Tschüss, Adé und Wiedersehen: In den vergangenen Jahrhunderten sind tausende Menschen aus dem Südwesten ausgewandert. Ob in die Nachbarländer oder in die Ferne – Einige von ihnen brachten es dort zu Ruhm und Wohlstand. Andere hingegen kehrten zurück oder überlebten ihre Reise in ihre neue Heimat nicht einmal. Hier sind fünf Geschichten der bekanntesten Auswanderer aus dem Südwesten.
Josef Thum: Der „Keglerkönig“ aus dem Linzgau
Vom Tellerwäscher zum Millionär: Das Credo des Amerikanischen Traums trifft auf den Pfullendorfer Josef Thum zu, wie mehrere Pfullendorfer Chroniken, Nachlässe des Heimatmuseums und Zeitungsartikel aus damaliger Zeit bezeugen. Demnach wanderte der gelernte Bäcker 1876 im Alter von 18 Jahren in die USA aus.
Nach seiner Ankunft blieb er in New York und schlug sich dort anfangs als Schuhputzer und Tellerwäscher durch. Nachdem er von einem deutschen Auswanderer ein Restaurant übernommen hatte, eröffnete er dort im Hinterhof eine Kegelbahn.

Sowohl das Kegeln als auch Thums Gaststätte erfreute sich großer Beliebtheit. Das brachte den Linzgauer zu Reichtum und Wohlstand. Aufgrund der hohen Nachfrage ließ der Geschäftsmann am Broadway einen vierstöckigen Sportpalast mit 24 Kegelbahnen errichten.
Später war er Mitbegründer des amerikanischen Kegelverbandes und ein wichtiges Mitglied der deutsch-amerikanischen Gesellschaft. Nach seinem Tod im Jahr 1937 würdigten mehrere deutschsprachige Zeitungen den „Kegel-König“, wie er genannt wurde. Heute wird unter anderem im Pfullendorfer Heimatmuseum an Thum erinnert.
Leo Zimmermann: Der Titanic-Passagier aus Todtmoos
Leo Zimmermann war ein 29-jähriger Landarbeiter aus Todtmoos, der zu Anfang des 20. Jahrhunderts auf ein besseres Leben in Kanada hoffte. Er wollte in die Provinz Saskatoon, wohin sein Bruder zuvor ausgewandert war, wie Jens Ostrowski in seinem Buch „Die Titanic war ihr Schicksal – Die Geschichte der deutschen Passagiere und Besatzungsmitglieder“ schreibt.

Bei einer Auswandereragentur in Basel kaufte er sich ein Schiffsticket und reiste nach Southampton, England. Dort bestieg er am 10. April 1912 ein Schiff, das nur wenig später in die Weltgeschichte eingehen sollte: die Titanic.
Fast fünf Tage später kollidierte das Schiff nachts mit einem Eisberg und sank. Bei der Katastrophe starben fünf der sechs deutschen Besatzungsmitglieder. Unter ihnen war auch Leo Zimmermann. Ihm zu Ehren befindet sich auf dem Todtmooser Friedhof noch heute ein Gedenkstein.
Familie Friedrich: Die Erfolglosen aus Bonndorf
Genug von Hunger und Elend: Am 7. April 1817 zog Paul Friedrich aus Bonndorf-Gündelwangen einen Schlussstrich unter sein bisheriges Leben und machte sich mit seiner Familie auf den Weg nach Amsterdam. Von dort aus wollte der 39-jährige Wandergeselle in die USA übersetzen und ein neues Leben beginnen, wie Chroniken des Bonndorfer Stadt- und Auswandererarchivs sowie Erich Schnurrs Buch „100 Jahre Schwarzwaldverein Bonndorf“ belegen.

