AfD, quo vadis? Die Grünen schütteln sich heute angewidert, wenn man Vergleiche anstellt. Aber betrachtet man die AfD und die Probleme im Umgang mit ihr, erinnert manches an die Anfangszeiten der Grünen. Die waren damals gestartet als buntes Sammelbecken, geeint in der Verachtung und im Widerstand gegen das verkrustete politische Dreiparteiensystem, irgendwie lose verbunden durch das Engagement in der Friedensbewegung und im Kampf gegen Atomkraft, Aufrüstung und Umweltzerstörung.

Untergang der Republik blieb aus

Als die ersten Grünen mit langen Haaren, Wollpullovern und Strickzeug in die Parlamente und in den Bundestag einzogen, wusste man nicht so recht, wohin es gehen sollte mit der Truppe, deren Vertreter so offensichtlich anders waren als die der etablierten Parteien. Der Untergang der Republik ist entgegen der Befürchtungen der Alteingesessenen ausgeblieben. Lange war aber nicht klar, ob die Grünen als Partei den Prozess überstehen würden, sich von der außerparlamentarischen Opposition über parlamentarische Konzeptarbeit hinein in die Zwänge der Regierungspolitik und des Handelns zu begeben.

Das Amt verändert den Amtsinhaber

Joschka Fischer, der mit seiner Entwicklung vom Steinewerfer bis zum Vizekanzler und Außenminister exemplarisch für den weiten Weg der Grünen stand, wird der Satz zugeschrieben: Das Amt verändert einen schneller, als man das Amt verändern kann. Gleiches gilt auch für Parteien, wenn Parteiprogramme mit dem Machbaren abgeglichen werden müssen.

AfD in allen Länderparlamenten

Aber am Ende dieses Jahres steht auch die AfD am Scheideweg. Bleibt sie eine Sammelbewegung, die auch Extremisten und Verfassungsgegnern Raum bietet, oder will sie auf Basis der demokratischen Grund- und Rechtsordnung der Republik einen Platz in der Parteienlandschaft beanspruchen? Es kann einem passen oder nicht: Die AfD sitzt im Bundestag – als größte Oppositionsfraktion – und, wie sonst nur noch die SPD, in allen 16 Länderparlamenten. Im Gegensatz zu den Grünen, die es nur auf 14 bringen, sowie der FDP und den Linken, die jeweils in nur zehn Ländern im Parlament sitzen. Die Linke übrigens, und das wird gerne übersehen bei all den medienwirksamen Muskelspielchen von Lindner und Kubicki, mit fast einem Viertel mehr Abgeordneter als die Liberalen.

Wut und Frust statt gemeinsamer Ziele

Die AfD-Abgeordneten haben ein Mandat, und die Partei ist eine politische Kraft. Was die AfD aber erheblich von den Grünen in ihrer Anfangsphase unterscheidet: Ein großer Teil der Wähler hat als Gemeinsamkeit kein Ziel – wie Umweltschutz oder Atomausstieg -, sondern Wut, Frust und Unzufriedenheit. Und hier fängt das Problem an. Wohin die politische Kraft AfD inhaltlich steuert, ist noch längst nicht geklärt. Solange die bürgerlichen Kräfte in der Partei, die die AfD rechts der Mitte, aber auf Basis rechtsstaatlicher Prinzipien platzieren wollen, sich nicht mit aller Macht und allen Mitteln von rechtsextremen, nationalistischen, völkischen, antisemitischen und rassistischen Äußerungen und Handlungen distanzieren, schließt sich eine Zusammenarbeit mit ihr oder auch ein Umgang, der über das parlamentarische Mindestmaß hinausgeht, aus.

Bislang nur Lippenbekenntnisse

Bislang ist in dieser Hinsicht nichts außer Lippenbekenntnissen von der AfD erfolgt. Der AfD-Bundesvorstand erweist sich als unfähig, auf eine politische Linie mit rechtsextremen Auslegern in den Landesverbänden zu kommen, Baden-Württemberg explizit genannt. Björn Höcke mit seinen unsäglichen Äußerungen zur „deutschen Erinnerungskultur“ ist ebenso noch AfD-Mitglied wie ein Wolfgang Gedeon, der mit juristischem Segen als Autor antisemitischer Schriften bezeichnet werden darf. Und auch der Ausgang des gerade erst eingeleiteten Ausschlussverfahrens gegen die schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Doris von Sayn-Wittgenstein ist völlig offen. Solange aber auch nur der Hauch eines Zweifels daran besteht, wohin die politische Reise der AfD geht, ist jede Art von Misstrauen ihr gegenüber nicht nur berechtigt, sondern zwingend erforderlich.