Nach fünfeinhalb Stunden Berliner Vorstellungsmarathon verschlug es dem zum großen DFB-Reformer auserkorenen Fritz Keller die Sprache. Lobesbekundungen von Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge bis DFL-Chef Christian Seifert prasselten auf den nun offiziell zum DFB-Präsidentschaftskandidaten ernannten Clubchef des SC Freiburg. „Nach der Rede von Reinhard Rauball traue ich mich gar nichts mehr zu sagen“, konstatierte der 62-Jährige, als ihn der scheidende Ligapräsident für seine Bewerbungsreden vor Amateur- und Profifunktionären gepriesen hatte.

Rauball lobt Keller in höchsten Tönen

„Er hat heute ganz genau den Nerv getroffen. Er ist fachlich und charakterlich überzeugend“, sagte Rauball über Keller, der dann doch rechtzeitig die Worte wiederfand. Als kritischer Moderator will der Boss des SC Freiburg nach seiner nun praktisch sicheren Wahl zum 13. Präsidenten des DFB am 27. September den seit Jahren um Orientierung ringenden Verband aus der größten Krise seiner Geschichte führen.

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Von Grüß-August kann dabei keine Rede sein. „Zuerst kommt eine Analyse, dann kommt eine konkrete Vorstellung“, kündigte er an, sich ohne jede zeitliche Vorgabe zunächst in allen Bereichen des DFB genau die Abläufe anzuschauen – bis hin zur Nationalmannschaft. Erst wenn Keller die Tagesarbeit beim DFB geordnet hat, will er sich aus dem operativen Geschäft wieder zurückziehen und im Stile eines Aufsichtsrats die Abläufe kontrollieren. Dass ihm durch die Strukturreform die bisher gültige Richtlinienkompetenz des DFB-Chefs nicht mehr zugebilligt wird, stört ihn nicht. „Ich sehe mich als Teamplayer. Eine One-Man-Show wird es nicht geben“, versprach er.

Mit dem Programm im Rucksack

Mit seinem Wahlkampfprogramm in einem Rucksack über der Schulter war er am Vormittag zur Sitzung der Amateurverbände geschritten und hatte auch die als kritisch geltenden Delegierten überzeugt. „Er hat einen sehr guten Eindruck hinterlassen“, sagte Bernd Schultz, der Präsident des Berliner Fußball-Verbandes im Anschluss an die mehrstündige Sitzung. „Es gab viele Fragen“, äußerte Erwin Bugar, der Präsident des Nordostdeutschen Fußball-Verbandes.

Keine Zustimmung aus Sachsen

Aber Keller habe den Eindruck vermittelt, „dass er die anstehenden Aufgaben bewältigen wird“. Nur der Sächsische Verband verweigerte ihm vorerst die Zustimmung – offiziell, weil dessen Präsident Hermann Winkler im Urlaub weilt. Gepunktet haben dürfte Keller bei den Amateuren mit seinem Programm für den Verein als Kernzelle des Fußballs. Diese seien für ihn eine „heilige Kuh“ und in der deutschen Geschichte „die ersten Orte der Demokratie“.

Rauball verabschiedet

Ganze 20 Minuten brauchte Keller bei den Vertretern der 36 Profi-Clubs, um sein Programm vorzustellen. Die Deutsche Fußball Liga, die am Mittwoch die eigene Strukturreform absegnete und ihren Präsidenten Rauball verabschiedete, ließ über Seifert, den neuen Sprecher des Präsidiums, ausrichten: „Die DFL steht voll und ganz hinter Fritz Keller und seinem Programm. Er lebt für den Fußball und ist eine außergewöhnliche Persönlichkeit, die für Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit steht.“

Rainer Koch strebt Ämter bei Fifa und Uefa an

Eine erste Sach- und Personalentscheidung traf Keller schon. DFB-Vize Rainer Koch wird für den DFB die Ämter bei FIFA und UEFA anstreben. Er selbst wolle auch Zeit haben, bei einem Oberliga-Spiel „eine Wurst zu essen und eine Schorle zu trinken“. Internationale Aufgaben könnten ihn für die Arbeit an der Basis zu viel Zeit rauben. „Er verkörpert Bodenständigkeit, Integrität, Glaubwürdigkeit“, pries ihn Koch.

SC Freiburg im DFL-Präsidium dabei

Das Kernthema des Tages hatte Keller schnell erkannt. Die „Einheit des deutschen Fußballs“ wolle er sichern, also den Dauerkonflikt zwischen Profis und Amateuren befrieden. Für die nächste Verhandlungsrunde machte er schon klar, dass er wisse, welchen „Hut ich aufhabe“. Profi-Mann Seifert wird sich auf harte Verhandlungen einrichten können und sich künftig noch mehr um den Interessensausgleich zwischen den finanzstarken Branchenführern FC Bayern sowie den nicht mehr im DFL-Präsidium vertretenen Dortmundern und den kleineren Clubs kümmern müssen. Bei der Wahl zum DFL-Präsidium setzten sich überwiegend Kandidaten aus dem Mittelbau des Profifußballs durch. Auch Oliver Leki vom SC Freiburg wird künftig vertreten sein. (dpa)