Wer sich von der Bundespolizei anlasslos kontrolliert fühlt, soll dafür von den Beamten künftig eine sogenannte Kontrollquittung verlangen können. Darauf hat sich die Ampel-Koalition verständigt. Eine solche Quittung würde etwa Zeit, Ort und Grund der Überprüfung festhalten. Das Gesetzesvorhaben dürfte vor allem die Arbeit der Bundespolizisten in der Grenzregion betreffen, die nach unerlaubt Einreisenden fahnden.
In der Vereinbarung der Fachleute von FDP, SPD und Grünen heißt es zu Kontrollen mit dem Ziel der Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreisen, jede Person könne kurzzeitig angehalten und befragt werden. Eine Auswahl der betroffenen Person „anhand gruppenbezogener Merkmale“ ohne sachlichen, durch den Zweck der Maßnahme gerechtfertigten Grund sei aber unzulässig.
Der Umgang mit Racial Profiling ist schwierig für die Polizei
Von Racial Profiling spricht man, wenn Menschen allein aufgrund ihres physischen Erscheinungsbildes oder ethnischer Merkmale von der Polizei kontrolliert werden.
Auch mit dem neuen Gesetz können Polizisten Menschen überprüfen, die ihr auf Basis von Erfahrungen oder wegen aktueller Ereignisse verdächtig erscheinen – da lassen sich kaum Grenzen ziehen. Der Umgang mit Racial Profiling ist schwierig für die Polizei.
Stephan Nagler, damaliger Chef der Konstanzer Bundespolizeiinspektion, sagte dem SÜDKURIER im Februar, eine Person nur wegen ihrer Hautfarbe zu kontrollieren, sei „natürlich ein gewisses Maß an Rassismus“. Eine solche Kontrolle sei aber ohnehin nicht statthaft und wäre grundgesetzwidrig.
Die Bundespolizei erstellt Lagebilder, die dann anhand verschiedener Merkmale Kontrollen rechtfertigen können. Nagler: „Wenn unser Lagebild zeigt, dass hier vermehrt Menschen aus Syrien, Afghanistan und Nordafrika einreisen, konzentrieren wir uns natürlich auf Menschen, die so aussehen wie die meisten Menschen, die von da kommen.“ Gleichzeitig würden aber immer auch andere Hinweise – wie etwa die Menge des Gepäcks – eingepreist.
In Bremen erstellt die Polizei schon Kontrollquittungen
Die Antirassismus-Beauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), hatte im Februar gesagt, sie halte die in Bremen an einigen Orten bereits geltende Vorschrift zu Kontrollquittungen für sinnvoll. Sie sagte damals: „Racial Profiling ist verboten, das gibt unser Grundgesetz vor: Jeder Mensch ist gleich zu behandeln.“ Aus Studien und Berichten von Betroffenen sei aber bekannt, „dass viele Menschen trotzdem Racial Profiling erfahren“.
In Bremen ist die entsprechende Regelung Ende des Jahres 2021 eingeführt worden, inzwischen werden die Quittungen dort über eine App erstellt und ausgedruckt. Allerdings wird das Angebot dort bislang nur wenig genutzt: Im gesamten Jahr 2022 wurden 36 Quittungen erstellt, wie die Bremer Polizei dem SÜDKURIER bestätigte.
Der nun bekanntgewordene Entwurf des Bundesinnenministeriums für eine Reform des Bundespolizeigesetzes könnte nach der Einigung bald vom Kabinett beschlossen werden.
Darüber, dass eine Reform des Bundespolizeigesetzes dringend notwendig ist, herrscht nicht nur in der Ampel-Koalition Einigkeit. Auch die Union hält dies für lange überfällig.
Der nun gefundene Kompromiss erlaube es der Bundespolizei, ihre Aufgaben weiterhin im vollen Umfang wahrzunehmen, sagte Andreas Roßkopf von der Gewerkschaft der Polizei. Die Kontrollquittung halte er aber für überflüssig, da Racial Profiling ohnehin verboten sei. Das Ausstellen der Quittung bedeute einen „ganz erheblichen Verwaltungsaufwand“, so Roßkopf.
Offene Fragen zu dem Entwurf
Kritik kommt auch von der Opposition: Der für Fragen der Bundespolizei zuständige CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Brand kritisierte den Entwurf als „typisch linken Generalverdacht gegen diejenigen, die unsere Freiheit und Sicherheit schützen“.
Aus der Praxis gibt es zu dem Vorstoß bislang wenig zu hören. Ein weiterer Kritikpunkt daran ist, dass der wahre Grund einer Kontrolle auch mit Quittung nicht überprüft werden kann.
Eine offene Frage ist zudem, wie mit Sprachbarrieren umgegangen werden soll: Die Beamten sollen die Quittung den Kontrollierten aktiv anbieten. Wenn diese kein Deutsch oder Englisch sprechen, könnte das schwierig werden. Auf eine entsprechende Nachfrage hatte das verantwortliche Bundesinnenministerium am Donnerstag noch keine Antwort.