Cornelia Wystrichowski

Frau Millowitsch, Sie spielen in der ARD-Reihe „Klara Sonntag“ eine Bewährungshelferin. Was ist Klare Sonntag für eine Frau?

Sie ist eine Frau, die am Abgrund gestanden hat. Ich hatte mir „Systemsprenger“ angeschaut, diesen ergreifenden Film mit der hinreißenden Helena Zengel als Mädchen, das eine Kindheit zwischen wechselnden Pflegefamilien und Heimen verbringt. So eine Vergangenheit hat Frau Sonntag. Sie ist durch die Systeme gegangen, hat auf der Straße gelebt, Drogen genommen und irgendwann überdosiert. Doch sie wurde rechtzeitig gefunden, und deshalb ist ihr Credo bis heute: Jeder hat eine zweite Chance verdient. Ich habe zur Vorbereitung sogar eine ausführliche Vita für Frau Sonntag geschrieben.

Ist es üblich, dass Sie so intensiv an der Entwicklung einer Figur mitarbeiten?

Nein, gar nicht, das ist eine Ausnahme. Normalerweise bekommt ein Schauspieler ja ein Buch hingelegt und sagt: Mach‘ ich oder mach‘ ich nicht. In dem Fall war ich von Anfang an dabei. Ich hatte bei einem Gespräch mit Produzent Ivo-Alexander Beck, der jetzt auch „Klara Sonntag“ produziert, gesagt: „Ach Ivo, immer diese Krimis. Können wir nicht mal was anderes machen? Kein Krimi, kein Anwalt, kein Arzt. Vielleicht jemand, der eine Tafel ins Leben ruft, um sich um andere zu kümmern?“ Als er dann die Idee Bewährungshilfe hatte, habe ich nur gesagt: „Wow, ja! Super Idee!“

Die Schauspieler Mariele Millowitsch und Hinnerk Schönemann stehen seit mehr als zehn Jahren für die ZDF-Krimi-Reihe „Marie ...
Die Schauspieler Mariele Millowitsch und Hinnerk Schönemann stehen seit mehr als zehn Jahren für die ZDF-Krimi-Reihe „Marie Brand“ vor der Kamera. Die erste Folge wurde 2008 ausgestrahlt. | Bild: Henning Kaiser/dpa

Krimis hören meistens auf, wenn die Handschellen klicken.

Genau, und bei uns geht es dann darum, was passiert, wenn die Täter rauskommen oder eine Bewährungsstrafe kriegen. Es soll auch nicht immer ein Ende in Rosarot geben. Wenn jemand die Auflagen nicht einhält, schickt Frau Sonntag ihn ins Gefängnis zurück.

Haben Sie auch mit echten Bewährungshelfern gesprochen?

Ja, ich habe in meinem Bekanntenkreis Menschen, die diesen Beruf ausüben, und habe mich natürlich mit ihnen unterhalten. Die haben mir auch klar gemacht, dass der Umgang mit Straftätern nicht einfach ist und man sich kein X für ein U vormachen lassen darf.

Klara Sonntag ist ein Findelkind und elternlos aufgewachsen. Sie hingegen sind Spross einer der berühmtesten deutschen Schauspieler-Familien – welchen Stellenwert hat die Familie?

Ohne meine Geschwister wäre ich geliefert. Meine Eltern sind ja schon lange nicht mehr da, aber meine Geschwister sind mir enorm wichtig, wir haben einen starken Verband und reden regelmäßig miteinander. Gerade in der Corona-Krise habe ich wieder gemerkt, wie wichtig die Familie ist, obwohl ich das natürlich schon vorher wusste.

Die Familie ist ihr wichtig: Mariele Millowitsch (von links) 1985 mit ihrem – Vater Willy Millowitsch (1909-1999), Schwägerin ...
Die Familie ist ihr wichtig: Mariele Millowitsch (von links) 1985 mit ihrem – Vater Willy Millowitsch (1909-1999), Schwägerin Barbie Steinhaus und Bruder Peter Millowitsch auf der Theaterbühne. | Bild: Dürwald/dpa

„Klara Sonntag“ war einer der ersten Filme, die Sie nach der Corona-Zwangspause gedreht haben. Wie empfinden Sie aktuell Dreharbeiten?

Proben finden mit Maske statt, wir desinfizieren dauernd und werden laufend getestet, und beim Mittagessen sitzt jeder an einem einzelnen Tisch. Das sieht fast aus wie eine Installation, es ist ein bisschen absurd, aber es muss ja sein. Der ganze Tross ist riesig geworden, weil alle Beteiligten so viel Platz und Abstand brauchen. Und der Hygienebeauftragte am Set schimpft mit uns, wenn wir etwas nicht richtig machen. Aber das ist auch gut so, ich will mir diese Krankheit wirklich nicht zuziehen.

„Klara Sonntag“ spielt in Köln, wo Sie leben. Mögen Sie es, vor der eigenen Haustür zu drehen?

Oh ja, das ist schon toll. Da kann ich abends nach Hause, und dann ist auch mein Hund in der Nähe. Er ist, wenn ich drehe, unter der Woche bei einer Freundin, die ein Altersheim draußen auf dem Land leitet, und am Wochenende kann ich ihn holen. Jetzt zu Corona-Zeiten reisen zu müssen, wenn man in einer anderen Stadt drehen würde, fände ich außerdem ziemlich gruselig.

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Sie sind mitten in der Corona-Krise, im vergangenen November, 65 Jahre alt geworden. Machen Sie sich über das Älterwerden denn Gedanken?

Wenn man anfängt, sich über Falten im Gesicht aufzuregen, ist man verloren, das hat ja keinen Sinn. Ich will in Würde alt werden, auch wenn es nicht immer Spaß macht, sich selber dabei zuzugucken (lacht) und der Körper müder wird. Ich stelle mir immer eine Sanduhr vor und sehe unten den Riesenhaufen und oben den armseligen Rest, der da durchgeht, bis Schluss ist. Aber das sind keine Sachen, die mich schrecken, sondern im Gegenteil.

Soll heißen …?

Ich sage mir: Jetzt erst recht. Sterben muss ich eh. Warum soll ich mir die Zeit versauen? Ich versuche, das Beste daraus zu machen. Ich will Spaß haben.

Und welche Rolle würde Ihnen noch Spaß machen?

Ich habe mit einem befreundeten Produzenten eine Vereinbarung: Wenn ich 80 bin, will ich Miss Marple spielen – aber auf meine Art, mit kurzen Haaren und Latzhose. (lacht)

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