„Haben Sie überhaupt noch einen Platz frei?“ Wenn neue Fahrschüler bei Sebastian Tesche anrufen, dann hört der Fahrlehrer aus Gottmadingen immer häufiger diese Frage. Seine Theoriekurse sind rappelvoll und für die erste Fahrstunde muss man etwas Wartezeit einplanen. Statt wie früher drei, vier Monate müssen die meisten Fahrschüler derzeit mindestens ein halbes Jahr und länger einplanen, bis sie ihren Führerschein in der Hand halten. Denn in Baden-Württemberg fehlen dem Fahrlehrerverband zufolge mindestens 100 Fahrlehrer – bei knapp 1000 Fahrschulen ist demnach jede zehnte Schule auf der Suche. Meist vergebens, weil der Markt leer gefegt ist.
Auch Sebastian Tesche – 39 Jahre alt und seit 2006 Fahrlehrer – hat zwei Jahre lang über Stellenanzeigen, die Arbeitsagentur und private Kontakte versucht, einen neuen Fahrlehrer zu finden. Ohne Erfolg. „Letztlich habe ich mich dazu entschlossen, eine der drei Filialen unserer Fahrschule zu schließen.“ Fachkräfte fehlen in Deutschland inzwischen in vielen Berufen. Bei den Fahrlehrern aber kommen mehrere Entwicklungen zusammen, die den Mangel besonders eklatant machen.
Aus der Bundeswehr kommen kaum noch Fahrlehrer
So haben die Fahrschulen lange Zeit davon profitiert, dass die Bundeswehr Zeitsoldaten zum Fahrlehrer ausgebildet hat – und auch die Kosten für die Ausbildung übernahm. „Wenn sie früher einen Fahrlehrer gesucht haben, sind sie ans Kasernentor gegangen und mit einem neuen Mitarbeiter wieder nach Hause“, sagt Jochen Klima, Vorsitzender des Fahrlehrer-Verbandes Baden-Württemberg. Nachdem aber 2011 die Wehrpflicht ausgesetzt wurde, kommen auf diesem Weg kaum noch ausgebildete Fahrlehrer.
Eine weitere Ursache für den Mangel ist der schlechte Ruf des Fahrlehrer-Berufs. „Man arbeitet dann, wenn andere frei haben und Zeit für eine Fahrstunde“, sagt Fahrlehrer Sebastian Tesche aus Gottmadingen. Besonders familienfreundlich seien diese Fahrten bis abends spät und am Wochenende nicht. „Und dass die Schüler inzwischen an fast allen Tagen bis spätnachmittags Unterricht haben, macht die Sache nicht gerade besser.“
Der durchschnittliche Fahrlehrer ist 55 Jahre alt
Hinzu kommt, dass die Bezahlung lange Jahre recht dürftig war und die Ausbildung sehr techniklastig. „Durch eine Reform im Jahr 2018 haben wir hier aber gute Verbesserungen erreicht und den Beruf insbesondere für Frauen attraktiver gemacht“, sagt Jochen Klima vom Fahrlehrer-Verband Baden-Württemberg.
So braucht man inzwischen nicht mehr zwingend einen LKW-Führerschein, um Fahrlehrer im Bereich PKW zu werden. Auch wird in der Ausbildung nun weniger auf technische Funktionsweisen und mehr auf pädagogisch-didaktische Kompetenzen gesetzt. Diese Änderungen greifen Klima zufolge tatsächlich bereits erfolgreich: „Die Fahrlehrerschulen sind voll, auch hier gibt es Wartelisten und es kommen inzwischen wirklich mehr Frauen.“ Am Fahrlehrer-Mangel wird das die nächsten Jahre aber erstmal nichts ändern. Denn mit einem Durchschnittsalter von 55 Jahren gilt der Berufsstand als sehr überaltet, die Zahl offener Stellen wird also eher noch größer werden.
Denn ihren eigenen Kindern empfehlen die Fahrlehrer inzwischen oft auch nicht mehr, den Betrieb zu übernehmen. „Die ganzen Diskussionen rund ums autonome Fahren schüren schon die Skepsis, ob der Beruf überhaupt eine Zukunft hat“, sagt Klima. Der Fahrlehrer-Verband beantwortet diese schwierige Frage mit einem eindeutigen „Ja“. „Selbst wenn die ersten selbstfahrenden Autos unterwegs sind, werden wir noch jahrelang einen Mischverkehr haben. Und man wird vermutlich andere Dinge lernen müssen, um ein Auto zu bewegen“, sagt Klima.
Ein Kampf um Mitarbeiter mit allen Mitteln
Auf ihrer verzweifelten Suche nach neuen Mitarbeitern behelfen sich die Fahrschulen indes mit allen Mitteln – und spannen sich auch schon mal gegenseitig die Fahrlehrer aus. „Bei den Abwerbeversuchen werden dann reichlich finanzielle Versprechungen gemacht und beim Wechsel nicht unbedingt eingehalten“, sagt Detlef Schneeweiß, der eine Fahrschule in Friedrichshafen besitzt.
Auch Schneeweiß ist seit einem halben Jahr vergeblich auf der Suche nach einem neuen Fahrlehrer, sein Team arbeitszeitentechnisch „voll am Anschlag der gesetzlichen Möglichkeiten.“ Hin und wieder bekommt Schneeweiß zwar eine Bewerbung auf den Tisch. „Aber die Leute haben völlig falsche Vorstellungen von diesem anspruchsvollen Beruf.“
So wird man Fahrlehrer
- Berufseinstieg: Fahrlehrer ist kein anerkannter Ausbildungsberuf „und kann das auch nie werden“, sagt Jochen Klima vom Fahrlehrerverband Baden-Württemberg. Der Grund: Um Fahrlehrer zu werden, braucht man einen Führerschein und mindestens drei Jahre Fahrpraxis, dadurch ist man deutlich älter als ein klassischer Auszubildender beziehungsweise hat je nach Schulabschluss bereits eine andere Ausbildung absolviert.
- Ausbildungskosten: Für die Ausbildung zum Fahrlehrer, die etwa ein Jahr dauert, und die benötigen Führerscheine fallen Klima zufolge Kosten von rund 10.000 bis 15.000 Euro an. Da die Arbeitsagentur Fahrlehrer inzwischen als Mangelberuf anerkannt hat, wird die Ausbildung finanziell auch gefördert. Das Jahresgehalt eines Fahrlehrers liegt bei durchschnittlich 35 000 Euro. (sam)