Xia Xiaobo gehört zu einer neuen Klasse in China. Der 34-Jährige war einst Bauer, zog dann wie Millionen andere Bauern in die neu entstandenen Industriestädte am Perflussdelta im Süden Chinas, wegen der vielen Produktionsstätten auch bekannt als „Werkbank der Welt“. Dort heuerte er bei einer japanischen Elektronikfirma an.

Diesen Job wird Xia demnächst verlieren. Und es ist nicht nur der Handelsstreit, den die Führung in Peking derzeit mit den USA ausfechtet und der sich schon jetzt erheblich auf die chinesische Exportindustrie niederschlägt. Xia gehört einer in China neuen Klasse der Arbeitslosen an, die in den Fabriken von Robotern ersetzt werden. Er wird nun nicht mehr gebraucht.

Als Billiglöhner geschuftet

Mehr als 30 Jahre lang haben Hundertmillionen Wanderarbeiter Chinas wirtschaftlichen Aufstieg maßgeblich mitgeprägt. Sie haben als Billiglöhner in den Fabriken geschuftet, Straßen, Schienenstrecken und Hochhäuser errichtet. Sie gingen dorthin, wo es Arbeit gab. Fiel die Arbeit weg, wanderten sie weiter. In den besonders industriell geprägten Provinzen Jiangsu, Zhejiang, Guangdong sowie in den Gegenden von Shanghai und Peking werden sie nun durch Roboter ersetzt.

Durch Roboter ersetzt

Allein in der Industriestadt Dongguan vor den Toren Hongkongs sind nach Angaben der South China Morning Post wegen der Automatisierung in den letzten Jahren mehr als 280 000 Arbeitsplätze weggefallen. Xiao Yafei, Bürgermeister von Dongguan, war geradezu stolz, als er im Januar diese Zahl verkündete und angab, dass Wanderarbeiter nun von 91 000 Robotern ersetzt würden.

Die Auswirkungen auf die Arbeiter sind vor allem in diesen Wochen zu spüren. Im Februar begangen die Chinesen ihr traditionelles Neujahrsfest. Die meisten Wanderarbeiter waren über die Feiertage zu ihren Familien in ihre Heimatdörfer gereist. Viele Unternehmer haben nun die Abwesenheit genutzt, um ihnen mitzuteilen, dass sie gar nicht mehr zurückkehren brauchen. Ihre Arbeitsplätze würden gestrichen.

Politisch gewollte Entwicklung

Die Automatisierung ist politisch gewollt. 2014 hatte die chinesische Regierung die mangelnde Produktivität in den chinesischen Fabriken kritisiert. Für die Herstellung einer Ware würden zu viele Arbeitskräfte benötigt. Das schaffe zwar Jobs, erkläre zugleich jedoch die niedrigen Löhne. China, die Werkbank der Welt – das soll nach dem Willen der chinesischen Regierung der Vergangenheit angehören. Sie hat mit „Made in China 2025“ einen Fahrplan für die Modernisierung der chinesischen Industrie verabschiedet und will auf diese Weise in den nächsten Jahren zum weltweiten Technologieführer aufsteigen. Industrie 4.0 lautet das Stichwort. Manuelle Arbeit soll schrittweise durch Roboter ersetzt werden.

Arbeiterinnen stellen in einer Fabrik in Huaibei im Osten Chinas Kabelbäume noch manuell her. Doch immer mehr chinesische Firmen setzen ...
Arbeiterinnen stellen in einer Fabrik in Huaibei im Osten Chinas Kabelbäume noch manuell her. Doch immer mehr chinesische Firmen setzen Roboter in der Produktion ein. | Bild: STR/AFP

Diese Automatisierung ist in vollem Gang. Die Internationale Robotik-Föderation schätzt, dass China bis 2020 mindestens 800 000 Industrieroboter installiert haben wird. Foxconn etwa, der bekannte Elektronikzulieferer aus Taiwan, der als Auftragshersteller unter anderem Apples iPhone zusammenschraubt, zählte noch vor zehn Jahren in China über eine Million Beschäftigte. Das Unternehmen berichtet, dass es bereits zwischen 2012 und 2016 durch den Einsatz Zehntausender Roboter mehr als 400 000 Arbeitsplätze abgebaut habe.

Familie muss finanziert werden

Arbeitern wie Xia trifft diese Entwicklung hart. Er hat in seinem Heimatdorf ein Kind zu finanzieren. Dort wird es derzeit von den Großeltern versorgt. Und auch sie brauchen Geld, das Xia in Dongguan verdienen muss. „Wenn ich mich nicht mit neuen Fähigkeiten ausrüste, werde ich am Ende arbeitslos “, befürchtet Xia.

Er hat daher drei Monatsgehälter angewandt, um sich weiterzuqualifizieren. Seit August belegt er an einer Berufsschule Computerkurse. „Ich lerne Automatisierungsprogrammierung, um zu sehen, ob ich in der intelligenten Fertigung einen Job finden kann.“ Doch diesen Einfall, so Xia, dürften viele haben.