Der seit Jahren mit dem Tode bedrohte Schriftsteller Salman Rushdie ist am Freitag auf der Bühne einer Kulturveranstaltung im US-Bundesstaat New York attackiert worden. Rushdie sei in den Hals gestochen worden, teilte die Polizei des Bundesstaats mit. Einer Mitteilung von Rushdies Agenten Andrew Wylie im Kurzbotschaftendienst Twitter zufolge wurde Rushdie inzwischen im Krankenhaus operiert.
Der britisch-indische Autor war Polizeiangaben zufolge nach dem Angriff per Hubschrauber in eine nahe dem Ort des Angriffs gelegene Klinik transportiert worden. Über seinen Zustand sei „noch nichts Näheres bekannt“, hieß es weiter. Außer Rushdie wurde auch der Mann verletzt, der ihn interviewen sollte. Er wurde der Polizei zufolge „leicht“ am Kopf verletzt.
Der mutmaßliche Angreifer wurde Polizeiangaben zufolge sofort festgenommen worden und befinde sich nun in Polizeigewahrsam.
Fatwa wegen „Die satanischen Verse“
Wegen Rushdies Werks „Die satanischen Verse“ („Satanic Verses“) aus dem Jahr 1988 hatte der damalige iranische Revolutionsführer Ajatollah Khomeini eine Fatwa veröffentlicht, die zur Tötung des Autors aufforderte. Einige Muslime fühlten sich durch das Werk in ihrem religiösen Empfinden verletzt.
Der Täter sei nach dem Angriff am Freitag noch in der Halle festgenommen worden, hieß es von der Polizei. Die „New York Times“ zitierte eine Zeugin: „Es gab nur einen Angreifer. Er war schwarz gekleidet. Er hatte ein loses schwarzes Kleidungsstück an. Er rannte blitzschnell auf ihn zu.“
Ein Reporter der US-Nachrichtenagentur Associated Press berichtete, der Angreifer habe 10 bis 15 mal auf Rushdie eingeschlagen oder gestochen. Der ebenfalls angegriffene Interviewer hat nach Polizeiangaben eine Kopfverletzung.
Zu den Hintergründen des Angriffs gab es zunächst keine Details. Ob dieser im Zusammenhang mit der jahrzehntealten Fatwa steht, blieb zunächst offen.
Tat löst weltweit Entsetzen aus
Das islamische Rechtsgutachten des Ajatollahs rief damals nicht nur zur Tötung Rushdies auf, sondern auch all derer, die an der Verbreitung des Buches beteiligt waren. Ein japanischer Übersetzer wurde später tatsächlich getötet. Rushdie musste untertauchen, erhielt Polizeischutz.
Nach Angaben seines Verlags aus dem vergangenen Jahr hätte die Fatwa für Rushdie inzwischen aber längst keine Bedeutung mehr. Er sei nicht mehr eingeschränkt in seiner Bewegungsfreiheit und brauche auch keine Bodyguards mehr. Die Jahre des Versteckens gingen jedoch nicht spurlos an ihm vorüber. Er verarbeitete diese Zeit in der nach seinem Aliasnamen benannten Autobiografie „Joseph Anton“ aus dem Jahr 2012.
Die Tat löste weltweit Entsetzen aus. Die New Yorker Gouverneurin Hochul bezeichnete den Angriff auf Rushdie als „schreckliches Ereignis“ und schrieb auf Twitter: „Unsere Gedanken sind nach diesem schrecklichen Ereignis bei Salman und seinen Lieben.“ Auch die britische Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling drückte ihre Bestürzung aus und schrieb, sie hoffe, es gehe Rushdie gut.
Durchbruch mit „Mitternachtskinder“
Geboren wurde der Autor im Jahr der indischen Unabhängigkeit 1947 in der Metropole Mumbai (damals Bombay). Er studierte später Geschichte am King‘s College in Cambridge. Seinen Durchbruch als Autor hatte er mit dem Buch „Mitternachtskinder“ („Midnight‘s Children“), das 1981 mit dem renommierten Booker Prize ausgezeichnet wurde. Er erzählt darin die Geschichte von der Loslösung Indiens vom Britischen Empire anhand der Lebensgeschichte von Protagonisten, die genau zur Stunde der Unabhängigkeit geboren werden und mit übernatürlichen Fähigkeiten ausgestattet sind.
Insgesamt veröffentlichte Rushdie mehr als zwei Dutzend Romane, Sachbücher und andere Schriften. Rushdies Stil wird als Magischer Realismus bezeichnet, in dem sich realistische mit fantastischen Ereignissen verweben. Dennoch sieht er sich unbedingt der Wahrheit verpflichtet.
Diese sieht er zunehmend in Gefahr, was auch im Zentrum seiner jüngsten Veröffentlichung von Essays steht, die in Deutschland unter dem Titel „Sprachen der Wahrheit“ herauskamen. Der seit vielen Jahren in New York lebende Schriftsteller stemmt sich darin gegen Trumpisten und Corona-Leugner. „Die Wahrheit ist ein Kampf, das ist keine Frage. Und vielleicht noch nie so sehr wie jetzt“, sagte er in einem Interview des US-Senders PBS im vergangenen Jahr.
(dpa/AFP)