So ganz will Dirk Bamberger die Hoffnung nicht fahren lassen. „Ich glaube, dass der Mensch ein geselliges Wesen bleibt. Egal, was kommt“, sagt er. Auch das ganze Corona-Schlamassel könne daran nichts ändern.

An diesem trüben Dezembermorgen blickt Bamberger dennoch mit Wehmut zurück auf die Zeit vor Ausbruch der Corona-Pandemie, als Feiern und Tanzen noch ein ganz normaler Bestandteil des Lebens war. Bis ins Frühjahr 2020 vergnügten sich jedes Wochenende Tausende meist junge Leute in seinen Clubs und Discotheken in Baden-Württemberg. „Es war eine gute Zeit“, sagt er. „Und jetzt ist alles dicht.“

Der ungekrönte Party-König Baden-Württembergs

Der 56-Jährige, dem Clubs wie das Konstanzer Berrys oder die Groß-Discotheken Top10 in Singen und Balingen gehören, ist in der Party-Szene so etwas wie der ungekrönte Party-König Baden-Württembergs. Sein Vater brachte mit dem legendären „Ex“ in Schramberg die Disco-Kultur 1969 aus dem Rheinland in den Schwarzwald.

Bamberger selbst baute das väterliche Unternehmen zum größten Disco-Betreiber im Südwesten mit 60 Festangestellten, etwa 400 Aushilfen und einem Jahresumsatz im „zweistelligen Millionen-Euro-Bereich“ aus.

Der Party-Mittelständler, bei dem das Geschäft über Jahre hinweg im Gleichklang mit den Bässen auf der Tanzfläche brummte, ist aber in schweres Fahrwasser geraten. Seit Beginn der Corona-Krise im März 2020 waren Bambergers Clubs fast 19 Monate am Stück geschlossen.

Von einem Lockdown zum nächsten

Anfang Oktober öffnete man voller Erwartungen wieder, nur um nach gerade einmal zwei Monaten in den nächsten Lockdown hineinzuschlittern. Der hält bis heute an. „Unsere Branche musste als erste die Türen schließen und durfte sie am längsten nicht mehr aufmachen“, sagt Bamberger, der auch im Vorstand des Bundesverbands deutscher Discotheken und Tanzbetriebe (BDT) sitzt.

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Wie keine zweite ächzt die deutsche Party-Branche unter den Corona-Folgen. Rund 1500 Clubs sind allein im BDT organisiert, und alle kämpfen mit denselben Problemen. Zwar sprangen Bund und Länder den Unternehmen ab März 2020 mit Stützungsprogrammen zur Seite. Deren Förderkriterien waren aber nicht selten auf Großfirmen optimiert und passten nicht so recht auf die Exoten-Branche. Die Folge waren Unklarheiten und Missverständnisse, die unerwünschte Nebenwirkungen zeitigten.

Die Soforthilfen musste er alle zurückzahlen

Von den 150.000 Euro Soforthilfen, die Bamberger für seine Clubs Anfang 2020 beantragt und auch erhalten hat, habe er mittlerweile alles wieder zurückzahlen müssen, sagt er. Damit es überhaupt weitergehen konnte, habe er „massiv eigene Reserven eingebracht“, sagt er.

Bei anderen Hilfspaketen wie den Überbrückungshilfen, die vor allen die Fixkosten betroffener Unternehmen decken sollen, sei nach Monaten immer noch kein Bescheid vorhanden, ob man das Fördergeld behalten könne. Für die Zukunft zu planen und zu investieren, werde dadurch schwierig, sagt der Club-Betreiber.

Immerhin: Etwas Geld verdiente Bamberger durch die zeitweise Umwidmung einzelner Clubs, etwa des Top10 in Singen, zu Corona-Testzentren.

Wann steigt hier die nächste Party? 2021 wurde das Top10 in Singen zum Schnelltest-Zentrum.
Wann steigt hier die nächste Party? 2021 wurde das Top10 in Singen zum Schnelltest-Zentrum. | Bild: Arndt, Isabelle

„Brutal getroffen“

So geht es derzeit vielen. Martin Spitznagel, Vorstand bei der Steuerberaterkammer Südbaden, schätzt, dass etwa 50 Prozent der Firmen, die in der ersten Jahreshälfte 2020 Soforthilfen beantragt hätten, sie mittlerweile wieder zurückzahlen mussten.

Gerade die Veranstaltungsbranche sei „brutal getroffen“, sagt Spitznagel, der in Singen am Hohentwiel eine Kanzlei für Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung betreibt. Schon vor dem letzten Party-Lockdown im Herbst sprach der Branchenverband BDT von einer „katastrophalen Lage“ in der gesamten Veranstaltungsbranche.

Vor allem junge Betriebe mit wenig Eigenkapital bekommen die Krise voll zu spüren. Und anders als die Gastronomie, die oft mit Außer-Haus-Angeboten und Draußen-Gastronomie ganz gut durch die Krise kam, seien die Umsätze vieler Veranstalter und Technikdienstleister über Monate „im Dauertief oder gleich Null“.

Dieter Bös (links) und Xhavit Hyseni bringen große Bands an den Bodensee.
Dieter Bös (links) und Xhavit Hyseni bringen große Bands an den Bodensee. | Bild: Oliver Hanser

Wer wissen will, wie sich das anfühlt, muss mit Dieter Bös und Xhavit Hyseni reden. Mit ihrer Konstanzer Eventmanagement-Agentur Kokon organisieren sie weit über die Bodenseeregion hinaus Konzerte, Festivals und Events – normalerweise.

Ratlosigkeit in der Branche

„Seit fast zwei Jahren tun wir fast nichts anderes als Konzerte abzusagen und gekaufte Tickets rückabzuwickeln“, sagt Kokon-Co-Geschäftsführer Hyseni. „Das zermürbt“, sagt er. Zumal, wenn man eigentlich Spaß daran habe, Menschen zusammenzubringen. Nach dem Lockdown in diesem Herbst herrsche in der Branche Ratlosigkeit. Das Ausmaß der Rückschläge sei langsam für viele zu groß.

Dieter Bös, der mit seiner Vorgänger-Agentur Koko das bekannte Festival Rock am See erfand und einst das Southside-Festival mitbegründete, bleibt dennoch Optimist. Zwar seien die letzten eineinhalb Jahre eine Katastrophe gewesen, aber auch diese Zeiten gingen vorbei.

Ähnlich wie das Disco-Urgestein Dirk Bamberger glaubt auch er fest daran, dass den Menschen die Lust am Feiern nicht vergeht. Für 2022 verzeichne man gerade „fulminante Vorumsätze“. „So schnell geht uns die Luft nicht aus“, sagt er.