Tilmann P. Gangloff

Seit über 25 Jahren erfreut das „Zweite“ die überwiegend weiblichen Fans von Rosamunde Pilcher mit Geschichten aus Cornwall. Andere Frauen und die Männer schauen im „Ersten“ lieber den „Tatort“. Das große Plus der Pilcher-Reihe, sagt Produzent Michael Smeaton, ein Westfale mit schottischen Wurzeln, sei die Verlässlichkeit: „Pilcher-Filme behandeln Themen wie Liebe und Leidenschaft mit Happy-End-Garantie. Am Schluss sind alle glücklich.“ Ein weiteres verlässliches Merkmal ist der konsequente Verzicht auf Sex und Gewalt.

Zur Wahrheit gehört aber auch der Vorwurf, die Filme seien „Kitsch von gestern“. Smeaton weist das empört zurück: „Wir produzieren Liebesfilme im besten Sinne, das ist kein Kitsch, sondern Romantik.“

„Wir produzieren Liebesfilme im besten Sinne, das ist kein Kitsch, sondern Romantik“, sagt der Produzent Michael Smeaton
„Wir produzieren Liebesfilme im besten Sinne, das ist kein Kitsch, sondern Romantik“, sagt der Produzent Michael Smeaton | Bild: Horst Friedrichs/ffp New Media/dpa

Die Geschichten und ihre ästhetische Gestaltung seien heute viel moderner als in den Neunzigern.

Erfolgreiches Duo: Rosamunde Pilcher und Filmproduzent Michael Smeaton. Die Autorin ist im Februar mit 94 Jahren gestorben. Das Bild ...
Erfolgreiches Duo: Rosamunde Pilcher und Filmproduzent Michael Smeaton. Die Autorin ist im Februar mit 94 Jahren gestorben. Das Bild entstand 2016. | Bild: Jon Ailes/ffp New Media/dpa

Gerhard Bliersbach hat einen ganz anderen Blick auf die Reihe. Der Diplom-Psychologe hat ein interessantes Buch über die Psychohistorie des westdeutschen Nachkriegsfilms geschrieben („Nachkriegskino“, Psychosozial-Verlag). Er sieht überraschende Parallelen zu den schwarz-weißen Edgar-Wallace-Krimis der Sechzigerjahre. Beide Genres nutzten Großbritannien als Projektionsfläche: „Die Wallace-Filme haben die verbrecherischen Abgründe der jungen Bundesrepublik auf ein unverfängliches Terrain transponiert, um von der Kehrseite des Wirtschaftswunders erzählen zu können.“

Auf ganz ähnlich Weise erfolge nun eine Transposition der Hoffnungen und Träume auf die britische Insel. Dieses „Liebäugeln mit fremdem Reichtum“ und der Sehnsucht nach einer heilen Welt passt für den Psychotherapeuten „zu unserer Zeit eines tiefen Unbehagens an den demokratischen Verhältnissen“. Ähnlich wie in den Heimatfilmen, für Bliersbach ein Genre des „Reparaturfilms“, resultierten die Auseinandersetzungen bei Pilcher aus emotionalen Krisen. Aber am Ende gingen die familiären Bindungen umso stärker aus den Konflikten hervor, das sei eine Botschaft von gestern, sagt er.

Eine zweite Parallele zu den Wallace-Krimis ist allerdings noch verblüffender. In seinem Buch beschreibt Bliersbach die „mörderische Dynamik mächtiger familiärer, häufig mütterlicher Bindungen“. Dieses Element zieht sich auch durch die Pilcher-Filme, wenngleich selbstredend ohne die mörderische Komponente: Die Mütter spielen in auffällig vielen Geschichten eine dominante und oftmals negative Rolle.

Happy End: Es geht gut aus, wenn ein Rosamunde-Pilcher-Film im „Zweiten“ läuft. Am morgigen Sonntag zum 150. Mal. Das Bild ...
Happy End: Es geht gut aus, wenn ein Rosamunde-Pilcher-Film im „Zweiten“ läuft. Am morgigen Sonntag zum 150. Mal. Das Bild zeigt Denise Zich und Patrik Fichte im Film „Nie wieder Klassentreffen“. | Bild: Jon Ailes/ZDF/dpa

Die Pilcher-Freundinnen werden der Reihe trotzdem die Treue halten, zumal das Publikum nachwächst; laut Smeaton gibt es mittlerweile viele Zuschauerinnen um die vierzig, die noch vor zehn Jahren einen großen Bogen um die Filme gemacht hätten. Der Fortbestand der Reihe ist übrigens auch nach dem Tod der Schriftstellerin gesichert: Rosamunde Pilcher hat eine enorme Anzahl von Kurzgeschichten verfasst, und die Filmrechte liegen alle bei Smeatons Produktionsfirma.

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