Noch mehr Globalisierung oder wenigstens in Teilbereichen Abschottung und Zölle, um die jeweils heimische Industrie und ihre Arbeitsplätze zu schützen? Diese Frage bewegt die Welt, seit US-Präsident Donald Trump China, aber auch einzelne Branchen in Europa mit Strafzöllen belegt hat. Auf die Botschaft des G20-Gipfels, wo es zu einem Burgfrieden zwischen den USA und China gekommen ist, reagierten die Aktienmärkte daher euphorisch – bis zu 2,5 Prozent legte der Dax am Tag danach zu. Insbesondere die Autofirmen waren die Gewinner – die Gefahr stagnierender Exporte in die USA scheint zumindest vorübergehen gebannt.
Nordamerika als Wachstumstreiber
Dabei wird übersehen: Trotz aller Befürchtungen erlebte der Welthandel in den letzten Monaten einen Aufschwung und erreichte im November ein neues Hoch. Im bisherigen Jahresverlauf ist der internationale Warenhandel um 10,6 Prozent gestiegen. Die Schwellenländer und ausgerechnet Nordamerika sind die wichtigsten Wachstumstreiber. Und trotz neuer Zölle auf exportierte Produkte profitiert China von der starken US-Wirtschaft. Erste Analysen zeigen, dass sich dieser Trend im Dezember fortsetzen sollte: Die USA importieren so viele Güter zur Weihnachtszeit wie nie zuvor, und der Handel nimmt erneut um 0,3 Prozent gegenüber dem Vormonat zu.
Indikatoren per Satellit
Das jedenfalls zeigen neue Konjunkturindikatoren wie der "gKNi World Trade Indicator“, das von dem Daten-Unternehmen von Kühne + Nagel ermittelt wird. Dieser Indikator misst – was bei einem der weltgrößten Spediteure nicht verwunderlich ist – die Anzahl der Frachtflüge weltweit und den Frachtschiffverkehr. Benutzt werden dazu unter anderem Daten der globalen Satellitenüberwachung. Die Späher aus dem All beobachten die Welt mittlerweile so genau, dass sie auch den Tiefgang der Schiffe erkennen – und daraus ableiten, wie voll sie beladen sind.
Weltweite Verknüpfungen
Die eigentliche Neuigkeit allerdings liegt in der Interpretation der Daten. Offensichtlich hat der vielbeschworene Handelskrieg bislang nicht dämpfend auf den Welthandel gewirkt. Die gegenseitigen Abhängigkeiten, die jeweiligen Spezialisierungen und die Logistikkette sind weltweit wohl schon so verknüpft, dass zusätzliche Zölle zwar lästig, aber nicht entscheidend sind. Die Wirtschaft dominiert die Politik.
Haupttreiber ist die starke Inlandsnachfrage in den USA wie auch in China. Die Importe überholen längst die Exporte in den Vereinigten Staaten mit einer jährlichen Rate von 9,1 bzw. 7,1 Prozent. Das Handelsbilanzdefizit der USA wächst also trotz aller Bemühungen der Trumpschen Politik weiter an.
Europa hinkt hinterher
Wesentlich schwächer, gerade nur um 2 Prozent, wächst der globale Handel Europas. Das spiegelt die wirtschaftliche Entwicklung: In Deutschland und Italien, zwei Schwergewichten im Euro-Raum, schrumpfte die Wirtschaft im 3. Quartal leicht. In Deutschland war es die Tatsache, dass die Automobilfabriken ihren Ausstoß drosselten. Die Diesel-Verunsicherung und neue Regulierungen, die Neu-Neu-Zulassungen zunächst verhinderten, verursachten eine Bremsspur auch bei den Zulieferern quer durch Europa. Der Blick auf den globalen Handel allerdings zeigt: Die Ursachen sind hausgemacht – am stets beschworenen Handelsstreit liegt es nicht und auch nicht an den USA.
.Roland Tichy ist Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung.