Ein Gespenst geht um in Deutschland – die Gendersprache. Das Gespenst zwingt öffentliche Sprecher und Schreiber zu größten Verrenkungen. Keine Rede kommt heute ohne das "liebe Bürgerinnen und Bürger" aus. Dabei sind aufgeblähte Anreden dem Sprachgefühl der Mehrheit zuwider. Eine aktuelle Umfrage ergibt: Die meisten Deutschen wollen weder so sprechen noch so angesprochen werden.

Das verwundert nicht. Viele Beispiele aus der Gender-Kiste sind abschreckend. Da suchen städtische Betriebe neuerdings "eine/n Mülllader*in". Trotz angestrengter sprachlicher Korrektheit meldet sich auch dieses Mal keine Frau für diesen Job. "Lehrerinnen und Lehrer" unterrichten "Schülerinnen und Schüler", wobei noch nicht geklärt ist, wie das Dritte Geschlecht eines Tages tituliert wird.

Andere Spitzfindigkeiten harren noch der Lösung: Kann ein Bürgermeister noch sein Amt ausüben, wo er auch von Frauen gewählt wird? Wäre er als "Bürger*innenmeister" vielleicht geeigneter? Und wann kommt der Führerinnenschein?

Die Beispiele wirken nur satirisch, sind es aber nicht. Die radikalen Sprachreformerinnen meinen es sehr ernst. Die gendergerechte Sprache zielt auf die radikale Gleichstellung von Frau und Mann in der Grammatik. Das Problem: Die Mehrheit, die da schweigt, will das nicht. Es ist ein mächtiges akademisches Häuflein, das Millionen von Sprachnutzern mit inflationären Doppelungen vor sich hertreibt.

Eine Erfindung macht Karriere

Deshalb lohnt ein Blick auf die Universitäten, die seit den 90er Jahren die "Gender Studies" in einem Maße förderten, dass man sie für wichtig halten könnte. Sind sie aber nicht. Das Fach stammt aus den angloamerikanischen Staaten. Es wurde nach Deutschland importiert und vermehrt sich seitdem fröhlich. Wenn ein Rektor einen Gender-Lehrstuhl beantragt, hat er gute Chancen auf Bewilligung. Deshalb beantragt er ihn. Der Genderismus steht auf dem Sprung zur neuen Königsdisziplin, die über andere Fakultäten das Zepter schwingt.

Dabei sind Gender-Studien vieles, aber nicht wissenschaftlich. Sie gehen von Grundlagen aus, die sie nicht beweisen können, sondern tapfer behaupten. Die Genderisten konstruieren einen radikalen Gegensatz zwischen Mann und Frau, den die meisten Menschen in ihrem Alltag so nicht erleben. Der Genderismus erfindet erst die Unversöhnlichkeit der Geschlechter, um sie dann vermeintlich zu heilen. Der Konstanzer Biologe Axel Meyer nennt dieses Fach einen "weit verbreiteten antiwissenschaftlichen Hokuspokus."

Soweit wäre das ein Scharmützel, das sich innerhalb der schützenden Mauern einer Universität abspielt. Doch haben die Gender-Theoretiker die Schrift und die Rede als beste aller Welten entdeckt. Dort hantieren die Hobby-Rhetoriker nach Herzenslust. Mit den Resultaten wird eine Kulturpolitik des sanften Zwangs gemacht. Sprechen nach Vorschrift, das ist etwa wie Malen nach Zahlen: lustloses Aufzählen von Silben.

Der Schnabel wird verbogen

Dabei wird niemand dem Ziel der Gender-Aktiven widersprechen. Alle wollen Frauen fördern. Aber wird das mit Hilfe von verordneten Wortbausteinen erreicht? Die Mehrheit will es nicht, weil sie ahnt, dass ihr der Schnabel verbogen wird. Wer Frauen fördern will, soll Frauen fördern, also: Zahlt ihnen dieselben Löhne und Gehälter, nehmt sie bei Beförderungen mit, bringt sie in die männerbündischen Netzwerke. Das wäre Gleichberechtigung, die den Namen verdient. Sie beginnt am Zahltag und nicht im Duden. Von der Sprache eines Goethe oder einer Droste-Hülshoff sollte man die Finger lassen. Der Sprachnutzer spürt die Absicht und ist verstimmt. Es riecht nach klammheimlicher Manipulation.

Die deutsche Sprache wird diese Attacke überstehen. Der Genderismus ist eine politisch motivierte Mode, mehr nicht. Von ferne erinnert der komplizierte Gender-Schnack mit seinen Fallen und Gruben an das 18. Jahrhundert, als eine Elite plötzlich Französisch sprach, um sich vom Volk abzuheben. Auch diese Marotte wurde abgelegt.

Das Deutsche ist wie eine Sanddüne: Sie wälzt sich nach vorne und nimmt neue Wörter auf – und lässt andere hinter sich, weil sie keiner mehr braucht. Die Düne wird auch die Blähungen aus dem Gender-Handbuch hinter sich lassen. Jede Sprache neigt zur Kürze, zur Knappheit, sie sucht den treffenden Ausdruck und nicht das Blabla. So wird aus dem Friedrich der Fritz. Das Gendern erzeugt mit vielen Doppelungen das Gegenteil, also Länge und Wiederholungen. Es ist eine Rhetorik des programmatischen Gähnens, der gewollten Langeweile. Die Sprache ist der falsche Hebel für die Emanzipation. Wörter streben nach Ökonomie, nicht nach dem Weltfrauentag.