Guy Simon
2017 ist Superkunstjahr. Der Name leitet sich von den großen Ausstellungen ab, die zeitgleich stattfinden: Biennale Venedig, Documenta in Kassel und Athen, Art Basel und Skulptur-Projekte Münster. Tausende Kunstwerke werden installiert, verpackt, verschickt und wieder aufgebaut. Eventuell schaffen es dabei auch einige raffinierte Fälschungen, sich in den Kunstmarkt einzuschleichen. Unmöglich? Etliche Beispiele zeigen, dass talentierte Fälscher ihre Werke mit Leichtigkeit loswerden können.


Han van Meegeren - Betrog Hermann Göring

Die Nazis sind besiegt und in Nürnberg beginnen die Prozesse, um die überlebenden Machthaber des Regimes zur Verantwortung zu ziehen. Tausende weiterer Gerichtsverhandlungen finden statt, in denen Kollaborateure zur Rechenschaft gezogen werden.

Vor dem Richter steht 1947 auch ein gewisser Han van Meegeren. Er soll Hermann Göring ein Werk des niederländischen Künstlers Jan Vermeer van Delft verkauft haben. Van Meegeren kann sich dem Vorwurf der Kollaboration nur erwehren, indem er die Wahrheit sagt: Das Bild ist eine Fälschung.

Das Bild "Christus und die Ehebrecherin"  im Boijmans Van Beuningen Museum in Rotterdam. Das Museum zeigte Malereien des Fälschers Han ...
Das Bild "Christus und die Ehebrecherin" im Boijmans Van Beuningen Museum in Rotterdam. Das Museum zeigte Malereien des Fälschers Han van Meegeren. Das Bild verkaufte Van Meegeren in den Vierzigerjahren an Hermann Göring. | Bild: dpa
Das glaubt ihm jedoch niemand. Er soll es beweisen. Im Gefängnis zeichnet er unter Anwesenheit von Zeugen den letzten gefälschten, aber nicht signierten Vermeer: Jesus unter den Schriftgelehrten. Eine vom Gericht beauftragte Gutachter-Kommission aus Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen untersucht weitere Werke des vermeintlichen Fälschers und prüft sie.
Der Nachweis der Fälschung gelingt erst nach zwei Jahren, als Chemiker entdecken, dass sich in den Farbmischungen von Van Meegeren das Kunststoffbindemittel Albertol befindet - ein Stoff, der erst seit dem 20. Jahrhundert hergestellt wird.

1947 wurde Van Meegeren vom Landgericht in Amsterdam zu einer Haftstrafe von einem Jahr verurteilt. Nicht wegen Kollaboration, sondern wegen Fälschung. Bevor er die Strafe antreten konnte, verstarb er. In den Niederlanden blieb er jedoch in positiver Erinnerung. Im Fokus stand vor allem die Tatsache, dass er Hermann Göring mit einer Fälschung betrogen hatte. Er wurde also zum raffinierten Gauner, der den Reichsfeldmarschall der Nazis reinlegen konnte.
 

Konrad Kujau - Bastelte die Hitlertagebücher

Am 25. April 1983 lud die Zeitschrift Stern zu einer spektakulären Pressekonferenz. 27 Fernsehteams und rund 200 Journalisten anderer Zeitungen nahmen daran teil. Die Nachricht: Der Stern sei im Besitz der Tagebücher von Adolf Hitler. 1983 platzte die Geschichte und die Wahrheit kam ans Licht. Der Fälscher Konrad Kujau hatte die Tagebücher angefertigt, Hitlers Schrift imitiert und sich den Inhalt selbst ausgedacht. Im Laufe der Jahre hatte er 62 Bände der Tagebücher für rund 9,3 Millionen Euro an den Stern verkauft. Dafür musste er schließlich vier Jahre lang ins Gefängnis.
Konrad Kujau, der Fälscher der "Hitler-Tagebücher"
Konrad Kujau, der Fälscher der "Hitler-Tagebücher" | Bild: Ingo Röhrbein (dpa)
Nach seiner Haft machte Kujau mit seinen Fähigkeiten Karriere: Er verkaufte Original Kujau-Fälschungen. Dabei imitierte er Maler verschiedener Epochen und Stile. Neben der Signatur des Künstlers unterschrieb auch Fälscher Kujau das Bild, wodurch es - im rechtlichen Sinne - keine Fälschung mehr war. Seine Arbeiten wurden so beliebt, dass plötzlich Fälschungen der Original Kujau-Fälschungen auftauchten. Konrad Kujau im Interview kurz vor seiner Haft:
 

