Tilmann P. Gangloff

Herr Wnuk, täuscht der Eindruck oder hat sich die Reihe „Das Leben ist kein Kindergarten“ mit dem dritten Film noch stärker in Richtung Familiendrama entwickelt?

Ich würde von einer Tragikomödie sprechen, aber die Beobachtung ist korrekt. Das hatte auch logistische Gründe: Dreharbeiten mit Kindern sind aufwändig und unberechenbar, Kinder unter sechs Jahren dürfen zudem nur drei Stunden am Drehort verbringen.

Das war aber nicht der einzige Grund, warum wir uns diesmal stärker auf die Eltern und die Demenz von Freddys Vater konzentriert haben. Es ging mir beim Drehbuch vor allem um die Frage, wie ein würdevolles Leben im Alter aussieht, deshalb behandelt der Film auch Aspekte wie Einsamkeit und Altersarmut.

Wie schwierig war es, diesen ernsten Themen trotzdem heitere Seiten abzugewinnen?

Überhaupt nicht, ehrlich gesagt. Ich möchte mit meinen Geschichten gleichermaßen berühren und unterhalten, deshalb suche ich immer nach einer Balance zwischen Komik und Tragik. Je schmaler dieser Grat ist, umso reizvoller.

Ich will von Themen erzählen, bei denen es wirklich um etwas geht, und nicht mit seichten Dialogen über Probleme hinwegtäuschen. Das Publikum soll eine authentische Identifikationsfläche bekommen, die vielleicht sogar zum anschließenden familiären Dialog einlädt. Auf dem Sendeplatz freitags um 20.15 Uhr im Ersten soll dabei zudem auch eine gewisse Leichtigkeit ins Spiel kommen.

Freddys Vater unterlaufen einige krankheitsbedingte Missgeschicke. Wie groß war die Gefahr, die Figur der Lächerlichkeit preiszugeben?

Wenn ich als Autor eine Rolle ernst nehme, kann das gar nicht passieren. Ich empfinde Situationen im Film generell nur dann als komisch, wenn sie auch eine gewisse Tragik haben. Das gilt auch für meine Arbeit als Schauspieler, sogar in Komödien: Die Figur mag in einer Lage stecken, die von außen betrachtet lustig ist, aber sie selbst empfindet das ganz anders.

Gab es Gelegenheiten, bei denen Sie solche Momente anders spielen mussten, als Sie eigentlich wollten?

Im Laufe meiner Karriere gab es sogar einige Momente, in denen ich mich geschämt habe, weil eine Szene im Drehbuch für meinen Geschmack allzu plump angelegt war. Allerdings habe ich als Darsteller keine Wahl, ich muss das dann auch so spielen, zumal ich das ja vorher weiß: Wenn ich bei einer Art „Klimbim“ mitwirke, muss ich auch „Klimbim“ bedienen.

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Sie sind doch kein Anfänger mehr, können Sie in solchen Fällen nicht protestieren?

Natürlich kann ich meine Bedenken formulieren, es gibt ja vor den Dreharbeiten eine Leseprobe, und ich kann meine Einwände auch gegenüber der Regie zur Sprache bringen, aber letztlich bin ich als Schauspieler weisungsgebunden. Sich dem zu widersetzen, wäre dem künstlerischen Prozess nicht förderlich, von der Atmosphäre am Set ganz zu schweigen.

Ich habe ja auch die Wahl, eine Rolle im Vorfeld abzulehnen. Ganz abgesehen davon müssen meine Bedenken und Einwände auch nicht richtig sein. Nur weil mir etwas unangenehm ist oder es nicht meinem persönlichen Geschmack entspricht, kann es durchaus den Geschmack des erwünschten Publikums treffen.

Diagnose Demenz: Freddy (Oliver Wnuk, links) macht sich Sorgen um Vater Fritz (Siemen Rühaak).
Diagnose Demenz: Freddy (Oliver Wnuk, links) macht sich Sorgen um Vater Fritz (Siemen Rühaak). | Bild: ARD Degeto/Gordon Muehle

Die Demenz-Szenen in „Vaterfreuden“ wirken sehr authentisch, woher wissen Sie so gut über die Krankheit Bescheid?

Ich habe mich mit dem Thema bereits in meinem ersten Roman „Wie im richtigen Film“ beschäftigt. Davon abgesehen habe ich einen ehemaligen Schulfreund, der heute Chefarzt für Neurologie in einer Schweizer Klinik ist und den ich bei medizinischen Fragen konsultieren darf. Die Authentizität dieser Szenen liegt aber vor allem an der sensiblen Arbeit von Regisseurin Sinje Köhler und dem Darsteller Siemen Rühaak.

Als Autor schöpft man immer aus sich selbst. Wie stark prägt Ihre eigene Biografie die Hauptfigur?