Doch in den Niederlanden läuft nichts wie geplant: Kaum ein Kapitän oder Reeder will seine Familie mitnehmen. Diese befürchten, dass die Ausreisewilligen in der Neuen Welt keinen Arbeitsvertrag erhalten. Damals erhielten nämlich Kapitäne Provisionen von den Verdiensten der Auswanderer in der Neuen Welt. Wem keine Chance auf einen Arbeitsvertrag eingeräumt wurde, durfte nicht mit an Bord.
Die Friedrichs warteten so lange, bis sie ihre gesamten Ersparnisse verloren. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als im Juni 1817 wieder nach Gündelwangen zurückzukehren. Dort begannen die Friedrichs von vorn und lebten in einer kleinen Hütte. Den beiden Söhnen gelang es in den 1830er-Jahren, nach Nordamerika auszuwandern. Paul Friedrich blieb dagegen bis zum Lebensende in Güldenwangen und starb dort 1844 in Armut.
Friedrich Hecker: Der Revolutionär aus Baden
Genug von der Monarchie: Am 11. April 1848 rief der Rechtsanwalt Friedrich Hecker in Konstanz die Bevölkerung zum bewaffneten Widerstand auf. Als Mitglied der Märzrevolution wollte der Badener Rechtsanwalt mit Gesinnungsgenossen die Monarchie stürzen und eine Republik errichten. Von Konstanz aus zog er daher mit rund 30 Leuten in Richtung Karlsruhe los. Auf dem Weg dorthin wollte er möglichst viele Aufständische gewinnen.

Sein Weg führte ihn unter anderem über Radolfzell, Stockach, Donaueschingen und Schopfheim bis nach Kandern am Hochrhein. Dort wurde der Hecker-Zug jedoch von württembergischen Soldaten niedergeschlagen. Nach der Niederlage flüchtete Hecker in die Schweiz, von wo er später in die USA emigrierte. Ein Jahr später wurde er von Gesinnungsgenossen nach Europa zurückgerufen, kehrte aber frühzeitig wieder in die Vereinigten Staaten zurück.
Dort betätigte er sich in Belleville, Illinois, als Viehzüchter und Weinbauer und engagierte sich bei der Republikanischen Partei. Hecker starb 1881 mit 70 Jahren in Summerville, Illinois. Heute erinnern Denkmäler in St. Louis und Cincinnati an ihn. In Südbaden sind mehrere Straßen und Schulen nach ihm benannt.
Johann August Sutter: Der Sklavenhalter aus Lörrach
Johann August Sutter wurde 1803 in Kandern als Sohn eines Papiermachers geboren. Bis zum 15. Lebensjahr wuchs er in der Kleinstadt im Landkreis Lörrach auf und machte anschließend in der Schweiz eine kaufmännische Lehre.
Der junge Sutter konnte nicht Geld mit umgehen und wanderte auf Druck seiner Gläubiger 1834 in die USA aus, wie unter anderem Unterlagen des Landesarchivs Baden-Württemberg belegen. Dabei ließ er Frau und Kinder mit einem hohen Schuldenberg zurück.

Nach fünf Jahren der Wanderschaft ließ er sich in Kalifornien nieder, wo er die Kolonie Neu-Helvetien gründete. Dort erwarb Sutter umfangreichen Grundbesitz und wurde sogar der „Kaiser von Kalifornien“ genannt. Im Jahre 1848 wurde auf seinem Grund Gold gefunden. Innerhalb weniger Monate strömten tausende Menschen ins Land, sodass Sutters Besitz geschmälert wurde. Langwierige Gerichtsprozesse führten den notorisch klammen Sutter in den wirtschaftlichen Ruin. Im Jahr 1880 starb er in Armut in Washington.
Nachdem Sutter in den USA lange als Vorzeigepionier und in der Schweiz als Nationalheld galt, wurde sein Lebenswerk im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung neu verhandelt. Laut Untersuchungen der Historikerin Rachel Huber von der Universität Luzern, soll Sutter ein Sklaventreiber gewesen sein, der sich eine Privatarmee aus indianischen Einheimischen hielt. Um seine Schulden zu tilgen, soll er sogar mit Kindern der Ureinwohner gehandelt haben, wie Zeitzeugenberichte beschreiben.

Im Zuge der Proteste wurde eine Bronzestatue von ihm in Sacramento abgebaut. Ähnlich erging es auch einem Sutter-Denkmal im Kanton Baselland. In seiner Geburtsstadt sorgte eine nach Sutter benannte Straße lange für Gesprächsstoff. Die Stadtverwaltung hat sich aber bislang nicht dazu entschieden, den Namen der Straße zu ändern.