Zwei Monate hat er geschwiegen. Eisern. Jetzt soll es endlich Klarheit geben, warum die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Russland so kläglich scheiterte. Ein paar Vermutungen hat ja jeder von uns schon für sich gestellt. Bundestrainer Joachim Löw hat länger für seine Analyse gebraucht. Vielleicht sogar zu lange. Özil? DFB? Rassismus? Die Mannschaft?

Antworten wurden immer weiter nach hinten geschoben, schließlich musste auch Joachim Löw erst einmal die unerfreulichen Tage von Russland in Ruhe Revue passieren lassen. Nun aber scheint der oberste Trainer der Nation seine Schlüsse gezogen zu haben, wie Vertreter des Deutschen Fußball Bundes und der Bundesliga bereits erfahren durften. Und heute erhält nun auch die Öffentlichkeit Gewissheit.

Bis hierhin ist alles pure Spekulation. Zuletzt war häufig vom Binnenklima in der Mannschaft zu hören, das so gar nicht mehr gepasst haben soll. Grüppchenbildung, schlechte Stimmung, Spieler mit ausländischen Wurzeln gegen die mit deutschen. Die Mannschaft war vor allem mit sich selbst beschäftigt – so kann wahrlich niemand erfolgreich Fußball spielen. Gerade um solche Probleme zu verhindern, sollte ein Trainer mit seinem großzügig aufgestellten Team präventiv tätig sein.

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Denn kicken, davon ist auszugehen, kann in der deutschen Nationalmannschaft mittlerweile jeder Spieler recht ordentlich. Und auch taktisch sollte keiner überrascht werden. Es waren der Teamgeist und das Einstehen für eine offene Gesellschaft, die das Team zum Liebling der Nation machte und die sicher auch so manchen Spieler beflügelte.

Was also ist von der Analyse zu erwarten? Kann Löw tatsächlich glaubhaft erklären, warum sein Team Gruppenletzter hinter Mexiko, Schweden und sogar Südkorea wurde? Schlecht verteidigt, schlecht angegriffen – Fußball kann einfach sein. Für diese Erkenntnis aber hätte Löw weder viel Zeit noch viel Aufwand gebraucht. Die Zeit hatte er sich wohl eher genommen, um die Gemüter abkühlen zu lassen. In der ersten Erregung wären vielleicht andere Entscheidungen getroffen worden. So aber hat Löw bereits Gewissheit, dass er weitermachen darf.

Es passt zur Öffentlichkeitsarbeit, dass Löws Analyse im großen Rahmen präsentiert wird. Bei einer Pressekonferenz in München. Alles rund um „Die Mannschaft“ muss gigantisch sein. Wenn es die Leistungen doch auch gewesen wären. Löw ist von einem großen Team an Experten umgeben. Assistenten, Scouts, Mediziner und Marketingleute. Neben dem Mannschaftsbus bräuchte es fast noch einen zweiten Bus, um all die Herrschaften ins Stadion zu bringen. Und vielleicht sogar einen dritten für all die großen Egos. Das mag professionell sein und in der heutigen Zeit nötig. Genauso nötig wäre es aber, dass der Verband professionell aufgestellt ist.

Dort herrschen aber – wie vor allem von Bayern München kritisiert wird – nach wie vor Amateure. Reinhard Grindel, gelernter Journalist und Ex-Politiker, ist von den Amateurvereinen als DFB-Präsident vorgeschlagen worden. Er ist kein Mann des Profifußballs. Dabei ist der DFB mitsamt der Nationalmannschaft längst ein Wirtschaftsunternehmen, das auch so geführt werden muss. Doch Löw und Co. konnten in der Vorbereitung und während der WM beinahe ohne sachkundige Kontrolle agieren. Das Ergebnis ist bekannt. Und vor allem im Fall Mesut Özil haben alle DFB-Vertreter versagt.

Löw wird sich heute wohl auf die sportlichen Probleme beschränken. Er wird davon reden, dass er wieder eigenverantwortliche Spieler braucht und Ausbildungsmodelle, die die sogenannten Problempositionen und die individuelle Entwicklung in den Fokus rücken. Er wird die Jugendleistungszentren der Vereine in die Pflicht nehmen. Vielleicht werden mit Assistent Thomas Schneider und Scout Urs Siegenthaler zwei Bauernopfer präsentiert. Dann aber wird es weitergehen. Wer auf den großen Umbruch wartet, dürfte enttäuscht werden. Eine Revolution sollte niemand erwarten.

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