Die Schnauze neigt sich etwas tiefer als beim gleichgroßen Airbus A320. Der Rumpf wirkt klobig. Und beim Landeanflug setzt die Maschine nicht ganz so elegant auf wie der Airbus-Konkurrent. Ansonsten ist den Chinesen mit der Comac C919 aber ein vollwertiges Passagierflugzeug gelungen. Zum ersten Mal hat das weitgehend aus chinesischer Fabrikation hergestellte Passagierflugzeug für Mittelstrecken seinen Jungfernflug absolviert. Unter dem Beifall Tausender Gäste und der Anwesenheit von Hunderten Pressevertretern hob die Maschine vom internationalen Flughafen von Shanghai ab. Sie blieb exakt 79 Minuten lang in der Luft.
Die C919 des chinesischen Staatskonzerns soll Firmenangaben zufolge bis zu 4075 Kilometer weit fliegen können. Mit zwei Klassen finden in ihr 158 Passagiere Platz – wenn man sie besonders dicht in einer Klasse bestuhlt, passen bis zu 174 Passagiere hinein. Comac hofft, ab 2018 mit der C919 in Serienproduktion gehen zu können. Die C919 symbolisiere den „Stolz und die Träume des chinesischen Volkes“ verkündete das Staatsunternehmen.
Testflug mehrfach verschoben
Dabei ist die Entwicklung von Chinas erstem Mittelstreckenpassagierjet bislang alles andere als eine Erfolgsgeschichte. Chinas Führung hatte bereits vor mehr als zehn Jahren das Ziel ausgegeben, mit dem Bau eigener Verkehrsflugzeuge den Platzhirschen auf dem internationalen Flugzeugmarkt, Airbus und Boeing, Konkurrenz zu machen. Acht Jahre tüftelten chinesische Techniker an der Maschine. Mehrfach musste der Jungfernflug verschoben werden. Der erste Test sollte bereits vor drei Jahren stattfinden.
Tatsächlich ist die Entwicklung von Mittelstrecken- und Großraumflugzeugen ein gewaltiges Unterfangen. Bis zu 10 Milliarden Euro kostet die Entwicklung eines modernen Großraumflugzeugs. Private Geldgeber finden sich für so hohe Entwicklungskosten nur selten. Nur mit staatlicher Hilfe großer Volkswirtschaften lassen sich diese Kosten stemmen. In der Geschichte der zivilen Luftfahrt hat es zwar immer wieder Versuche auch kleinerer Länder gegeben, eine eigene zivile Flugzeugindustrie aufzubauen. Übrig geblieben sind jedoch nur zwei Bauer für Mittelstrecken- und Großraumflugzeuge: Boeing in den USA und Airbus in der EU.
Mit geschickten Verhandlungen gelang es der chinesischen Führung aber sowohl Airbus als auch Boeing dazu zu verpflichten, mit Endmontagefabriken in der ostchinesischen Hafenstadt Tianjin eine Zusammenarbeit mit dem chinesischen Flugzeugbauer Comac einzugehen. Auf diesem Weg konnten die Chinesen viel Wissen von Airbus und Boeing abgreifen. In weniger als nur einem Jahrzehnt hat Comac einen Entwicklungsschub vollzogen, für den Airbus und Boeing Jahrzehnte benötigte. Chinas Markt ist höchst attraktiv. Angesichts der wachsenden Nachfrage nach In- und Auslandsflügen hat Boeing errechnet, dass China bis 2029 seinen Flottenbestand von 1500 auf über 5000 Fliegern mehr als verdreifachen wird.
Technisch werden die Comac-Maschinen selbst nach Ansicht von Chinas amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua aber in absehbarer Zeit nur kaum mit der westlichen Konkurrenz mithalten. Denn sowohl Boeing als auch Airbus arbeiten längst an neuen Modellen, die sehr viel weniger Sprit verbrauchen. Die Chinesen dürften daher auf einen Preiskampf setzen. Genaue Preise sind zwar noch nicht bekannt. Der bereits entwickelte Comac-Regionaljet ARJ-21 liegt allerdings rund 10 Prozent unter dem Preis von einer vergleichbaren Maschine von Bombardier.
Chinas weiterer Vorteil: Der Eigenbedarf ist gigantisch. Und so wie bei europäischen Fluggesellschaften Maschinen von Airbus dominieren und die US-Fluggesellschaften Boeings bevorzugen, ist davon auszugehen, dass die chinesische Führung ihre Fluggesellschaften künftig dazu verpflichten wird, Comac-Maschinen abzunehmen.