Herr Seidenberg, Sie haben gerade eine lange, von Verletzungen begleitete Karriere beendet. Daher ein eher unkreativer Einstieg ins Gespräch: Wie geht‘s?
Ganz gut, mal abgesehen von den täglichen Wehwehchen am Handgelenk und an der Schulter. Manchmal merke ich es morgens beim Aufstehen, wenn ich in der falschen Position geschlafen habe. Damit kann ich aber locker leben, in den Spielen war es am Ende unangenehm. Daher war es die beste Entscheidung, aufzuhören.
An welche Blessuren können Sie sich noch erinnern?
Oh je (lacht). Knie, Handgelenk, die Bänder in der Schulter waren ab, eine Bandscheiben-OP, Kreuzband und Innenband waren ab, Kiefer gebrochen und dann noch ein Schien- und Wadenbeinbruch, das war meine ekelhafteste Verletzung.
Was war passiert?
Ich habe im Training einen Ausfallschritt gemacht und ein Mitspieler ist mit vollem Gewicht auf mein Bein gefallen, das wie ein Ast entzweigebrochen ist. Seitdem habe ich eine Eisenstange und zwei Schrauben im Schienbein.
Bei unserem Treffen vor vier Jahren in den USA meinten Sie, dass Sie gerne bis 40 spielen würden. Nun ist Schluss im zarten Alter von 38 Jahren. Sind Sie arg traurig darüber?
Habe ich echt 40 gesagt? (lacht) Am Ende war es einfach zu viel für den Körper. Wenn ich in die Zukunft schaue, will ich mich einigermaßen gut fühlen, wenn ich älter werde. Traurig bin ich aber auf keinen Fall. So ist der Sport.
Auf wann würden Sie im Nachhinein Ihr Karriere-Ende datieren? Oktober 2019, als Sie es bekannt gaben, oder April 2018, als Sie Ihr letztes Spiel in der NHL bestritten haben?
Gute Frage. Eigentlich war meine Laufbahn schon letztes Jahr vorbei. Ich habe dann zwar noch ein Jahr trainiert, aber nicht mehr gespielt, obwohl ich mich so gefühlt hatte, als könnte ich noch mithalten. Ich war halt im Kader.

Sie sind fit, werden aber nicht aufgestellt. Wie hat sich das angefühlt? Waren Sie sauer, frustriert?
Am Anfang war das sogar schön. Ich hatte das 16, 17 Jahre nicht mehr gehabt, dass ich im Oktober und November zuhause entspannen konnte. Es war die beste Entscheidung, mehr Zeit mit meinen Kindern zu verbringen, sie in die Schule oder zum Sport zu fahren, zu ihren Konzerten zu gehen. Obwohl ich sogar kurz überlegt habe, ob ich nicht nach Deutschland gehen soll.
Ein gutes Stichwort. Sie leben seit 17 Jahren in den USA. Was würden Sie als Ihre Heimat bezeichnen?
Wenn ich nach Deutschland komme, dann fühle ich mich immer direkt daheim. Ich würde gerne Villingen sagen, aber dazu bin ich einfach schon zu lange weg. Da bin ich aufgewachsen und habe schöne Erinnerungen. Ich lebe aber in den USA, daher ist das jetzt mein Zuhause.
Ihre Frau ist Amerikanerin, Ihre drei Kinder kamen dort auf die Welt. Haben Sie inzwischen auch die amerikanische Staatsbürgerschaft?
Im Moment habe ich nur eine Greencard und habe mich auch noch nicht darüber informiert.
In letzter Zeit ecken Sport und Politik in den USA immer wieder an. Beim Finale der Baseball-Liga wurde Präsident Donald Trump im Stadion ausgepfiffen, die US-Fußballerinnen haben gegen ihn protestiert, im vergangenen Jahr wurden die Football- und Basketball-Meister nicht ins Weiße Haus eingeladen. Wie verfolgen Sie diese Entwicklung?
Ich bin da ganz relaxed. Das ist hier so extrem. Wenn man CNN schaut, glaubt man den einen, wenn Fox läuft, glaubt man den anderen. Mir geht‘s darum, dass die Wirtschaft gut ist. Alles andere betrifft mich nicht persönlich, da halte ich mich raus.
Wären Sie denn nach dem Gewinn des Stanley Cup 2011 ins Weiße Haus gegangen, wenn der Präsident damals schon Trump geheißen hätte?
Auf jeden Fall. Alleine schon, um einmal das Weiße Haus zu sehen. Nur ein Spieler unserer Mannschaft ist damals nicht mit zu Barack Obama gegangen, weil er ein überzeugter Republikaner ist.
>>>Hier geht es weiter zu Teil zwei unseres exklusiven Interviews:
Dennis Seidenberg spricht im zweiten Teil unseres exklusiven Interviews über seine Kindheit, die Höhepunkte seiner Karriere und was er nach dem Gewinn 2011 mit dem Stanley Cup angestellt hat