Auf der rechten Seite ragt das Matterhorn in den kalten Himmel. Links liegt das Breithorn. Die Gondel stoppt abrupt und der Blick gleitet über die gefrorene Welt rund um die Bergriesen des Schweizer Kantons Wallis. Die Kabine zuckelt wieder an und erreicht die höchste Bergbahnstation Europas in 3883 Meter Höhe. Hier auf dem Klein Matterhorn bietet sich dem Besucher eine noch grandiosere Aussicht, 38 Gipfel der Alpen präsentieren sich in ihrer überragenden Schönheit. Und wer richtig in die eisige Pracht eintauchen will, muss in den Gletscherpalast. Gut 15 Meter unter der Oberfläche des Theodulgletschers eröffnet sich ein funkelndes Labyrinth mit Skulpturen und Rutschen bei konstant minus vier Grad Celsius. Das „Matterhorn Glacier Paradise“ ist nur einer der vielen Trümpfe der erfolgsverwöhnten Tourismusbranche in Zermatt.

Nicht alle Areale wie hier in Zermatt sind für Skifahrer zugänglich.
Nicht alle Areale wie hier in Zermatt sind für Skifahrer zugänglich. | Bild: Fabrice Coffrini/AFP

Doch im Corona-Winter 2020 auf 2021 lassen sich weniger Reisende in das „Matterhorn Glacier Paradise“ locken als in früheren Saisons, auf den Pisten rund um Zermatt flitzen weniger Skifahrer. Auch die Zermatter Hotels kassieren Absagen der verunsicherten Kundschaft – und warten oft vergeblich auf neue Reservierungen. In einem normalen Jahr zählt Zermatt rund zwei Millionen Logiernächte, damit rangiert das Walliser Städtchen weit oben auf der Liste der beliebtesten Bergorte Europas.

Ein Drittel weniger Umsatz

„Im Jahr 2020 haben die Hotels in Zermatt ein Drittel weniger Umsatz gehabt als 2019“, erläutert Mario Noti, Präsident des Hotelier Vereins Zermatt. Der Direktor des noblen „Bellerive“ sitzt im Wintergarten seines Hotels und nippt an einem Cappuccino. „Dieser Winter ist zum Überleben, nicht zum Glänzen“, sagt Noti und schaut auf den Weg vor seinem Hotel. Dort stapfen warm eingepackte Skifreunde in Richtung Bergbahnstation, in den Straßen des autofreien Zermatts hallen die schweren Schritte nach.

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Eigentlich kann sich die Tourismusbranche in Zermatt noch glücklich schätzen. Denn die Nobeldestination gehört zu den Skigebieten in der Schweiz und in ganz Europa, die trotz Corona-Pandemie offenbleiben durften. Wer sich die gesalzenen Preise leisten kann, wer dem Wintersport frönen will und auch eine Prise Abgehobenheit genießen mag, kommt in Zermatt, dem „Home of Winter“, auf seine Kosten. Auch Zermatt-Liebhaber aus Deutschland sind willkommen – sie müssen jedoch nach der Rückkehr in die Heimat in Quarantäne. Gegen Covid-19 soll die Zermatt-Besucher ein ausgeklügeltes Konzept schützen: Maskenpflicht, Abstand halten, die Kapazitäten in den Bahnen wurden beschränkt.

Das Ausland schüttelt den Kopf

Doch die Entscheidung der Walliser Regierung, keine Corona-Pause in den Bergen einzulegen, stößt im Ausland, in der Schweiz und selbst im Kanton auf Kritik. Der Generaldirektor des Spitals Wallis, Eric Bonvin, fürchtet laut „Tamedia“ eine Überlastung der medizinischen Einrichtungen. Denn die Ärzte und Pfleger müssen neben den Corona-Patienten jetzt auch noch verunglückte Skifahrer behandeln. Trotz der Warnungen lässt die Regierung des Wallis die Skigebiete offen. „Was richtig und was falsch ist, wird sich zu einem späteren Zeitpunkt zeigen“, sagte Gesundheitsministerin Esther Waeber-Kalbermatten dem „Walliser Boten“. Die Wirtschaft dürfe nicht abgewürgt werden.

Ein Polizist kontrolliert Skifahrer im Wallis auf das Tragen von Masken.
Ein Polizist kontrolliert Skifahrer im Wallis auf das Tragen von Masken. | Bild: Jean-Christophe Bott/dpa

Tatsächlich wandeln das Fremdenverkehrsgewerbe und die Gäste im Wallis auf einem schmalen Grat, auf dem oft der Absturz droht. Das wird besonders in den engen Gassen von Zermatt deutlich. Zwar verweisen Schilder auf die Maskenpflicht. Viele Menschen halten sich aber nicht daran, zumal abends schlendern Passanten ohne bedecktes Gesicht an den Nobelboutiquen und Edelherbergen vorbei. Auch nehmen Urlauber und Einheimische das Abstandsgebot nicht immer allzu genau, zumal während feucht-fröhlicher Après-Ski-Partys.

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Die Polizei ließ sich in Zermatts Gehwegen bis vor Weihnachten kaum blicken, um die Gebote und Verbote zu überwachen. Deshalb gehen freiwillige „Covid-Angels“ auf Streife. Sie sollen Menschen ohne Maske freundlich, aber bestimmt sagen, dass sie Schutz tragen müssen. Auch die Betreiber der Bahnen scheinen der Lage nicht immer gewachsen zu sein. So verriegelte an einem Tag vor Weihnachten die Matterhorn Gotthard Bahn Waggons ihres Personenzuges von Täsch nach Zermatt. Die Passagiere drängten sich auf engem Raum in der Mitte des Zuges, der eine Hauptverbindung ist.

Teil-Lockdown ist „schwerer Schlag“ für die Gastro-Branche

Kurz vor Silvester verschärfte die Kantonsregierung noch einmal die Maßnahmen gegen Covid-19, um die weitere Ausbreitung des Erregers zu stoppen. Restaurants und Bars müssen vom 26. Dezember 2020 abends bis zum 22. Januar 2021 schließen – zur Infektionsvermeidung. Gaststätten, die an Hotels angeschlossen sind, können jedoch weiter ihre Kunden bewirten. Und Take-away bleibt auch erlaubt.

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Dennoch, der Teillockdown in den Restaurationsbetrieben, bedeutet einen „schweren Schlag“ für die Gastro-Branche, wie Hotelier Noti erläutert. „Die Auswirkung ist auch für den Ort frappant, da dies das Verpflegungsangebot für unsere Gäste doch massiv einschränkt.“

Wird das Skigebiet im Januar ganz geschlossen?

Zudem dürfte das temporäre Aus für die Gaststuben etliche Touristen ganz von einem Trip nach Zermatt abschrecken. „Wenn die Leute in den Zermatter Restaurants nicht essen können, dann überlegen sie sehr genau, ob sie überhaupt kommen“, erläutert Beat Wälti, der Geschäftsführer des Wintersportanbieters Zermatters. Unternehmer Wälti selbst muss in diesem Jahr ein Umsatz-Minus von über mehr als 50 Prozent verkraften. Im schlimmsten Fall, das wissen alle in der Tourismus-Branche von Zermatt, könnte die Pause für die Restaurants den totalen Lockdown für das gesamte Skigebiet einläuten. „Ich sorge mich sehr“, erzählt die Eigentümerin eines kleinen Hotels im Zentrum des Orts. „Meine Prognose: Im Januar wird die Regierung das Gebiet hier dichtmachen.“

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