Der russische Präsident Wladimir Putin hat eine „Teilmobilmachung“ der Russen im wehrfähigen Alter angekündigt. Er unterstütze den Vorschlag des Verteidigungsministeriums, Reservisten, die bereits gedient hätten und über „einschlägige Erfahrungen verfügen, zu mobilisieren“, sagte Putin in einer aufgezeichneten Fernsehansprache am Mittwoch.
Ein entsprechender Erlass sei bereits unterzeichnet worden und trete noch am Mittwoch in Kraft. Nach Angaben von Verteidigungsminister Sergej Schoigu sollen 300.000 Reservisten mobilisiert werden.
Scharfe Kritik der Bundesregierung in Berlin
Die Bundesregierung hat Russlands Teilmobilmachung im Krieg gegen die Ukraine scharf kritisiert. Die Entscheidung von Kreml-Chef Wladimir Putin, 300.000 Reservisten zu mobilisieren, sei „eine weitere Eskalation dieses völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen die Ukraine“, sagte Vize-Kanzler Robert Habeck in Berlin.
Dies sei ein „schlimmer und falscher Schritt aus Russland“, über dessen Folgen die Bundesregierung beraten werde. Der Bundeswirtschaftsminister fügte hinzu, für ihn sei „klar, dass wir die Ukraine weiter vollumfänglich unterstützen werden“.
SPD sieht Putins Teilmobilmachung als „Zeichen der Schwäche“
Die SPD im Bundestag bewertet die Teilmobilmachung in Russland als „Zeichen der Schwäche“. „Aber es ist auch eine neue Eskalation“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin Katja Mast am Mittwoch in Berlin weiter.
Mast sagte, die Teilmobilmachung zeige, dass Putin gewillt sei, auch weitere Schritte zu gehen. Deshalb müsse die Unterstützung der Ukraine ohne Nachlassen weitergehen.
Putin greift den Westen in seiner Rede an
Mit der Ankündigung ebnet der Kremlchef den Weg für eine weitere Eskalation des Konflikts in der Ukraine. Russland werde alle „verfügbaren Mittel“ einsetzen, um sein Territorium zu schützen, sagte Putin in seiner Ansprache an die Nation. „Das ist kein Bluff“. „Diejenigen, die versuchen, uns mit Atomwaffen zu erpressen, sollten wissen, dass sich der Wind auch in ihre Richtung drehen kann“.
Angesichts der Erfolge bei der ukrainischen Gegenoffensive hatten am Vortag die von Moskau eingesetzten Behörden in den ostukrainischen Separatistengebieten sowie in den besetzten Gebieten in der Südukraine kurzfristige „Referenden“ über einen Anschluss an Russland angekündigt.
Potenziell 25 Millionen Russen in der Hinterhand?
In seiner Ansprache an die Nation griff Putin auch den Westen scharf an, der mit Sanktionen auf die russische Invasion der Ukraine reagierte und Kiew finanziell und militärisch unterstützt. Er warf dem Westen vor, Russland „schwächen, spalten und zerstören“ zu wollen.
Die 300.000 Reservisten, die mobilisiert werden sollen, sind nach den Worten von Verteidigungsminister Schoigu nur ein Bruchteil der zur Verfügung stehenden Kräfte. Insgesamt könnten potenziell 25 Millionen Russen mobilisiert werden, sagte Schoigu in einem Interview mit dem Staatssender „Russland 24“. Zuvor hatte es Gerüchte über eine bevorstehende Generalmobilmachung gegeben.
Die Reservisten sollen demnach die Gebiete entlang und hinter der „über 1000 Kilometer langen Frontlinie im Süden und Osten der Ukraine sichern. Laut Schoigu wurden seit Beginn der russischen Offensive am 24. Februar 5937 Soldaten getötet – eine Zahl, die weit unter den ukrainischen und westlichen Schätzungen liegt. Er fügte hinzu, dass sein Land “nicht so sehr gegen die Ukraine, sondern gegen den Westen„ kämpfe.
Kiew reagiert mit Spott auf Moskaus Teilmobilmachung
Kiew hat mit Spott auf die von Russlands Präsident Wladimir Putin angeordnete Teilmobilmachung reagiert. Der externe Berater des ukrainischen Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, fragte am Mittwoch auf Twitter: „Läuft immer noch alles nach Plan oder doch nicht?“
Der für „drei Tage“ geplante Krieg dauere bereits 210 Tage. Die Russen, die eine Vernichtung der Ukraine forderten, hätten nun unter anderem die Mobilmachung, geschlossene Grenzen, blockierte Konten und Gefängnisstrafen für Deserteure erhalten. „Das Leben hat einen wunderbaren Sinn für Humor“, schloss Podoljak.
Sein Kollege Olexij Arestowytsch interpretierte den Schritt des Kremls dahingehend, dass die hohen Verluste Russland zu dieser Maßnahme zwingen. „Es sind mehr als 100.000 an Getöteten und Verwundeten, eher knapp 150.000“, schrieb Arestowytsch. Dabei seien bereits jetzt die nächsten 150.000 mental abgeschrieben.
„Wie gut es doch ist, Russe unter Putin zu sein“, schrieb er ironisch. Moskau hatte am Mittwoch von 5937 toten eigenen Militärangehörigen seit Kriegsbeginn gesprochen. Auch unabhängige Beobachter halten die realen Verluste aber für ein Vielfaches höher als genannt.
(AFP)