Nach teils bitterem Streit akzeptierten in Rom alle Staats- und Regierungschefs, dass Ländergruppen bei manchen Projekten enger zusammenarbeiten. Dafür wirbt Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten bedeutet ja keinesfalls, dass es nicht ein gemeinsames Europa ist“, sagte die CDU-Chefin. „Wir sagen hier ganz klar: Wir wollen in eine gemeinsame Richtung.“ Sie zeigte sich bewegt, vor historischer Kulisse die „Erklärung von Rom“ zu unterschreiben.
#EU60: Seit 60 Jahren für ein soziales und gerechtes Europa - herzlichen Glückwunsch #EU ???! Was die EU für ?? tut: https://t.co/vU3CIXZ6oc pic.twitter.com/WtY6qo98Bo
— BMAS (@BMAS_Bund) 25. März 2017
An gleicher Stelle hatten Deutschland, Italien, Frankreich, Luxemburg, Belgien und die Niederlande 1957 mit den Römischen Verträgen die Grundlagen der EU gelegt. Der EU stehen nicht nur die Brexit-Verhandlungen bevor. Sie versucht auch, antieuropäischen Populisten etwas entgegenzusetzen. Schon in vier Wochen steht die nächste Bewährungsprobe an: Die EU-Feindin Marine Le Pen will in Frankreich Präsidentin werden.
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sprach von „Aufbruchsstimmung“ in Rom, weil es zu keiner größeren Auseinandersetzung gekommen sei über mehrere denkbare Zukunftsszenarien. Nun könne die EU eine Debatte über den weiteren Weg beginnen. „Die Atmosphäre ist jetzt so, dass man dies mit Zuversicht angehen kann“, sagte Juncker.
Viele Teilnehmer schlugen einen positiven Ton an und forderten Stolz auf das Erreichte. „Heute erneuern wir in Rom unser einzigartiges Bündnis freier Nationen, das vor 60 Jahren von unseren großartigen Vorgängern ins Leben gerufen wurde“, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk. „Sie hatten den Mut des Kolumbus, unbekannte Gewässer zu besegeln, eine neue Welt zu entdecken.“
Jenseits des Tagungsgeländes erinnerten Hilfsorganisationen an das Sterben von Migranten auf dem Mittelmeer. Auf dem Tiber organisierten Hilfsorganisationen eine Aktion mit Stacheldraht und nachgeahmten Leichensäcken. Bei den Demonstrationen liefen auch Migrantengruppen mit. „Eure Kriege, unsere Toten“ stand auf einem Banner.
60 Jahre Europäische Verträge! Happy birthday! Das vereinte Europa ist ein Garant für Frieden, Zusammenhalt & Demokratie! #MarchForEurope ?? pic.twitter.com/N2DsUqKa0p
— K. Göring-Eckardt (@GoeringEckardt) 25. März 2017
Das Banner der freien Welt trägt heute keine stars and stripes mehr, sondern ist die Europafahne. #pulseofeurope https://t.co/daRsOpuxll pic.twitter.com/3aRhAgZIxr
— Heiko Maas (@HeikoMaas) 24. März 2017
Auf Gegendemos versammelten sich lautstarke rechts- und linksextreme EU-Kritiker. Die Polizei war aus Sorge vor Ausschreitungen mit einem Großaufgebot und Wasserwerfern im Einsatz. Aus Angst vor Ausschreitungen waren viele Geschäfte geschlossen oder verbarrikadiert. Die Polizei beschlagnahmte vorab Gasmasken, Messer, Eisenstangen und Stacheldraht. Dutzende verdächtige Demonstranten wurden schon außerhalb Roms von Sicherheitskräften aufgehalten.
Zehntausende in London gegen Brexit
In Großbritannien haben am Samstag zehntausende Menschen gegen einen Austritt des Landes aus der EU demonstriert. Ein Meer blauer EU-Fahnen erstreckte sich von Piccadilly bis über den Trafalgar Square in London hinaus, dazwischen Schilder mit Aufschriften wie „Ich bin Europäer“. Die Organisatoren sprachen von etwa 80.000 Teilnehmern an dem Protestzug wenige Tage vor dem angekündigten Brexit-Antrag von Premierministerin Theresa May.
Die Menschenmenge wurde ganz still, als sie am Platz des Parlaments vorüberzog, wo vor wenigen Tagen ein islamistischer Anschlag verübt worden war. Der Täter hatte vier Menschen getötet und mindestens 50 verletzt. Der in Großbritannien geborene Khalid Masood war vor dem Parlament von der Polizei erschossen worden. „Terrorismus wird uns nicht spalten - der Brexit schon“, stand auf einem Plakat bei der Pro-EU-Demonstration.
Neun Monate nach dem Brexit-Votum will die britische Regierung den Austritt am kommenden Mittwoch offiziell erklären. Premierministerin May war am Samstag nicht beim EU-Gipfel in Rom, wo die Gründung des Staatenbundes mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge vor 60 Jahren gefeiert wurde.