue Gesundheitsunternehmen gegründet. (vni)