In deutschen Städten gilt Feinstaub als ein großes Problem. Leidenschaftlich wird darüber diskutiert, was Fahrverbote bewirken können und was nicht. Doch die winzigen Partikel machen nicht nur Metropolen zu schaffen, sondern schaden auch dort, wo es kaum Menschen gibt. Vom Wind über große Strecken getragen, erreichen sie selbst entfernte Gletscher und beschleunigen dort die Schmelze.
Besonders wirksam ist Ruß, also feine schwarze Partikel, die bei der Verbrennung von Diesel, Öl, Kohle und Holz entstehen. Werden sie vom Schnee aufgenommen und auf dem Gletscher abgelagert, verringert sich dessen Fähigkeit, Sonnenstrahlen zurückzustrahlen. Dadurch erwärmt sich das Eis stärker. Das Rückstrahlvermögen, auch als Albedo bezeichnet, ist eine wichtige Eigenschaft von Gletschern.
Neuschnee hat eine Albedo von rund 90 Prozent, zusammengedrückter und teils nasser Sommerschnee kommt auf rund 60 Prozent, Eis mit Ruß hat nur noch 40 Prozent, sagt Konrad Steffen, Glaziologe und Direktor der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) im schweizerischen Birmensdorf. „Je mehr Partikel angeweht werden, umso dunkler wird der Gletscher und damit anfälliger fürs Schmelzen.“
Ruß aus Waldbränden
Besonders in der Arktis nehme die Menge an Ruß seit einiger Zeit zu, sagt Steffen. So habe es im vergangenen Jahr große Waldbrände in Alaska gegeben, deren Ruß bis nach Grönland flog und dort die Albedo des Eisschildes um fünf Prozent verringert habe. Dieser Effekt dürfte sich künftig verstärken, schätzt der Forscher. Durch den Klimawandel würden die Böden im Sommer trockener, was Wald- und Torfbrände begünstigt. „Damit ist mehr Ruß in der Luft, der auf Gletscher niedergehen kann“, sagt Steffen. „Die Verringerung der Albedo ist einer der wichtigsten Verstärkungsfaktoren beim Klimawandel in den arktischen Gebieten, wie auch in den Alpen.“

Gefährdete Alpengletscher
Die Alpen sind deutlich stärker betroffen als andere Regionen der Erde. Einer der Gründe: Bei den Alpengletschern sei der staubbedingte Rückgang der Albedo sogar noch ausgeprägter als beim Grönländischen Eisschild, sagt Steffen. Zum einen würden die Sommer trockener, wodurch es seltener Neuschnee gäbe, der die Eismassen aufhellt. Zum anderen gäbe es diverse Feinstaubquellen in der Umgebung: Industrieanlagen, Siedlungen, wo Autos und Heizungen betrieben werden, sowie Landwirtschaft, wo Boden aufgewirbelt wird.
Plastikplanen machen nichts besser
Gegen natürlichen Feinstaub lässt sich wenig tun, anders verhält es sich beim Ruß, der meist durch menschliche Aktivitäten entsteht. „Immerhin, die Gesamtmenge an Ruß im Alpenraum ist heute geringer als noch zu Beginn und Mitte des 20. Jahrhunderts“, sagt die Umweltchemikerin Margit Schwikowski vom Paul-Scherrer-Institut in Villigen (Schweiz). Es lasse sich jedoch nicht unterscheiden, ob die Rußteilchen aus Verbrennungsmotoren kommen, aus der Industrie, aus Holzheizungen oder von Waldbränden. Anhand von Kohlenstoffisotopen wisse man aber, dass die meisten Partikel von fossilen Brennstoffen herrühren.
„Je weniger Ruß auf den Gletschern landet, umso besser“, sagt der WSL-Direktor Konrad Steffen. „Denn allein durch die steigenden Temperaturen sind die Eismassen bereits beträchtlich bedroht.“ Als Gegenmaßnahme werden sie mitunter sommers mit Planen abgedeckt, um sie vor den Sonnenstrahlen zu schützen. „Wenig durchdacht“, findet das der Forscher. „Die Planen werden mit Helikoptern heraufgeschafft, der CO2-Abdruck dieser Aktionen ist gewaltig.“ Außerdem zersetze das UV-Licht der Sonne den Kunststoff, wodurch Mikroplastik entsteht, das durch Niederschläge in die Umwelt gelangt. „In Ausnahmefällen mag das gut sein“, sagt Steffen. Etwa wenn der Mast eines Lifts auf dem Gletscher steht und dessen Fundament möglichst lange stabil bleiben soll. „Bei großen Flächen ist eine Abdeckung nicht sinnvoll.“
Ruß ist eine Riesenproblem im Himalaja
Noch größer als in den Alpen ist das Rußproblem im Himalaja. Mittelbar hängen dort zwei Milliarden Menschen von den Niederschlägen ab, die entweder direkt abfließen oder als Schnee und Eis vorübergehend gespeichert werden. Anhand von Eisbohrkernen haben Forscher um Margit Schwikowski gezeigt, dass der Rußeintrag in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts deutlich zugenommen hat. „Seit 1975 hat Ruß etwa dreimal stärker zur Gletscherschmelze beigetragen als in der vorindustriellen Zeit“, sagt die Forscherin. Bis zum Jahr 1990 registrierte sie in den Proben von der Westflanke des Mount Everest einen steigenden Rußgehalt, danach verharrte er auf hohem Niveau.
Nicht nur der Ruß ist schuld
- Der Anfang: Der Schwund der Alpengletscher begann um das Jahr 1850 und wurde oftmals mit der Industrialisierung verknüpft: Aus den qualmenden Schloten wurde massenhaft Ruß in die Luft gebracht, der sich unter anderem auf den Gletschern ablagerte. Infolgedessen, so die Erklärung, nahmen die Eismassen mehr Sonnenstrahlung auf und schmolzen. Doch das stimmt so nicht, sagen Forscher um Michael Sigl vom Paul-Scherrer-Institut (Villigen/Schweiz).
- Der Grund: Wie die Forscher berichten, nahm erst ab 1875 die Rußkonzentration zu, die Schmelze setzte aber früher ein – und muss eine andere Ursache haben. Nach Ansicht von Sigl haben Vulkanausbrüche, die zwischen 1809 und 1835 in den Tropen stattfanden, durch ihre Schwefelemissionen das Klima in Europa abgekühlt, so dass die Gletscher vorübergehend wuchsen. Nachdem die „Kleine Eiszeit“ vorüber war, schrumpften die Gletscher wieder. Es handelt sich also um einen natürlichen Prozess, der zu 80 Prozent vorangeschritten war, bevor der Ruß aus der Industrie ins Spiel kam, so Forscher. (rne)