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Die Hälfte der für die Studie mit dem Titel "Die enthemmte Mitte" Befragten (50 Prozent) gab an, sich angesichts vieler Muslime manchmal wie ein Fremder im eigenen Land zu fühlen. Im Jahr 2014 hatten dies 43 Prozent angegeben. Knapp die Hälfte (49,6 Prozent) stimmte zudem zu, dass Sinti und Roma aus den Innenstädten verbannt werden sollten. Als "ekelhaft" empfanden es 40,1 Prozent der Befragten, wenn Homosexuelle sich in der Öffentlichkeit küssen. Im Jahr 2011 lag der Anteil bei 25,3 Prozent.

Eine deutliche Mehrheit der Deutschen lehnt laut der Studie rechtsextremes Denken und auch Gewalt ab. Im Vergleich zur Studie vor zwei Jahren befürworteten rechtsextrem eingestellte Gruppen aber "stärker Gewalt als Mittel der Interessendurchsetzung", erklärte Studienautor Oliver Decker.

Zudem habe bei diesen Gruppen das Vertrauen in gesellschaftspolitische Einrichtungen wie Polizei oder Parteien deutlich nachgelassen. "Sie fühlen sich vom politischen System nicht repräsentiert", erklärte Decker.

Als ausländerfeindlich gelten laut der Studie im Osten 22,7 Prozent der Befragten, im Westen 19,8 Prozent. Größere Unterschiede gibt es dagegen bei jüngeren Menschen: In der Gruppe der 14- bis 30-Jährigen sind im Osten 23,7 Prozent ausländerfeindlich, im Westen dagegen nur 13,7 Prozent.

AfD-Wähler vertreten zu einem besonders großen Teil radikale Positionen.
Der Aussage "Durch die vielen Muslime hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land" stimmen 85,9 Prozent der AfD-Anhänger zu. 89 Prozent von ihnen meinen, dass Sinti und Roma zur Kriminalität neigten.

Als in einem "gefährlichen Maß überfremdet" empfinden 71,7 Prozent der AfD-Anhänger Deutschland. "Die meisten AfD-Wähler teilen eine menschenfeindliche Einstellung", erklärte Studienautor Elmar Brähler.

Für die Studie befragten Wissenschaftler der Universität Leipzig 2420 Menschen. Unterstützt wurde die Untersuchung von der Heinrich-Böll-, der Otto-Brenner- und der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Die "Mitte"-Studie erscheint alle zwei Jahre.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sprach von "erschreckenden Befunden". Der geschlossen rechtsextreme Kern wachse zwar nicht, radikalisiere sich aber und bekenne sich offen zur Gewalt, erklärte Hofreiter. Zugleich reichten "menschenfeindliche Einstellungen immer tiefer in die Mitte unserer Gesellschaft hinein".

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) forderte derweil unabhängig von der Studie mehr politischen Streit. "Große Koalitionen neigen zu einer Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners", schrieb Maas in einem Beitrag für die Wochenzeitung "Die Zeit". Davon profitierten Rechtspopulisten und Wutbürger.

"Wenn wir nicht wollen, dass die Populisten die Agenda bestimmen, müssen alle anderen endlich wieder mutiger streiten und handeln", forderte der Minister.
"Wir brauchen Politisierung statt Polarisierung."
 

Die „Mitte“-Studie der Uni Leipzig - zentrale Ergebnisse



Ob es um Muslime, Asylbewerber oder Homosexuelle geht - die Gesellschaft in Deutschland zeigt sich immer weniger tolerant. Zentrale Ergebnisse der Studie der Uni Leipzig:

ISLAM
- „Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden.“ (Zustimmung 41,4 Prozent im Frühjahr 2016.)
- „Durch die vielen Muslime hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land.“ (50,0)

SINTI UND ROMA
- „Ich hätte Probleme damit, wenn sich Sinti und Roma in meiner Gegend aufhalten.“ (57,8)
- „Sinti und Roma sollten aus den Innenstädten verbannt werden.“ (49,6)
- „Sinti und Roma neigen zur Kriminalität.“ (58,5)

ASYLBEWERBER
- „Bei der Prüfung von Asylanträgen sollte der Staat nicht großzügig sein.“ (80,9)
- „Die meisten Asylbewerber befürchten nicht wirklich, in ihrem Heimatland verfolgt zu werden.“ (59,9)

HOMOSEXUELLE
- „Es ist ekelhaft, wenn Homosexuelle sich in der Öffentlichkeit küssen.“ (40,1)
- „Homosexualität ist unmoralisch.“ (24,8)
- „Ehen zwischen zwei Frauen bzw.
zwischen zwei Männern sollten nicht erlaubt sein.“ (36,2)

RECHTSEXTREMISMUS
- „Was Deutschland jetzt braucht, ist eine einzige starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert.“ (21,9)
- „Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen.“ (32,1)
- „Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken.“ (26,1)

Die gesamte Studie und weitere Beiträge finden Sie bei der Heinrich Böll-Stiftung unter www.boell.de. Die Studie als pdf finden Sie direkt unter diesem Link: https://www.boell.de/sites/default/files/2016-06-mitte_studie_uni_leipzig.pdf