Die Katastrophe kam nach Weihnachten: Vor 40 Jahren, am 28. Dezember 1978, änderte sich das milde Wetter über Deutschland schlagartig. Eisige, trockene Luft aus Skandinavien und feuchte Warmluft aus dem Rheinland trafen über der Ostsee aufeinander – „eine sehr ungewöhnliche, seltene Wetterlage“, sagt der Meteorologe und Klimaforscher Tobias Bayer vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Die Folgen für Deutschland waren dramatisch.
„Für große Teile Europas leitete die Wetterlage zum Jahreswechsel 1978/79 einen langen, kalten und schneereichen Winter ein“, erinnert der Deutsche Wetterdienst (DWD). Vergleichbar harte Winter gab es demnach nur 1928/29, 1962/63 (der den Bodensee mit einer Seegfrörne komplett zufrieren ließ), 1984/85 und 1986/87. Mit 67 Tagen geschlossener Schneedecke, vom 28. Dezember 1978 bis 4. März 1979, war dieser Ausnahme-Winter vor 40 Jahren nur mit dem Nachkriegs-Hungerwinter 1946/47 vergleichbar.

150 Ortschaften abgeschnitten
Die Kälte und insbesondere der viele Schnee waren vor allem in Nord- und Ostdeutschland heftig, wie der DWD berichtet. Der Straßen- und Eisenbahnverkehr kam zum Erliegen. Rund 150 Ortschaften waren von der Außenwelt abgeschnitten. „In der Bundesrepublik starben in der Kälte 17 Menschen. Zahllose Rinder, Schweine und Hühner verendeten. Die Schäden überstiegen 140 Millionen D-Mark. In der damaligen DDR starben mindestens fünf Menschen“, heißt es beim DWD.

Mit am stärksten getroffen war Deutschlands nördlichstes Bundesland: In Schleswig-Holstein waren damals rund 80 Ortschaften ohne Strom. Hubschrauber der Bundeswehr warfen Futtersäcke über Bauernhöfen ab, brachten Windeln für Babys, Medikamente, Lebensmittel. Hochschwangere und Dialyse-Patienten wurden in Krankenhäuser geflogen.
Zeitzeugen erinnern sich
„Wir konnten aus der Luft Straßen oder Grundstücke gar nicht genau erkennen, weil alles schneeverdeckt war“, erinnert sich Dieter Roeder. Der 70-Jährige steuerte damals einen Transporthelikopter der Bundeswehr. Pionier-Einheiten des Heeres rückten mit Bergepanzern und Schaufelladern an, um die Straßen freizuräumen. Auch aus Baden-Württemberg wurden Soldaten in die Lüneburger Heide zum Katastropheneinsatz entsandt.

„Die Schneekatastrophe hat sich in das kollektive Gedächtnis der Schleswig-Holsteiner eingebrannt“, sagt Miriam Hoffmann. Die Leiterin des Kreismuseums Itzehoe ist selber ein „Schnee-Baby“. Ihre Eltern kämpften sich damals mit ihrem VW-Käfer und viel Glück über zugeschneite Straßen von Neumünster nach Kiel durch, wo ihre Mutter entband.

Jetzt zeigt Hoffmann im Kreismuseum eine Ausstellung über die damalige Schneekatastrophe. „Jeder hat seine eigene, ganz persönliche Erinnerung an die Schneekatastrophe“, sagt Hoffmann. Und diese Erinnerungen seien oft auch geprägt von positiven Erfahrungen. „Der soziale Zusammenhalt war sehr groß, die Menschen haben sich gegenseitig geholfen – das wissen wir von vielen Zeitzeugen.“
Über eine Schneewehe aufs Dach
Als „ein einziges großes Abenteuer“ empfand der damals zwölfjährige Dirk Billerbeck in Glücksburg bei Flensburg diese Zeit. „Wir Kinder hatten schulfrei, wir haben im Schnee gebuddelt, gespielt und Höhlen gebaut“, sagt Billerbeck. „Über eine hohe Schneewehe bin ich aufs Dach eines Hauses gegangen und an anderer Stelle in den Schnee gesprungen.“ Zu Hause habe man eine Tiefkühltruhe mit genug Vorräten gehabt, der Strom sei nur einmal kurz nachts ausgefallen.
„Meinen Kindern würde ich auch solche Erfahrungen wünschen“, sagt Billerbeck. Allerdings sieht er auch neu auftretende Probleme im Vergleich zu damals: „Wir haben keine Tiefkühltruhe und keine eigene Heizung im Haus, sondern Fernwärme – wenn da der Strom ausfällt...“
Museumsleiterin Hoffmann hatte in ihrer Ausstellung kürzlich eine siebte Schulklasse aus Heide zu Besuch. Die Schüler, erzählt sie, meinten spontan: „So etwas wollen wir auch mal erleben!“