Das Achtelfinal-Hinspiel in der Europa League zwischen Juventus Turin und dem SC Freiburg ist noch keine Minute abgepfiffen, da rennt ein kleiner Junge im Vollsprint quer über den Rasen des Allianz Stadium. Er weiß ganz genau, wo er hinwill: zu Ángel Di María, zum Siegtorschützen, zum überragenden Mann dieser Partie. Der Argentinier reicht dem Jungen ohne zu überlegen sein Trikot, ehe der kleine Steppke überglücklich zurückeilt.
Es ist eine sinnbildliche Situation für eine unfassbare Karrierephase, die Ángel Di María seit Monaten erlebt. Mit 35 Jahren könnte er den Höhepunkt seiner Laufbahn längst hinter sich haben, doch das Gegenteil ist der Fall. Jahrelang stand er im eigentlich besten Fußballeralter in der Nationalmannschaft im Schatten von Lionel Messi, gemeinsam mit „La Pulga“ wurde er in Katar Weltmeister – nicht zuletzt dank einer überragenden Leistung von Di María, der im Finale gegen Frankreich einen Strafstoß rausholte und selbst traf.
Auch im Verein war Di María selten der Spieler, der in den Zeitungen auf den Titelseiten landete. Bei Real Madrid war das meist Cristiano Ronaldo, bei Paris Saint-Germain eher Kylian Mbappé oder Neymar.
Die Nummer eins bei Juventus
Nun ist er aber in seinem Team der absolute Superstar. Derjenige, der für die Glanzmomente sorgt. Und einer, der alle Freiheiten seines Trainers erhält. Unter Massimiliano Allegri agiert er nicht auf dem Flügel, sondern als Freigeist hinter der Spitze. Vor zwei Wochen brillierte er mit einem Dreierpack gegen den FC Nantes, am Donnerstagabend mussten die Freiburger neidlos die Klasse des Matchwinners anerkennen, der in der 53. Minute das entscheidende 1:0 erzielte.
Und das tat SC-Trainer Christian Streich auch. „Es ist eine Augenweide, ihn spielen zu sehen“, sagte der 57-Jährige. „Er war enorm präsent, hat eine ganz, ganz hohe Qualität. Ángel Di María ist für jeden, der gerne Fußball schaut, ein Genuss.“
Umschaltbewegungen laut Streich zu viel Kraft gekostet
Der Weltmeister strahlte genau das aus, was den Freiburgern an diesem Abend fehlte: Torgefahr, Überraschungsmomente, Mut und Spielwitz. Auch wenn Höler aus dem Nichts zum 1:1 (64.) traf, das der Schiedsrichter Anastasios Sidiropoulos nach Eingriff des Video-Assistenten allerdings einkassierte, da Ginter der Ball an die Hand gesprungen war. „Wir waren in der einen oder anderen Situation nicht passsicher genug und haben es nicht geschafft, in den Rücken der Abwehr zu kommen“, sagte Streich.
Sein Team habe viel Arbeit gegen den Ball leisten müssen. „Es gab dann eben Umschaltbewegungen, die unglaublich viel Kraft gekostet haben. Deshalb ist es uns dann nicht mehr gelungen, kreativer in der Offensive zu sein.“ Christian Günter sah es ähnlich: „Es wären gute Räume da gewesen, wenn wir sie denn gefunden hätten“, sagte der SC-Kapitän aus Tennenbronn, der dennoch von einem „Wahnsinns-Erlebnis“ sprach.
Erst Hoffenheim, dann wieder Juve
Derzeit ist einfach ein bisschen Sand im Freiburger Offensivgetriebe. Vielleicht schaffen es Vincenzo Grifo & Co. ja am Sonntag gegen die TSG Hoffenheim (15.30 Uhr/DAZN), wieder die Durchschlagskraft zu entwickeln, mit der die Breisgauer vor der WM für mächtig Furore gesorgt hatten. Ein Dreier im Derby wäre nicht nur wichtig, um in der Bundesliga auf Europapokal-Kurs zu bleiben, sondern auch ein Schub für das Rückspiel gegen Juventus am kommenden Donnerstag (18.45 Uhr).
Denn aufgegeben haben Christian Streich noch nicht: „„Mit dem Ergebnis werden wir alles dafür tun, dass wir vielleicht am Ende die Sensation schaffen“, sagte der Freiburger Trainer. Dafür muss sich der Sportclub allerdings offensiv mehr einfallen lassen – und Ángel Di María in den Griff bekommen.