Freddy findet oft Antworten und wählt Verhaltensweisen, die ich in meinem Leben auch manchmal hätte ausprobieren sollen. Er ist trotzdem kein „Role Model“ für mich, ich bin im Großen und Ganzen zufrieden mit mir.

Freddy und seine Frau Juliana stoßen im dritten Teil an ihre Beziehungsgrenzen. Müssen sich die Fans der Reihe fürchten, dass sich die beiden trennen?

Die Lage könnte sich zuspitzen, das will ich nicht ausschließen.

An den Grenzen der Beziehung: Zwischen Freddy (Oliver Wnuk, von links), Niko (Max Günther), Juliana (Meike Droste) und Zoé (Sophie ...
An den Grenzen der Beziehung: Zwischen Freddy (Oliver Wnuk, von links), Niko (Max Günther), Juliana (Meike Droste) und Zoé (Sophie Reiling) liegt nun die kleine Mila Fritzie Kleemann (Mitte). | Bild: ARD Degeto/Gordon Muehle

Wie sehr nutzen Sie ihre Drehbücher und Romane, um eigene Erfahrungen zu verarbeiten?

Gar nicht. Zumindest für meine Person halte ich nichts davon, sich auf diese Weise selbst zu therapieren. Aber natürlich schöpfe ich aus meiner eigenen Sensibilität, und ich finde es auch legitim, Werte zu formulieren, die in meinem Leben eine große Bedeutung haben.

Wovon hängt es ab, ob es einen vierten Film geben wird?

In der Politik der Sender und ihrer Programmgestaltung spielen Aspekte eine Rolle, von denen ich keine Ahnung habe. Aber ich denke, es wird wesentlich sein, dass genügend Menschen den Film sehen wollen.

Und dann werden Sie selbst Regie führen?

Nein. Es hat der Reihe sehr gut getan, dass die Filme bislang von tollen Regisseurinnen inszeniert worden sind. Grundsätzlich würde ich gern mal Regie führen, das traue ich mir nach 25 Jahren vor der Kamera durchaus zu, aber nicht bei einem Projekt, bei dem ich auch Autor und Hauptdarsteller bin: weil mir wichtig ist, dass es noch ein Korrektiv gibt. Bei den „Kindergarten“-Filmen hat das hervorragend funktioniert, das ist mir lieber als eine solistische Gesamtleistung.

Hätten Sie als Regisseur nicht die Gewissheit, dass am Ende auch der Film entsteht, der Ihnen als Autor vorgeschwebt hat?

Das ist ein Trugschluss. Die verfilmte Drehbuch-Version von „Vaterfreuden“ war die siebte, und das Buch hat sich im Lauf der Fassung sehr wesentlich verändert. Man muss bei der Entwicklung eines Stoffs viele Kompromisse schließen: um die Bögen klarer zu umreißen, Fokusse zu setzen, innere Prozesse sichtbarer zu machen.

Mitunter müssen Szenen auch geändert werden, weil ihre Umsetzung schlicht zu teuer geworden wäre. Vor der Kamera muss ich das Drehbuch dann ohnehin hinter mir lassen, um befreit spielen zu können und die Regisseurin ihren eigenen Film erzählen zu lassen.

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Ist es nicht frustrierend, wenn Sie das eigene Werk immer und immer wieder überarbeiten müssen?

Nicht, so lange ich überzeugt bin, dass es durch jeden dieser Schritte an Qualität gewinnt. Bei einem Drehbuch reden viele Parteien mit: die Produktionsfirma, die Redaktion, die Regie, das Ensemble. Jeder sagt seine Meinung, alle haben das Recht, dass über ihre Ideen nachgedacht wird. Natürlich kann man sich als Autor stur stellen, aber dann besteht die Gefahr, dass das Projekt jemand anderem übertragen oder nicht realisiert wird.

Dieses Verhalten ist in meinen Augen nicht zielführend. Vielleicht sollte man dann eher einen Roman schreiben. Drehbuch-Autoren sind Auftragsarbeiter. Deshalb gehe ich in solche Gespräche immer erst mal mit dem Glaubenssatz: Der andere hat recht. Das ist nicht zuletzt auch eine Frage des Respekts. Am Ende bin ich zufrieden, wenn mein „Spirit“ und meine ursprüngliche Intention, berührend zu unterhalten, erhalten bleiben.

Freddy lebt mit seiner Familie jetzt schon seit einigen Jahren in Berlin, hat aber immer noch Sehnsucht nach Konstanz. Sie auch?

Nein. Tatsächlich hat sich für mich durch die Arbeit am ersten „Kindergarten“-Film ein Kreis geschlossen: Seither habe ich keine Heimatsehnsucht mehr. Ich werde demnächst 47 und muss nicht mehr nach Hause fahren, um mich heimatlich zu fühlen. Ich habe endlich Heimat in mir selbst gefunden.