Emma Hinze setzte sich auf einen Stuhl und staunte über ihre Rekordfahrten. „Ich hatte das nicht erwartet, denn das ist fast eine Sekunde schneller als meine Bestzeit. Es lief einfach irgendwie gut. Es ist auf jeden Fall echt cool“, sagte die Sprint-Weltmeisterin. Im Finale des 500-Meter-Zeitfahrens bei den Bahnrad-Europameisterschaften in München hatte die 24 Jahre alte Cottbuserin am Samstag den Titel gewonnen, dabei den deutschen Rekord auf 32,668 Sekunden gedrückt und fand dies einfach „krass“.
Mit ihrem zweiten Titel nach dem Team-Sprint eröffnete Hinze zugleich den zweiten Gold-Tag für die deutsche Bahnrad-Auswahl. Anschließend bezwang Mieke Kröger aus Bielefeld im Endlauf der 3000-Meter-Einerverfolgung ihre Teamkollegin Lisa Brennauer, mit der sie am Vortag bereits den Sieg mit dem Vierer über 4000 Meter gefeiert hatte. Zudem gelang Nicolas Heinrich aus Chemnitz mit Gold in der 4000-Meter-Einerverfolgung ein Überraschungscoup.

Zum Abschluss des zweiten Entscheidungstags wurde Moritz Malcharek (Berlin) unerwartet Zweiter im Scratch-Rennen über 15 Kilometer. Damit hat der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) auf dem Oval in der Messe München bereits fünf EM-Titel und zweimal Silber gewonnen.
Schwerer Sturz überschattet Wettkämpfe
Während das BDR-Team glanzvolle Erfolge bejubelte, wurde das Ausscheidungsrennen der Frauen von einem dramatisch aussehenden Massensturz überschattet. Dabei erlitt die Italienerin Letizia Paternoster ein Schädel-Hirn-Trauma, einen dreifachen Bruch des rechten Schlüsselbeins und Abschürfungen im Gesicht.
Nach Angaben des italienischen Verbandes soll die 23 Jahre alte Weltmeisterin im Ausscheidungsfahren auch in Absprache mit ihrer Familie und ihrem Team Trek Segafredo in die Heimat zurückgebracht und dort am Schlüsselbein operiert werden.
„Ich versuche zu lächeln und an die großen Ziele zu denken, die ich noch vor mir habe“, schrieb Paternoster am Sonntag bei Instagram neben einem Selfie vom Krankenbett. „Ich komme bald zurück.“ Die anderen vier an der Kollision in einer steilen Kurve beteiligten Fahrerinnen kamen ebenso ohne größere Blessuren davon wie die bei einem vorangegangenen Unfall gestürzten Sportlerinnen.

Einen emotionalen Abschied von der Bahn hatte derweil Lisa Brennauer. Die 34-Jährige beendet nach der EM ihre Karriere, tritt aber in München noch auf der Straße im Zeitfahren und im Einzelrennen an. Mit der Niederlage im Verfolgungsrennen gegen ihre fünf Jahre jüngere Teamkollegin Mieke Kröger blieb der Weltmeisterin ein goldener Abschluss auf dem Holzoval verwehrt. Nachdem beide vom Rad gestiegen waren, umarmten sie sich innig und weinten hemmungslos.
Das sei eine Mischung aus Freude über den überraschenden Erfolg und Wehmut über Lisa Brennauers letztes Bahnrennen gewesen, sagte Mieke Kröger. „So sehr ich die Team-Disziplin mag, einen Einzeltitel zu gewinnen, tut der Seele ganz schön gut“, sagte die neue Europameisterin, „zum einen hat mich das überwältigt, zum anderen natürlich zu wissen, dass das jetzt Lisas Abschiedsgruß war. Da springen die Emotionen dann über.“
Brennauer selbst nahm die Niederlage nicht allzu schwer. „Ich bin wieder ein super Rennen gefahren und kann echt zufrieden sein über diesen wahnsinnstollen Abschluss“, sagte sie. „Wenn mich eine schlagen darf, dann sie natürlich. Ich freue mich auch für Mieke. Sie hat es verdient, sie hatte heute die schnelleren Beine.“ (dpa)