Was für eine Dramatik im Europa Park-Stadion! Der SC Freiburg gleicht gegen den Zweitligisten FC St. Pauli durch Matthias Ginter erst in der dritten Minute der Nachspielzeit zum 1:1 aus und schafft dann in der Verlängerung durch ein Tor von Michael Gregoritsch in der 119. Minute den Einzug in die dritte Runde des DFB-Pokals.
Freiburg rotiert ordentlich
Als eine Stunde vor Anpfiff die Zettel mit den Aufstellungen der beiden Mannschaften im Presseraum verteilt wurden, schauten die Medienvertreter etwas länger als üblich auf das Stück Papier. Sport-Club-Trainer Christian Streich spielt „vier aus Elf“, soll heißen: nur vier Kicker aus der bisherigen Stammformation stehen in der ersten Elf gegen St. Pauli.
Die Reaktionen sind von Skepsis begleitet. Kann das gutgehen? Ist das ein Ärgernis für die Fans, die für die DFB-Pokal-Karte deutlich mehr bezahlen mussten? Ist das ein Stück weit respektlos gegenüber dem Gegner? Sind die sieben Neuen jetzt frisch oder doch eher ohne ausreichende Spielpraxis? Ist es ein riskantes Spiel mit dem Feuer, weil ein Weiterkommen im Pokal Geld einbringt? Kurzum: Alle, die Meister Streich schon seit geraumer Zeit empfohlen hatten, er solle doch mal auf dem Feld rotieren, die rotieren jetzt im Geiste selbst.
0:1 zur Halbzeit – und nun?
Die ersten Minuten bestätigen die Schwarzseher. Zweitligist St. Pauli geht forsch zur Sache, bei den Freiburgern kommt kein Spielfluss auf. Nach vier Minuten zischt ein Schuss von Amenyido knapp über den Querbalken, bis zum ersten Torschuss des Sport-Clubs dauert es eine halbe Stunde. Christian Günter zieht aus 20 Metern Entfernung ab, Pauli-Schlussmann Vasilj bekommt die Fingerspitzen dran. Zwei Minuten später wirft sich ein Hamburger Verteidiger heldenhaft in einen Weitschuss von Ritsu Doan, doch das war‘s auch schon mit halbwegs gefährlichen Angriffen der Gastgeber.
Dann schleicht sich auf Rechtsaußen Daschner davon, bedient den mitgelaufenen Amenyido, doch St. Paulis Mittelstürmer scheitert am glänzend reagierenden SC-Keeper Noah Atubolu. Gespielt sind 37 Minuten, ein Warnschuss? Nicht für alle offensichtlich. Fünf Minuten später leistet sich Keven Schlotterbeck 40 Meter vor dem eigenen Kasten einen kapitalen Bock – sein Rückpass zu Atubolu gerät viel zu kurz und Daschner bedankt sich mit einem feinen Heber zur Gäste-Führung. 0:1 zur Halbzeit – und nun?
Klare Sache, wechseln! Philipp Lienhart für Schlotterbeck, Nicolas Höfler für Maximilian Eggestein, Daniel-Kofi Kyereh für Wooyeong Jeong und Michael Gregoritsch für Nils Petersen.
Kampf gegen die Uhr
Doch auch nach einer Stunde steht noch immer keine klare Chance der Freiburger zu Buche. Und so wird aus dem Kampf gegen zähe Paulianer ganz allmählich auch noch einer gegen die Uhr – Kopf und Beine voll gefordert. 70 Minuten um, wo bleibt Vincenzo Grifo? Weiter beim Aufwärmen, dafür trickst sich Weißhaupt in den Fünfmeterraum und provoziert beinahe ein Eigentor der Hamburger.
75 Minuten um. Grifo kommt für Weißhaupt, findet er eine Lücke in der gut gestaffelten Pauli-Abwehr? Vorerst nicht, 80 Minuten vorbei, 85, 86, Kyereh wird gefoult, aber Schiedsrichter Felix Brych gibt den Freistoß nicht. 87, 88, 89, dann fordern die Freiburger Handelfmeter, Brych sagt nein. 90 Minuten um, Brych zeigt an: fünf Minuten gibt‘s obendrauf.
Zwei späte Tore
Geht noch was? Ja, es geht tatsächlich noch was. Die Flanke von Yannik Keitel segelt butterweich in Richtung Matthias Ginter, der schon seit zehn Minuten den Mittelstürmer gibt, und dessen Kopfball sitzt. 1:1 in der dritten Nachspielminute. Der Sport-Club drängt, wieder kommt Ginter zum Köpfen, doch diesmal bringt St. Pauli-Torhüter Vasilj seine Füße an die Kugel. Dann heißt es: Verlängerung!
Die Freiburger wollen alles, nur kein Elfmeterschießen! In der 105. köpft Gregoritsch Günters Eckball ins Tor, aber Brych hatte den Eckball noch nicht freigegeben. Und die Hanseaten wehren sich. Hartel prüft Atubolu, der pariert stark. Noch zwei Minuten, Keitels Schuss lenkt Vasilj übers Tor. Sekunden später ist das Stadion ein Tollhaus. Eckball Grifo, Kopfball Gregoritsch, Tor, 2:1 für den SC Freiburg in der 119. Minute. (dpa)