Wolfgang Beltracchi - Stellte auch historische Fotografien nach

Der deutsche Maler imitierte Stile von Künstlern wie Matisse, Rembrandt und Dürer. Er fälschte auch die Handschrift der jeweiligen Künstler und konnte damit selbst ausgewiesene Experten täuschen. Die ersten Bilder fertigte er nach Fotos verschollener Originale an. Beltracchi schleuste die Bilder über einen Mittelsmann auf den internationalen Kunstmarkt. Ermittler gehen davon aus, dass der Fälscher einen Betrugsgewinn von 20 bis 50 Millionen Euro erzielen konnte.

Der Maler und Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi sitzt vor einem seiner Bilder in der Galerie «art room9» in München.
Der Maler und Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi sitzt vor einem seiner Bilder in der Galerie «art room9» in München. | Bild: Peter Kneffel (dpa)

Als der erste Verdacht aufkam, es handele sich bei den verkauften Bildern um Fälschungen, versuchte Belracchi dies mit gefälschten Fotografien zu entkräften. So zeigte er vermeintlich historische Fotografien, auf denen die Großmutter seiner Frau neben den angeblichen Originalen zu sehen sei. Die Bilder waren inszeniert, Beltracchis Frau spielte dabei ihre eigene Großmutter.

Schließlich konnten der Fälscher und seine Frau dennoch enttarnt werden. Die beiden wurden 2010 in ihrer Villa im Freiburger Stadtteil Herdern verhaftet. Auf die Schliche war man Beltracchi gekommen, als bei einer chemischen Analyse des gefälschten Bildes "Rotes Bild mit Pferden", modernes Titanweiß festgestellt wurde. Wolfgang Beltracchi wurde wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt, kam jedoch bereits 2015 wieder frei. Die restliche Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Wie auch schon Konrad Kujau kontte Beltracchi nach seiner verbüßten Strafe davon leben, seine eigenen Bilder zu verkaufen und in Ausstellungen zu präsentieren. Für das Fernsehen arbeitete er an einer Serie mit, in der er prominente im Stil ihres Lieblingsmalers porträtierte. So ließ sich Harald Schmidt etwa im Stil von Otto Dix verewigen:

Edgar Mrugalla - Der beste Fälscher der Nachkriegszeit

In den Achtzigerjahren schuf Mrugalla rund 3000 Fälschungen bekannter Künstler, wie etwa Picasso oder Rembrandt, die er über unseriöse Händler, teilweise aber auch renommierte Galeristen in Umlauf brachte. Er wurde schließlich ertappt und zu drei Jahren Haft verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt werden. Auch er lebte schließlich vom Verkauf seiner Bilder, die er nach der Verurteilung stets mit einem Hinweis auf die Fälscherwerkstatt Mrugalla versah.
Meisterfälscher Edgar Mrugalla zeigt 1998 eine kleine Auswahl seiner Kunstwerke. Vorne Gauguins nackte polynesische Mädchen in ...
Meisterfälscher Edgar Mrugalla zeigt 1998 eine kleine Auswahl seiner Kunstwerke. Vorne Gauguins nackte polynesische Mädchen in leuchtenden Farben. (Orginal um 1892). | Bild: dpa


Mrugalla perfektionierte eine Methode, um Bilder authentisch alt aussehen zu lassen: Er bestrich frisch gemalte Arbeiten mit Leinöl und Hühnereiweiß und legte das Bild in einen Backofen. Jeden Tag erhöhte er die Temperatur um fünf bis zehn Grad. Nachdem das Gemälde bei 150 Grad gekocht hatte, steckte er es ins Eisfach, wodurch sich feine Risse darauf bildeten - so erweckte die Fälschung den Anschein, mehrere hundert Jahre alt zu sein. Mrgulla starb 2016 im Alter von 78 Jahren.
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