Es rauscht im Telefon, Heike Spannagel prustet kurz auf, es ergibt sich ein kurzer, netter Dialog. „Das müssen Sie nicht mich fragen, sondern die Herren in Mannheim“, sagt die Pressesprecherin des Regierungspräsidiums Freiburg auf die Frage, wie es denn möglich sein kann, dass der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg einen Beschluss fasst zur Nutzung des neuen Freiburger Fußballstadions und dabei als Bemessungsgrundlage offensichtlich eine veraltete Sportanlagenlärmschutzverordnung genommen hat. „Hätten wir gerne, aber da kriegt man niemand an die Strippe.“ Wieder prustet es kurz, „sind wohl auf Tauchstation gegangen“, sagt Heike Spannagel. Vielleicht, Grund genug gibt es wohl, vielleicht auch nicht, vielleicht hatte Matthias Hettich, Richter am und Pressesprecher des VGH, gestern einfach viel zu tun mit Aufgaben jenseits von Lärmschutzverordnung und Fußball.

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Theater am Mittwoch – erster Akt

Kurz zur Erinnerung: Am Mittwochnachmittag hatte der VGH dem Bundesligisten nach Klagen von Anwohnern die Nutzung seiner sich derzeit im Bau befindlichen Fußball-Arena am nördlichen Stadtrand nach 20.00 Uhr sowie an Sonntagen auch zwischen 13.00 und 15.00 Uhr untersagt. Das hätte zur Folge gehabt, dass der Sportclub an vier von sieben derzeit gültigen Bundesliga-Spielterminen passen müsste – ein Verstoß gegen die Statuten der Deutschen Fußball Liga.

Theater am Mittwoch – zweiter Akt

Gut zwei Stunden später aber hatte das Regierungspräsidium Freiburg die Alarmglocken beim Freiburger Bundesligaklub abgestellt, weil der Beschluss des VGH sich an alten, nicht mehr gültigen Lärmschutzwerten orientiert hatte. Vorausgegangen war die Klage von sechs Anwohnern aus dem Stadtteil Brühl, die nach dem Scheitern ihres Anliegens vor dem Verwaltungsgericht Freiburg vor dem VGH in Mannheim Eilrechtsschutz gegen die am 15. November 2018 erteilte Baugenehmigung für das Stadion bekommen wollten. Der 3. Senat des HGV entsprach der Klage, im Hauptverfahren mit aufwändiger Vor-Ort-Recherche sollte die endgültige Entscheidung fallen, wann überhaupt gekickt werden darf in der neuen Freiburger Fußballarena.

Nach Ansicht des Freiburger Baubürgermeisters Martin Haag und der handelnden Personen beim Regierungspräsidium Freiburg ist unstrittig, dass der Sportclub zu allen vorgesehenen Spielzeiten antreten kann. In einer Mitteilung des Regierungspräsidiums heißt es: „Das Regierungspräsidium hält hierzu an seiner rechtlichen Auffassung und getroffenen Entscheidung fest und ist zuversichtlich, dass diese im Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht standhalten wird. Diese Einschätzung beruht insbesondere auf der Tatsache, dass sich aus der Entscheidungsbegründung ergibt, dass der Beschluss auf einer überholten Fassung der 18. Bundesimmissionsschutzverordnung und damit auf veralteten Lärmgrenzwerten beruht. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof zwischenzeitlich selbst eingeräumt. Das Regierungspräsidium wird daher gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof eine Anhörungsrüge erheben und auf eine Änderung des Beschlusses hinwirken.“

Theater am Donnerstag – erster Akt

Auf diese Ankündigung aus Freiburg hat der VGH-Sprecher in einer Mitteilung folgendes erklärt: „Wenn das Regierungspräsidium wie angekündigt Anhörungsrüge einlegt, wird in diesem Verfahren eingehend zu prüfen sein, ob tatsächlich nicht aktuelle Lärmgrenzwerte zugrunde gelegt wurden und – falls ja – ob das Auswirkungen auf die ausgesprochene teilweise Nutzungsuntersagung hat. In einem Anhörungsrügeverfahren haben alle Verfahrensbeteiligte die Möglichkeit, ausführlich Stellung zu nehmen. Im Hinblick auf das mögliche Anhörungsrügeverfahren können weitergehende Aussagen derzeit nicht gemacht werden.“

Theater am Donnerstag – zweiter Akt

Die VGH-Stellungnahme seziert, kann man ihr entnehmen, dass sich die Richter in Mannheim mit einem schnellen „Sorry“ schwertun – und es dann zu einem späteren Zeitpunkt mit salbungsvollen Worten doch tun werden. Denn die Position des Regierungspräsidiums Freiburg ist nicht nur eindeutig, sie stimmt auch. Heike Spannagel hat dem SÜDKURIER auf Anfrage die derzeit gültige Sportanlagenlärmschutzverordnung zukommen lassen und die entscheidendne Punkte gelb angestrichen respektive mit handschriftlicher Zusatzerläuterung versehen. Daraus ergibt sich, dass der VGH – wie in seiner 44-seitigen Erläuterung des Beschlusses nachzulesen – von 50 Dezibel Lärmemission ausgegangen ist. 55 Dezibel aber lautet der tatsächlich erlaubte Wert.

Theater am Donnerstag – dritter Akt

Das Hin und Her rund um das neue Stadion wurde natürlich auch in den sozialen Medien rauf und runter behandelt. Auf der Facebook-Seite des Südkurier gibt es kritische Stimmen Richtung Verwaltungsgerichtshof – Ralf Göhrig: „Schildbürgerrepublik Deutschland“ oder Toby Manger: „Die haben doch nicht mehr alle Knoten im Netz“. Erstaunlich viele SC-Freiburg-Anhänger nehmen es mit Humor. „Und wann bitte spielen wir dann unsere Champions-League-Spiele?“, fragt Micky Millen. Carsten Neugart meint, man könne so „das Flutlicht sparen, dann wird‘s billiger“. Und Sina Torfs hat sich gleich mal als Stadionsprecherin beworben: „Liebe Gäste, es ist 20.00 Uhr, wir müssen aus Lärmschutzgründen nun das Spiel beenden, bitte kommen sie morgen früh um 10.00 Uhr wieder, dann werden wir das Spiel zu Ende spielen. Vielen Dank für Ihr Verständnis“.

Theater am Donnerstag – vierter Akt

Beim SC Freiburg hat man nach der schnellen Intervention der Stadt und des Regierungspräsidiums aufgeatmet. SC-Vorstand Oliver Leki gibt sich optimistisch: „Wir waren sehr überrascht über die Beschlussfassung des Verwaltungsgerichtshofes in Mannheim. Dem Beschluss liegen offensichtlich veraltete Lärmgrenzwerte zu Grunde. Wir begrüßen die heutige Ankündigung des VGH, seinen Beschluss zu prüfen und gehen davon aus, dass es im Ergebnis zu keinen Einschränkungen für den SC Freiburg kommen wird.“