Konstanz – Mancher, der die FDP betrachtet, wird sich fragen: Gibt es in der Partei noch andere Gesichter als den markanten Chef Christian Lindner, dessen melancholische Schwarz-Weiß-Porträts in der Wahlkampagne 2017 überall geklebt wurden? Damals entstand der Eindruck: Die Liberalen bestehen nur aus ihm. Benjamin Strasser, 31, zählt zu den jungen FPD-Leuten, die den Eindruck einer Lindner-Monokultur zerstreuen. Vor elf Monaten wurde er über die Landesliste in den Bundestag gewählt. Seitdem ist der Oberschwabe Mitglied der FDP-Fraktion.
Dennoch: Als Benjamin Strasser zum Gespräch mit der SÜDKURIER-Redaktion nach Konstanz kommt, erinnert er stark an die Generation Lindner. Der schlanke Mann im grauen Anzug und offenem Hemd zitiert den Habitus des FDP-Chefs.
Wenn Strasser am Tisch sitzt und argumentiert, registriert man den kulturellen Bruch innerhalb dieser Partei. Es gibt eine FDP vor 2013 und es gibt eine FDP, die nach dem Katastrophenjahr 2013 wie Phoenix aus der Asche stieg. Der Mann tritt smart auf. Ihn verbindet nichts mit der Attitüde und den Tiraden der jovialen Wirtschafts-Onkels à la Rainer Brüderle.
Benjamin Strasser wirkt noch jünger als er ist, und dabei hat er schon einiges erreicht. Er studierte in Konstanz Jura, legte das erste und später das zweite Staatsexamen ab und arbeitete dann in der FDP-Fraktion im Landtag mit. Das gab ihm einen Vorgeschmack auf die parlamentarische Arbeit. Für den Bundestagswahl 2017 erhielt er einen guten Platz auf der Landesliste und wurde prompt gewählt. Diese Runden im Lebenslauf absolvierte er scheinbar spielerisch. Nach wie vor sitzt er im Gemeinderat der kleinen Gemeinde Berg im Kreis Ravensburg. Das gibt ihm kommunale Erdung, sagt er.
Als er mit 19 Jahren der FDP beitrat, war seine Mutter noch mächtig überrascht. Nach dem Einzug ins deutsche Parlament war sie das nicht mehr. Jetzt war sie stolz auf den Filius. Auch in einer CDU-gesättigten Gegend wie Oberschwaben kann man in der FDP Karriere machen, deutet der FDP-Mann verschmitzt an. Und er muss nicht einmal die Formel vom "Südwesten als liberaler Stammlandschaft" zitieren, die sonst zum Standard reisender Liberaler zählt; Strasser zieht diese Karten der alten FDP erst gar nicht. Die Argumente von gestern scheinen ihn eher zu langweilen. Christian Lindner steht ihm näher als Theodor Heuss.
Inzwischen sitzt der Jurist im Innenausschuss des Bundestages. Dort hat er mit allen sicherheitsrelevanten Themen zu tun, also mit Geheimdiensten, mit dem geforderten Rechtsstaat und dem Verfassungsschutz. Die präzise und schnörkellose Sprache des Juristen kommt ihm dabei gelegen. Bei der AfD hält er sich nicht lange auf, bemerkt aber: Das ist wohl "die faulste Fraktion im Bundestag." Ihre Vertreter säßen zwar geduldig im Plenum ihre Zeit ab, mehr aber nicht. Dass die Kernarbeit nicht im Plenum stattfindet, habe diese Partei nicht begriffen. "Sie bilden eine Parallelgesellschaft," sagt er.